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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 52-64 (2. Mai - 30. Mai)
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* Prozeß Lindau.
(Nach stenographischer Aufzeichnung).
(Fortsetzung.)
Der Staatsanwalt fährt fort: Es ist darauf aufmerk-
samgemacht worden, in constitutionelleu Staaten sei das Mini-
sterium eine Partei oder gehöre einer Partei an.
Ich glaube nun, daß aus dem Begriff des constitutionelleu
Staates jedenfalls noch nicht folgt, daß das Ministerium auch
einer befonvern Partei angehört, wenn auch faciisch bei dem
jetzigen Constitutionalismus jedes Mimsterium eine Richtung ver-
tritt; aber eine Constquenz aus diesem Umstande ist das nicht,
es scheint das verwechselt worden zu sein mit dem parlamentari
scheu Regime, wie in England; bekanntlich sind aber dort andere
Zustände und man kann von dem jetzigen Ministerium am aller-
wenigsten behaupten, daß dasselbe ein parlamentarisches sei; so
viel ich weiß und das soll s. Z. in Abgeordnetenkreiseu keinen be-
sondern Anklang gefunden haben, ist in das jetzige Ministerium
Niemand von der Kammer eingetreten. Wenn nun auch der Chef
des Ministeriums, Herr Staatsminister Jolly, einer Partei ange-
hören würde, so wäre man noch nicht berechtigt, das ganze
Ministerium nicht anders zu nennen, als eine Parteiherrschaft.
Man muß hier wohl beachten, daß Herr Staatsmimster Jolly
von der Universität Heidelberg in die I. Kammer gewählt ist, daß
er Abgeordneter der badischen Ständekammer ist und als solcher
hat er wohl das Recht, sich einer gewissen Partei anzuschließen,
allein etwas durchaus verschiedenes davon ist die Behauptung, das
ganze Ministerium sei nichts anderes, wie es hier behauptet wor-
den ist, als eine herrschende Partei, als die Herrschaft jener Partei,
welche die Aufforderung vom 20. Dezember 1867 erlassen hat.
Dort hat Herr Staatsminister Jolly lediglich als Abg. der I.
Kammer gehandelt, er kann diese politische Ansicht auch vertreten
innerhalb seiner amtlichen und dienstlichen Wirksamkeit, allein
wenn es sich um die Anwendung gegebener Gesetze handelt, darf
er nicht bei Anwendung dieser Gesetze absichtlich die Zwecke seiner
Partei befördern und die einer Andern unterdrücken. Ich be-
haupte also auch hier, daß eine grobe Schmähung vorliegt.
Wenn behauptet worden ist, das Verbot sei begreiflich von
dem Standpunkt dec Parteiherrschaft der Minorität, so ist hier
allerdings in etwas verdeckter Weise die Sache nicht gerade als
Behauptung aufgestellt, aber die Sache kann keinen andern Sinn
haben, als daß der Verfasser des Artikels behaupten wollte, das
Verbot sei erlassen worden vom Standpunkt dieser Parteiherrschafl

der Minorität, es sei nichts anderes, als der Ausfluß einer Par-
teiherrschaft und auch das ist der Vorwurf der Parteilichkeit, den
sich eine Regierung, ein Ministerium niemals gefallen lassen kann.
Daß nun hier bei dieser Stelle kein Urtheil vorliegt, das scheint
mir ganz klar zu sein, hier ist kein Causalnexus ersichtlich, es ist
insofern ein Causalnexus, als man sagt, es sei geboten gewesen,
wenn man das Volk aufzuklären suche, daß man die Gegner vom
Volke abzuschneiden suche. Was nun die Worte „für mich" be-
treffen, so will Herr Lindau damit geltend machen, das sei ge-
meint für sich, in seinen Gedanken, das ist aber eine Auslegang,
die mir in keiner Beziehung conveniren will. Wenn er einen sol-
chen Gedanken hätte für sich behalten wollen, so hätte er das
nicht in denPfälzer Boten einrücken lassen sollen, ein solcher Gedanke
wäre nicht unter den Z des Strafgesetzes gefallen, Gedanken sind
auch in Baden zollfrei; wenn man aber soweit geht und derartige
Aeußerungen in den Pfälzer Boten einrückt, so ist das kein
bloser Gedanke mehr. Ich fasse deßhalb die beiden Worte „ für
mich" so auf: das ist bas Motiv des gegen mich erlassenen
Verbots, oder das ist das Motiv des Verbots, weil es sich
um mich, um einen Gegner des Ministeriums Jolly handelte.
Ich komme nun zur letzten Aeußerung welche lautet: „das
neue Vereinsgesetz gibt Ihnen allerdings die Gewalt rc. rc.
Ich habe in dieser Erklärung die Behauptung erblickt, es
habe dem ganzen jetzigen Ministerium, der ganzen jetzigen Staats-
regierung, jedenfalls speziell dem Ministerium des Innern oer
Vorwurf gemacht werden wollen, daß es einen Hang zur Willkür
und zur Gewaltthat besitze und daß es, um diesem Hang nachzu-
kommen, die Gesetzgebung darnach cinrichte. Es hat sich in der
Beziehung Herr Lindau hinsichtlich des früheren Gesetzes über
Vereine und Versammlungen in einem sehr bedauerlichen Jrrthum
befunden, wenn er gemeint hat, jenes frühere Gesetz garantire
das Recht, Vereine zu gründen und Versammlungen zu halten,
mehr als der damalige Entwurf, allein dieser Jrrthum ist gleich-
gültig für die gegenwärtige Frage. Er hat auch hier wieder eine
Behauptung ausgestellt, welche eine grobe Schmähung enthält, näm
lich die Behauptung, man habe, um Gewaltthaten ausüben zu kön-
nen und um das Versammlungsrecht zu beeinträchtigen, also ein
staatsbürgerliches Recht zu beeinträchtigen, das frühere Vereinsgesetz
unbrauchbar gefunden.
Was schließlich den Beweis der Urheberschaft betrifft, so hat
Herr Lindau zugestanden, daß er den Artikel verfaßt habe, daß
er mit seinem Willen in den Pfälzer Boten ausgenommen worden

Reisen und Abenteuer einer Schachtel Bonbons?)

Das Ladenfräulein, eine schöne Dame in seidenem Gewände, mit Spitzen-
manchetten, nahm das Kästchen und stillte es mit den feinsten Straudin'schen
Bonbons. Ein vornehmer Herr hatte es bestellt und kam auch an demselben
Nachmittage, um es abzuholen. „Einfach aber elegant" hatte er gesagt, und
machte ihr jetzt ein Compliment über ihren guten Geschmack. Das Kästchen
blau mit Silber, war so zierlich und zart, daß es als Brautgeschenk dienen
konnte. Der Herr öffnete es und fchaute hinein: rosenrothe Liquersbonbons
bildeten die Einfassung, eingemachte Veilchen, das Allerseinste und Allerneueste
aus der Straudin'schen Officin, lagen wie ein Bouquet in der Mitte, und rings
buntfarbige Sternchen in Zuckerguß, Ananas und Vanille duftend . . . Der
Herr musterte all die schönen Sachen als Kenner, machte noch eine leichte Hand-
bewegung, wie wenn er etwas, fast wie ein Papierchen, in das Kästchen hinein-
gelegt hätte, und schloß dann schnell den Deckel. Das Ladenfräulein wickelte
ein rosa Seidenband darum und schlang es dann in blendendes Atlaspapier,
das in prächtigen Lettern die Adresse des berühmten Hauses trug. Der Herr
legte ein Goldstück auf den Marmortisch und ging dann mit seinem kostbaren
Packet davon.
Er eilte durch die Rue de la Paix, am Grand-Hotel vorüber, in die
Chaussee d'Antin, wo er in ein stattliches Haus trat und am Eingänge der
ersten Etage klingelte. Ein Kammermädchen öffnete und begrüßte ihn mit ver-
traulichem Lächeln, welches Lächeln sie übrigens für jeden Besucher hatte.
„Ist Madame allein?" fragte der Herr hastig.
„Für den Augenblick allein," entgegnete die Zofe verschmitzt, „aber sie hat
schon viele Besuche erhalten".
Der Herr trat vor einen Spiegel, fuhr mit der Hand durch sein parfü-
mirtes Haar, zupfte an seiner Cravatte und an seinem blitzenden Uhrgehänge
auf der blauen Sammtweste und warf einen prüfenden Blick auf feine ganze
Figur. Er war ein stattlicher Mann in den besten Jahren, überaus elegant
*) Erheiterungen.

gekleidet, vom kunstgerecht gescheitelten Wirbel bis zur glanzledernen Zehe; ein
Leirathscandidat (er war vielleicht einer?) hätte nicht schmucker aussehen können.
Die Kammerjungfer öffnete die Thüre des Boudoirs und ließ ihn eintreten.
Die Dame ruhte in nachlässiger aber hübscher Lage auf einer eüa.i86-IonAU6.
Sie war eine junge Wittwe, was man leicht an den Trauerkleidern erkennen
konnte, die ihr trefflich standen — aber eine von jenen „untröstlichen" Wittwen,
die kaum das Ende des Trauerjahres abwarten können, um an der Seite eines
neuen Gatten den Verlust des ersten zu vergessen. Dabei war sie schön und
reich. Es fehlte ihr mithin nicht an Verehrern und Prätendenten.
„Madame", sagte Andonis mit sanfter etwas bewegter Stimme, indem er
ihr das Kästchen höflich überreichte, „es ist morgen Neujahrstag und Sie wer-
den aus dem verflossenen Jahre nur das Heitere und nicht das Traurige hin-
übernehmen. Auch ich bringe Ihnen mein kleines Geschenk. Es ist nicht viel;
aber ich legte mein Herz mit hinein."
„Der Tausend!" lachte die Dame, — „Ihr Herz in diesem Kästchen ? Und
noch dazu Bonbons von Straudin, die feinsten in ganz Paris!"
„Es ist, wie ich sage," entgegnete der Anbeter, „und Sie müssen mir er-
lauben, nach einigen Tagen wiederzukommen, um zu erfahren, wie Sie den In-
halt meines Kästchens gefunden haben."
„Sehr gern", scherzte die Wittwe weiter. „Aber hoffentlich ist ihr Herz
nicht so groß; denn sonst bliebe denn gar kein Platz für die Bonbons." Sie
reichte ihm dann ihre schöne Hand, auf die es so viele Bewerber abgesehen, zum
Kusse. Der Freund empfahl sich und ging um eine süße Hoffnung reicher nach
Hause.
Gleich darauf trat ein Fräulein in das Boudoir, eine Cousine der Wittwe,
ein hübsches junges Mädchen, uud legte einen Veilchenstrauß auf den Guöridon
von Rosenholz.
„Norm, Clariffa", sagte die Dame. Deine Blumen sind mir lieber als
die langweiligen Bonbons. Dieß hier ist dis zweiunddreißigste Schachtel," fügte
sie lachend hinzu und zeigte auf das Straudinsche Kästchen, „die ich in diesen
drei Tagen erhalten habe und morgen wird wohl noch ein Dutzend ankommen.
Nimm es, wenn Du willst; ich schenke es Dir gern. Ich habe nicht einmal
Lust hineinzuschauen. Es ist immer dasselbe darin."
(Fortsetzung folgt.)
 
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