Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

DOI Kapitel:
Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43881#0021

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


und Sund

Preis vierteljährl. 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlag.
. Jus.'-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.


Samstag den 11. Januar

1868.

Kammerblüthen.
sD Aus der Pfalz, 5. Jan. Wir können uns nicht ver
sagen, nachdem nun der stenographische Bericht der 17. öffentlichen
Sitzung der 1. Kammer, welche sich mit der Civilehe befaßte, er-
schienen ist, auf diese Verhandlung zurückzukommen und einige da-
rin gefallene Aeußerungen des Geh. Raths Bluntschli zu beleuchten.
Der Herr Geh. Rath und Staatsrechtslehre sagt ganz richtig,
daß es keine bürgerliche Trauung gebe, die Trauung sei immer
ein religiöser, kein bürgerlicher Akt, es gebe nur eine bürgerliche
Form des Abschlusses des Ehecontractes. Wir sind ganz einver-
standen mit dieser Definition. Wie bringt nun aber der Herr
Abgeordnete diese seine Aeußerung in Einklang mit dem doch von
ihm verfaßten Bericht, welcher sich für Einführung der Civilehe
ausspricht? Denn wenn man zugibt, daß die Trauung rein reli-
giöser Natur ist, so kann man doch nicht im nämlichen Athemzug
sich für die Civilehe erklären, die von der kirchlichen Trauung
ganz abstrahirt!
Der Herr Geh. Rath, der sich schon oft zu helfen wußte, weiß
sich auch hier wieder zu helfen. Er behauptet nämlich, die Ehe
sei weder staatlich noch kirchlich. Eben sagte der Herr Abgeord-
nete, die Ehe sei bloß religiöser Natur und gleich darauf, die Vor-
stellung, daß die Kirche auch das Recht habe, die Ehe zu ordnen,
sei ganz falsch.
Wenn ferner Bluatschli, nachdem er wieder von seiner ur-
sprünglichen Behauptung so weit zurückgekommen, daß er sagt, die
Ehe habe auch ihre religiöse Seite, bemerkt, durch die Civilehe
wolle der Staat nicht im Geringsten diese religiöse Seite der Ehe
antasten, so können wir dies unmöglich zugeben; denn dadurch,
daß der Staar die kirchliche Ehe nicht als rechtskräftig erklärt,
sondern der Eintrag der Namen der Brautleute in das Standes-
ach durch einen Beamten vollständig genügend erklärt, kann man
doch nicht mehr behaupten, der Staat anerkenne die religiöse Seite
der Ehe, nein, er mißachtet und verwirft das Recht der Kirche,
er setzt sich in Widerspruch mit der Lehre der in Baden anerkannten
katholischen Kirche (und ?/3 des Landes gehören zu ihr), welche
die Ehe als ein durch Christus eingesetztes Sacrament erklärte
und eine Civilehe so wenig anerkennen kann, als (um mit Alban
Stolz zu reden), wenn der Anusschreiber dem Neugeborenen ein
Dintenfaß über den Kopf gießt und nachher Sportelzettel für ver-
gossene Dintenflecken in's Haus schickt und dies Taufe nennen würde,
und die Kirche diese ^Handlung für rechtsgültig betrachten sollte. Der
Staat trägt aber ferner durch Einführung der Civilehe unserer
Meinung nach zur Mißachtung der Kirche bei, denn durch Annahme

derselben erklärt er auf gut Deutsch übersetzt: „Ich brauche Euch
Pfaffen nicht!"
Den einen Grund nun für Einführung der Civilehe findet
Bluntschli im bestehenden Conslict der Kirche mit dem Staate,
welcher demselben die Pflicht auferlege, schärfer und rationeller zu
verfahren.
So! so! Herr Geh. Rath! Sie sind wenigstens offen. Also
weil leider zwischen Staat und Kirche ein Zerwürfniß besteht, so
muß man nach der staatsrechtlichen Theorie des Hrn. Bluntschli
nicht darnach trachten, dasselbe zu beschwichtigen, nein, Vas Zer-
würfniß muß zur breitesten Kluft erweitert werden. Und bei
solchen Grundsätzen haben diese nämlichen Herren noch die Dtirn
zu behaupten, die Kirche sei die Friedensstörerin!
Den weitern Grund der Zweckmäßigkeit findet Bluntschli da-
rin, Laß sich die religiösen Vorstellungen der Bürger mannigfaltig
geändert haben. Es gäbe bei der heutigen Cultur viele Menschen,
die nicht schlecht, sondern so gut wären wie die Allerglänbigsten,
die aber in Widerspruch kämen mit dem Bestand der kirchlichen
Verhältnisse. Ein ächt freimaurerisches Geständniß! Wenn Herr
Bluntschli uns nur auch oen Glauben dieser neuesten Culturerzeug-
nisse definirt hätte, zu welchen gewiß auch jene 90 Mannheimer
gehören, deren Religion bei der letzten Volkszählung nicht ermit-
telt werden konnte.
Nach seiner in lauter Widersprüchen sich bewegenden Rede
ohne Hand und Fuß kam Bluntschli dann auch auf die jüngst er-
schienene Schrift über die Civilehe von A. Stolz Zu sprechen, bei
welcher Gelegenheit ihm die sittliche Entrüstung aus allen Poren
seiner Haut und andere Häuten fuhr. Denn bekanntlich beklagte
sich Bluntschli in einer Sitzung vom vorletzten Landtage über die
vielen Angriffe, dle er täglich zu erleiden habe und man müsse
eine Rinozeroshaut besitzen, um das ruhig zu ertragen, darum
unsere Annahme mehrerer Häute.
Wie den Lesern bekannt sein wird, verglich A. Stolz Baden
unv Oesterreich, wenn die Civilehe durchgeführt würde, mit einem
gewissen Ort, den man nicht entbehren könne. Darob schnaubte
ver edle Herr gar jämmerlich, denn gehört er doch mit zu den Be-
gründern der neuen Aera, dieser Epoche der Freiheit, Gerechtigkeit,
Humanität u. s. w., und jetzt kommt da so ein böser Mann mit
spitzer Zunge und belegt dieses Werk mit einem gar wüsten Namen.
Der Herr Professor des Staatsrechts weiß darum auch kein Wort
Zu finden, um seinem Zorne Lust Zu machen und geräth schließlich
in eine Spruche, die im Gegensatz mit der Stolz'schen Sprache (die
nach Blunischli's Bemerkung um ein paar Jahrhunderte verspätet

Abenteuer eines englischen Polizeiofficianten.

(Fortsetzung.)
Als sie weg waren, betrachtete mich die Wittwe mit dem Ausdrucke des
Mitleids. Sie näherte sich mir und sagte mit leiser Stimme:
"„Fürchten Sie sich nicht über ihre Drohungen. Den Donnerstag werden
Sie in Freiheit gesetzt."
Ich schüttelte den Kops und deutete, so viel es mir bei den Fesseln, die
meine Bewegungen hemmten, möglich war, auf den Wein, der auf dem Tische
stand.
„Wenn Sie mir versprechen, nicht nach Hilfe zu schreien, so will ich einen
Augenblick Ihren Knebel aus dem Munde nehmen."
Ich machte ein Zeichen der Zustimmung. Nachdem sie meinen Knebel
herausgenommen hatte, gab sie mir ein Glas Wein, welchen ich mit unsäglicher
Wonne hinunter schlürfte. Ich fühlte, wie ich neu auflebte.
„Man belügt Sie," sagte ich ihr, „man will mich tödten und Sie werden
die Mitschuldige bei diesem Morde sein."
„Nein, gewiß nicht! Man will Sie nur erschrecken, das ist Alles."
„Ich wiederhole Ihnen, daß man Sie täuscht. Befreien Sie mich von
diesen Fesseln, geben Sie mir nur ein Mittel zur Vertheidigung meines Lebens,
und rch schwöre Ihnen, daß Sie das Geld, welches Sie .bedürfen, alsbald be-
kommen werden."
„Still!" rief sie, „sie kommen!"
„Frau Düquesne, bringen Sie uns doch einige Flaschen Wein herunter!"
ries Levasseur von unten die Treppe herauf.
Die Frau gehorchte und kam einige Augenblicke später wieder herauf,
wiederholte ihr mit Lebhaftigkeit meine Bitten und Versprechungen.
„Es ist überflüssig," antwortete sie. „Ich glaube nicht, daß sie auch nur
den geringsten Angriff auf Ihr Leben machen werden, aber selbst wenn es so
wäre, konnte ich Ihnen jetzt nicht mehr helfen. Der Mann, welcher unten bei
ihnen ist, ist schon halb betrunken. Dann aber sind sie alle bewaffnet und

würden vor dem Aeußersten nicht zurückschrecken, wenn sie nur den geringsten
Versuch zur Flucht merkten."
Immer wieder drang ich in sie; da aber wurde sie ungehalten und drohte,
mir meinen Knebel wieder in den Mund stecken zu wollen.
Plötzlich kam mir ein glücklicher Gedanke!
„Levasseur," sagte ich, „hat Sie soeben Frau Dusquesne genannt. Ist
dies Ihr wirklicher Name?"
„Ja," sagte sie, „warum fragen Sie?"
„Vor einigen Jahren gab es eine Marie Düsquesne. Sie besaß in Cran-
bourne ein kleines Geschäft, hatte aber das Unglück, ihre Tochter zu verlieren.
Wenn Sie dies blos durch Zufall sein sollten, dann könnte ich Ihnen einen
Gegendienst erweisen.":
Ihre Augen leuchteten und ein Schrei entrann ihren Lippen.
„Ich bin diese Maria Düsquesne," sagte sie mit zitternder Stimme.
„Dann kann ich Ihnen sagen, daß ich Ihre Tochter, welche Sie verloren
glaubten, vor einigen Wochen wieder gefund-n habe."
Bei diesen Worten sprang sie auf, stürzte auf mich zu, faßte mich heftig
am Arme und blickte mir wie wahnsinnig starr ins Gesicht.
„Sie lügen," rief sie, „Sie erbärmlicher Mensch! Sie lügen! Sie wollen
mich fangen! Meine Tochter ist im Himmel, schon lange haben mir dieß die
Engel im Himmel gesagt!"
Ich weiß nicht, bis zu welchem Punkte die Lüge, zu der ich hier meine
Zuflucht nahm, verwerflich war, aber ich glaube, daß in einer Lage, ähnlich
der meinigen, und der Person gegenüber, welche mich in diese schreckliche Falle
gelockt hatte, wenige Moralisten sich Scrupel gemacht hätten, gleich mir zu handeln.
„Wenn Ihre Tochter," sagte ich, „verloren ging, als dieselbe für Sie einen
Auftrag in der Coventry-Street besorgen sollte, und wenn Sie Marie Louise
Düsquesne heißt, versichere ich Sie, daß sie wiedergefunden ist. Wenn nicht,
woher sollte ich diese genaue Angabe haben?"
„Es ist wahr! Es ist wahr!" rief sie, „wie sanden Sie dieselbe? Wo kann
ich Sie wiedersehen?" rief sie dann wieder und siel auf die Kniee. „Sagen
Sie es mir, im Namen alles Dessen was Ihnen heilig ist, sagen Sie es mir!
wo kann ich mein Kind wiederfinden?"
(Schluß folgt.)
 
Annotationen