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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 102-115 (1. September - 30. September)
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M 106. Dienstag den!
z. September 1868.
Zur Kriegs- und Friedens-Frage»
(Democr. Correspondenz.)
Die Berliner Nachricht von neulich, daß Rußland neutral
bleiben zu wollen erklärt habe trotz Preußens Drängen, bestätigt
sich vollständig. Ter Besuch Königs Wilhelm in Schwalbach bei
seinem kaiserlichen Neffen Alexander ist für den letzteren eine —
nicht gewünschte — Ueberraschung gewesen und ist, wie man nun
leicht begreift, ohne den gewünschten Erfolg geblieben.
Gleichzeitig ist sicher, daß die Zeitungsnachrichten, wornach das
Verhältnis Oesterreichs zu Preußen kühler als je ist, durchaus
richtig sind. Die Besänfligungsnote in Sachen Usedom Hai natür-
lich nichts gefruchtet; man sucht daher von grospreußischer Seite
sogar die Thalsache zu läugnen, daß sie existire, — bekanntlich
nicht die erste Ableugnung zu Gunsten des Hrn. v. Wertster, den
man entschlossen schernt auf alle Fälle in feinem Wiener Posten zu
behaupten, zur Warnung wahrscheinlich für Oesterreich selbst, wel
ches seit der berüchtigten Kiönungsdepesche vom 9. Juni v. I. zu
gut weiß, wie es mit allen Berliner Freundschaftsbezeugungen dran
ist, so lange sie aus dieses Herrn Munde kommen.
Gleichzeitig verbessert sich Preußens Stellung in Italien mit
Nichten; die Conscquenz, mit der Lamarmora in seinen Enthüllungen
fortsährt, beweist das.
Die napoleonischen Pläne auf die Eooperation Belgiens und
Hollands, wenn nicht gar auch der nordischen Staaten, nehmen
greifbarere Gestalt au; die „Times" hat sich veranlaßt gesehen,
einen fast drohenden Protest-Artikel dagegen zu erlassen. Offenbar
für Napoleon kein Hinoerniß, wie die Ncise seines prinzlichen
Vetters, der den No den studirt, und die Ernennung Laguerron
niLre's zum Gesandten in Brüssel beweist. Was Letzterer soll, wird
bald genug in der belgischen Presse sichtbar werden; den langjährigen
Erfahrungen, die er an sich und seines Gleichen auf diesem Gebiete
gemacht hat, verdank! er wesentlich seine Ernennung. Wer Nei-
gung und Anlage hat, wird sich in Belgien demnächst überzeugen
können, daß nicht blos „der Nabel auf Reisen geht. In Holland
soll man das schon lange wissen, mindestens seit der Luxemburger
Affmre, wo — wenn auch nicht hoch in Achtung stehende, — doch
hochgestellte Frauen die angenehme Eifahrung machten.
Und die Völker?! — Arme Völker, sie wollen den Frieden,
bedürfen den Frieden, und unssen's doch nicht auzusangen, wie sie
sich vor Schaden hüten.
Armes deutsches Volk zumal, auf welches einmal wieder das
Gewitter sich entladen soll! Wir müßten ein Mittel, welches, wenn
auch nicht mehr eine entscheidende, wenigstens eine große Bürg-
schaft für den Frieden gewährt. Wir haben es oft genannt. Es
ist die freiheitliche Einigung Süddeutschlands. Es ist der Südbund
mit einem Parlament, welches den Willen von friedlich gesinnten
zehn Millionen verträte, und mit einem Volksheer, welche diesem
Willen Nachdruck gäbe. Zwei Jahre sind's daß unsre Partei den
Gedanken des Südbundes ausgesprochen hat, und in den zwei Jahren
hat sie, von uns redlich unterstützt, dafür gearbeitet. Die Politik
Oesterreichs widerstrebt nicht, obschon die Kriegsgefahr nicht ihm
an erster Stelle droht. Aber Großpreußen, das ja bedrohte, wider-
strebt und mit ihm natürlich alles, was es im Süden an bettel-
preußischen Narren gibt — Minister, Officiere, Professoren, Volks-
vertreter. Und warum widerstrebt Großpreußen? Der Südbund
würde nur als Freiheitsbund in's Leben treten, und die Freiheit
ist diesem Großpreußen gesährlicher und verhaßter als selbst der
Krieg; in diesem kann es noch hoffen sich zu behaupten, die Frei-
heit aber ist ihm tödtlich. Und so wird denn der Staat des deutschen
Berufs, wie er aus Machtpolitik den Krieg von 1866 über uns
gebracht hat, arch den nächsten und vielleicht noch schlimmeren
über uns bringen aus Freiheitshaß.
Werden die wenigen Monate, die uns noch vom nächsten Früh-
ling trennen, eine hinreichende Frist bieten, um die Gefahr abzu-
wenden, zu beschränken, zu mildern?! —
General-Versammlung der katholischen Vereine
in Bamberg.
Nröe von Msgr. Nar-U prähdenk der UM aus Rom.
„Zuerst ein brüderlicher, freundlicher Gruß von den römi-
schen und italienischen Katholiken. Daß ich wage, in einer Sprache
oas Wort zu ergreifen, die nicht die meinige ist, zeigt, wie groß
das Vertrauen in Ihre Nachsicht ist. Bei der Gelegenheit der Ge-
fühle werden wir leicht verstanden, mögen unsere Sprachen und
Länder verschieden sein, so sind unsere Herzen ewig „ownes unum".
So war es einst in diesem ihrem Vaterlande des tiefen Wissens
und der kräftigen That, als ein Glaube und eine Kirche bestand.
Damals war Deu schland groß und mächtig, mit neidischen Augen
sahen alle Fürsten auf seine römische Krone. Aber j tzt sind die
Zeiten anders. Ein Mann hat uns gestört in dieser Euchen. Unter
sein neues Denkmal möchte ich die Worte sitzen: Wir waren Eines,
oer hat uns entzweit.
Savonarola war kein Häretiker, sondern Enthusiast, er starb
Das Sturmlicht von Haklarsholm.
Eine Strandgeschichte.
(Fortsetzung.)
Daß der gnädige Herr in einer geheimnißvollen Verbindung mit jenem
sogenannten Sturmlichte stand, war die allgemeine Annahme unter seinen Päch-
tern und Nachbarn. Es hatte verlautet, namentlich durch das Dienstmädchen
vom Schloß, daß der Baron in jeder stürmischen Nacht sein Pferd bestieg und
selten vor Tagesanbruch heimkehrte, und daß die Baronin während seiner gan-
zen Abwesenheit ausl-lieb, ost in den Sturm hinausblickte und ausseufzte, wie
Jemand, der eine große Last aus dem Gewissen hatte. Niemand wußte, wohin
der Baron in solchen Stnrmnächten ritt, aber die Thalbewohner bildeten sich
bald eine dunkle Ansicht darüber.
Land.inwärts in der Nahe der Heustöcke wohnte ein einsames altes Weib,
das fremd nach Haklarshoim gekommen war; sie stammte angeblich aus Nor-
wegen, aber eher aus Lappland, denn sie hatte den untersetzten Wuchs, die
braune Hautfarbe und die abg platt, ten Gesichtszüge jener nordifchen Ra«;?.
Ihre Manieren und ihr Character schmeckten in den Augen ihrer "dänischen
Nachbarn ebenfalls nach lappländischen Eigenthümlichkeiten. Wittwe Laxon war
s l weigsam, schlau, zurückhaltend und hei.nlichthuend, verstand sich außerordent-
lich gut aus Kräuter und Heilmittel und stand daher im Rufe, geheimer teuf-
lischer Künste mächtig zu sein. Ihre einsame Hütte inmitten der weiten Wei-
den ward in den strengen jütländischen Wintern von Herden und Hirten, von
Menschen und Vieh gemieden, aber offenbar ritt der Baron dorthin und half
ihr bei dem nächtlichen Zauber, durch welchen sie jenes überirdische Licht über
die Sandhügel wandern ließ, um Schiffe in ihr Verderben auf den Riff zu
locken, welches ja der einträglichste Theil von dem Gute des Barons war. Der
Glaube an Hexerei scheint den Nordländern wahrhaft angeboren und ist nament-
lich unter den Bauern und Fischern noch nicht in Abnahme gekommen. Zur
Zeit unserer Erzählung nahmen di« dänischen Gerichte allerdings keine Notiz
mehr von den vorgeblichen Fällen von Hexerei, aber das Volk suchte sich alles
was ihm räthselha st und unerklärlich war, auf diese Weise zu erklären. Es war
ein Glück für den Herrn von Haklarsholm, daß man ihn im Verdachte gehei-
mer Teufelskünste hatte, denn die Leute erschreckten einander nun mit Geschichten,
die sie über ihn am Herde und auf dem Fischergrunde erzählten und die Eigen-
sinnigsten und Eigennützigsten wagten nun nicht mehr mit ihm zu hadern,
sondern gaben ihm nach; die Jungen wichen ihm schüchtern aus und die Alten
beklagten sehr, daß man nicht mehr die guten alten Zeiten hatte, wo ein sol-
cher Grundherr für den Scharfrichter reif gewesen wäre.
Wittwe Laxon ward natürlich in dieses furchtsame scheue Meiden einge-
schlossen. Von ihrer ersten Niederlassung im Thale an war sie als eine Art
gutartige Hexe angesehen worden, mußte den Bauern das kranke Vieh und die
Kinder curiren, die F scher wegen Häringszügen und conträrer Winde berathen
und ihnen Arzneien verkaufen, welche sie im Berhältniß zu deren merkwürdigen
Kuren sehr wohlfeil abgab. Aber nun galt Wittwe Laxon fortan als eine
bösartige Hexe, die ebenso gut zerstören als retten konnte und sich allem An-
schein nach auf ersteres am Besten verstand. Es half ihr selbst jedoch offenbar
wenig, denn der Baron war gegen seine Gehilfin bei dem mitternächtlichen Un-
fug ebenso geizig, wie ihn seine Pächter und Nachbarn erfanden. Trotz all der
reichen Hracke, welche auf sein Riff geworfen worden, lebte die Wittwe in ihrer
elenden, einsamen Hütte nicht besser als zuvor und trug noch immer ihren
alten, geflickten wollenen Rock und die Kaputzs von Robbensell über ihrem lapp
ländischen Gesicht, wenn sie bei Voll- und Neumond auf's Kräutersuchen aus-
ging, und sie verabreichte nach wie vor um mäßiges Entgeld guten Rath und
Arzneien. Merkwürdigerweise werden jedoch erfahrungsmäßig in keinem Lande
die Hexen von ihrer schwarzen Kunst reich und sett. Wittwe Laxon läugnete
zwar, mit dem Baron in irgend welcher Weise zu thun zu haben, aber das
machte die Leute in der Meinung von ihren Künsten und ihrem Treiben nicht
irre; und daß sie den Grundherrn von Haklarsholm für einen überwiesenen
Mann ansah, konnte aufmerksamen Beobachtern nicht entgehen, welche den Blick
bemerkten, den sie unter ihrer Robbenfellcavutze hervor auk ihn zu werfen
pflegte.
(Fortsetzung folgt.
 
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