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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 52-64 (2. Mai - 30. Mai)
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lassen. Und nun Adieu; und vergeßt nicht dem Jean zu sagen , daß er im
neuen Jahr dreister austreten soll."
Der Verwalter verneigte sich ebenso unbeholsen als tief, steckte das Strau-
din'sche Ding in seine breite Rocktasche und ging von dannen.
Als er am Abend heimgekommen war, packte er aus und gab jedem Kind
ein Geschenk. Dann rief er seinen Nettesten: „Jean, die gnädige Frau Her-
zogin ist nicht zufrieden mit Dir. Sie läßt Dich grüßen und Dir sagen. Du
seiest ein einfältiger Patron."
„Schönen Dank, Vater, die Herzogin ist gar zu gütig.
„Nein sie hat Recht," brummte der Alte, „und Du weißt schon was ich meine.
Sie will der Dvonne sogar die Aussteuer schenken und Du hast nicht den Muth
um sie anzuhalten. Ich kann gar nicht glauben, daß Du sie so lieb hast, wie
Du sagst."
„O Vater!" rief der Sohn und wurde feuerroth; „ob ich sie lieb habe,
wie kannst Du das fragen! Hundert Mal des Tages denke ich an sie und
hundert Mal nehme ich mir vor es ihr endlich zu sagen; aber wenn ich ihr
gegenüber stehe, so schnürt es mir den Hals zu und ich kann kein Wort heraus-
bringen."
„Eben weil Du ein einfältiger Tropf bist, wie die Frau Herzogin sagt,"
entgegnete der Alte barsch. Aber nach einer Pause fuhr er sanfter fort: „Da
sieh, Jean, was sie mir noch gegeben hat: feine Bonbons, wie sie die vor-
nehmen Herrschaften in Paris essen. Nimm sie und gieb sie der Dvonne, oder
schick' sie ihr, wenn Du Dich nicht getrauest, sie ihr selbst zu bringen. Die
Weiber sind oft klüger als die Männer. Sie erräth vielleicht was Du auf
dem Herzen hast."
Gesagt, gethan. Aber der ehrliche verliebte Bursche zog vor, seinen jüngern
Bruder mit der Commission zu beauftragen und schärfte ihm noch ein, ja recht
deutlich zu sagen, es sei ein Neujahrsgeschenk von Jean für Dvonne.
(Schluß folgt.)

Am 9. d. M. stürzte der 283 V° Fuß hohe Thurm der Michaelskirche
in Breslau ein. Die Erderschütterung war so mächtig, daß man in den
benachbarten Häusern ein Erdbeben vermuthete.

M 57._ Donnerstag den 14. Mai _ 1868.


„Tagesordnung saus xlirase"
_ war das Resultat der Abstimmung über die projectirte national-
liberale Zollparlaments-Adresse. Hoffentlich wird dies Resultat
die Heißsporne belehren, daß es Zeit ist, die Main-Locomoüve in
ven Norddeutschen Bundesschuppen zurück zu dirigiren. Möge sie
— wir schließen uns diesem Wunsche der „Zukunft" an — der
laut der „Kölnischen Zeitung" von ihrem Braun dem Bundes-
kanzler als „Norddeutscher Bundesschoppen" bei vertraulichem Zwie-
gespräch in Vorschlag gebrachte hessen-darmstädtische Weinschoppen
dafür entschädigen! Sie haben entschieden Fiasco gemacht, die
Einheitsmänner. Während ihr oüsk äs ouiLins den Vaterlands-
verräther Trabert zum Hauptfraße am Spieße drehte, brannte
ihnen das Gabelfrühstück an, und jetzt versalzt man ihnen die
Suppe einer Haupt- und Staatsaciion, gönnt ihnen auch nicht
einmal die erbaulichen Tischreden, sondern weist sie an die Arbeit.
Jeglichem kommt sein Tag.
Unmotivirt zur Tagesordnung!
„Kaum wissen wir" — bemerkt die Berliner „Volkszeitung"
— „mit welchen Worten wir die politische Haltung solcher Männer
bezeichnen sollen, die durch fast zwei Jahrzehnte unausgesetzt ihre
Ueberzeugung in Hundertsachen Reden und Resolutionen dahin
ausgesprochen haben, daß die deutsche Einheit nur durchführbar
sei, wenn der preußische Staat an Deutschlands Spitze das volle
Maß der constitutionellen Freiheit gewähre und ein deutsches, die
vollen Rechte einer Naüonalvertretung ausübendes Volksparlament
anerkenne, — wir sagen: wir wissen kaum, mit welchen Worten
wir diese Männer bezeichnen sollen, die heutigen Tages in das
Zollparlament eintretend, das ärmer an constitutionellen Rechten
ist, als je eine Volksvertretung in civilisirten Staaten, dennoch
von dieser Position aus Deutschlands Einheit zu erobern ge-
denken.
„Und diese Männer, die über ihre ganze Vergangenheit zur
Tagesordnung übergehen, wundern sich, daß alle andern Parteien
die Tagesordnung über ihr Phautasiren beschließen!
„Aber die „unmotivirte Tagesordnung"? Haben sie die
denn verdient?
„Verdient freilich nicht! Sie verdienten, daß man ihnen
das Motiv, das wahre und richtige Motiv, weßhalb selbst das
mildeste Urtheil über sie die Tagesordnung verhängt, recht deut-
lich sage. Nur aus Schonung gegen solches Gebühren weist man
es stillschweigend ab und nur aus Achtung vor der Devise der
„deutschen Einheit", die sie sich aneignen, hat man wenigstens

einige Motive gellend gemacht, weshalb man die schattenhafteste
aller nichtssagenden Adressen der Vergessenheit anheimgibt. Die
unmotivirte Tagesordnung war in der That eine unverdiente
Nachsicht!
„Sicherlich empfinden unsere Leser nicht minder, wie wir,
daß es überhaupt schon überflüssig ist, sich mit Männern in politi-
schen Streit einzulassen, die sich selber so gründlich begraben. Was
soll man ihnen auch sagen, wenn das Stärkste, was man gegen
sie aussprechen möchte, in ihren eigenen frühern Programmen und
Reden zu lesen ist! Auch die Ausführungen über die nicht existirende
Competenz des Zollparlaments zu politischen Programmen find
überflüsig, wenn man bedenkt, daß diesem Parlament die aller-
unterste Stufe der selbstständigen Existenz, die der rechtlichen
Periodicität fehlt. Als im Jahre 1847 der König Friedrich Wil-
helm IV. einen ständisch aus Fürsten, Grafen, Rittern, Bürgern
und Bauern zusammengesetzten vereinigten Landtag einberufen und
ihm die Zumuthung stellte, sich als Reichsvertretung zu betrachten
und über Steuern zu beschließen, da hat dieser Landtag nicht
unterlassen, vor allem das zu fordern, was man die „Periodicität"
nennt, das heißt das Recht, zu verfassungsmäßig festgestellten Zei-
ten einberufen zu werden, und nicht in seiner Existenz vom Be-
lieben oder dem „Bedürfniß" der Regierung abzuhängen. Von
allen Competenzen ist doch sicherlich diese Competenz die aller-
unterste Stufe eines berechtigten Daseins, ^-em Zollparlament
ist dieses allergeringste Recht nicht zugestanden. Welch' tiefe Ab-
irrung liegt nicht schon darin, daß eine solche Versammlung auch
nur einen einzigen Tag in beschlußfähiger Zahl existirt, ohne zu
erklären, daß sie ohne jede Competenz sei, irgend ein Recht aus-
zuüben, so lange sie rechtlos in der eigenen Existenz ist! Bedarf
es solcher Erscheinung gegenüber noch der Motive oder auch nur
der Worte über die Beschränktheit der Competenz? Uns scheint
die stillschweigende Tagesordnung noch die allergrößte Schonung
zu sein.
„Wäre es denn aber nicht in der Ordnung, irgend ein Wort
über die Vereinigung ves Südens und des Nordens Deutschlands
auszusprechen" ?
„Gewiß wünschen wir diese Einheit, und wir hoffen auch
auf eine solche, sobald nur das richtige Mittel dazu gewählt wird,
das darin besteht, daß der Norden zum allermindesten jenes Maß
der staatsbürgerlichen Freiheit und der parlamentarischen Rechte
bei sich einführt, welches — was scheuen wir uns doch, die Wahr-
heit zu gestehen! —das geschlagene Oesterreich in einem beneidens-
I werthen Grade schon besitzt. Darum aber meinen wir, daß die-

Reisen und Abenteuer einer Schachtel Bonbons.

(Fortsetzung.)
Der Pfarrer nahm das Zweihundert-Frankenbillet, überreichte der hohen
Dame das Kästchen und kniete darauf still in einen nahen Betstuhl, wahr-
scheinlich um Gott für die glückliche Begegnung mit der Bürgerssrau und der
Herzogin zu danken.
Die Herzogin fuhr in ihr Palais zurück und das vielgewanderte Kästchen
schien nun an seinen wahren Bestimmungsort gekommen zu sein. Schon hatte
die Herzogin das umhüllende Atlaspapier entfernt, um sich die kostbaren Bon-
bons (sie hatte ja zehn Louisdors dafür bezahlt) näher anzusehen, als ein Lakai
m den Salon trat und den alten Mathias aus Monterau anmeldete.
Der alte Mathias war der Hauptverwalter der herzoglichen Güter und
schon sein Vater hatte bei den Eltern der Herzogin dasselbe Amt verwaltet.
Er war freilich nur em Bauer, recht und schlicht, aber er gehörte, nach Sitte
der alten adeligen Häuser der nobeln Faubourgs, gewissermaßen zur Familie
und war eigens von Montereau herübergekommen, um der gnädigen Herrschaft
sein Neujahrsglückwunsch darzubringen-
„Das ist hübsch von Euch, xoro NaLiou," sagte die Herzogin indem sie
ihm die Hand bot, die der Alte kaum zu berühren wagte. „Unten beim Portier
siegt ein großes Packet für die Kinder. Wie geht's denn zu Hause? Hat der
lange Jean endlich um die schöne Yvonne angehalten und auf wann die
Hochzelt?"
„Durchlaucht sprechen von meinem Nettesten?" entgegnete Mathias. „Lei-
Jean noch immer kem Herz gefaßt und das Mädchen kann sich
rym noch mcht anbieten, so gerne wir sie auch zur Schwiegertochter hätten."
^rLean ist ein einfältiger Tropf," rief die Herzogin; „fagt ihm nur
das von nur und daß er sich sputen möge. Ich habe der Yvonne die Aus-
steuer versprochen." Sie wickelte darauf das Kästchen wieder in das Atlas-
„Feine Bonbons, xtzro Llutdieu, wie man
A Unzirt; aber ich habe augenblicklich keine andere und
nur fallt ein, daß ich mcht daran gedacht habe, welche in das Packet legen zu
 
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