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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 142-154 (1. Dezember - 31. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43881#0597

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Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag
Donnerstag und Samstag.

Preis vierteljährl. 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschiag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

Einladung zum Abonnement.
Mit dem 1. Januar beginnt ein neues Abonnement auf den
Pfälzer Boten. Wirersuchen daher unsere auswärtigen Abon-
nenten ihre Bestellungen bei der Post rechtzeitig zu erneuern. Für
Heidelberg, Neuenheim und Schlierbach nimmt Anmeldungen ent-
gegen die Expedition von Leopold Schweiß dahier.
Bestellungen in Paqueten (nicht unter 10 Exemplaren), wo-
bei wir je ein Freiexemplar gewähren, wolle man gleichfalls an
die Expedition des Blattes richten, und ersuchen wir besonoers
die seitherigen Empfänger, uns baldigst die Zahl der gewünschten
Exemplare mitzutheilen.
Inserate ä. 2 kr. die Spaltzeile, ein äußerst wohlfeiler Ansatz,
erfahren bei der großen Auflage unseres im ganzen Lande gelesenen
Blattes die beste Verbreitung.
Wie der Preis des Blattes — 40 kr. ohne Postaufschlag —
so bleibt auch die Tendenz des Boten unverändert, durch die
er sich so viele Freunde unter dem Volk erworben hat. Wir
zweifeln nicht, daß auch im neuen Jahre unsere Leser uns treu
bleiben werden.
Italienische Moral.
(Pfälzer Ztg.)
Wenn es noch eines Beweises bedürfte für den Verfall des
sittlichen und rechtlichen Gefühles in Italien, so hätte ihn der
Ministerpräsident Menabrea in der Sitzung der Abgeordnetenkam-
mer vom 25. Nov. geliefert. Nach der „Correspondance italienne"
sprach er wörtlich: „Meine Herren, die Nachricht von der Hinrich-
tung Montes und TognettLs hat uns schmerzlich betroffen. Bis
zum letzten Moment hofften wir, daß ein Act der Milde das Le-
ben dieser beiden Unglücklichen schonen würde. Uno wir durften
dies um so mehr glauben, als sie sich bereits über ein Jahr im
Gefängniß befanden und die Thal, um derentwillen sie verurtheilt
wurden, eine politische ist: denn sie war hauptsächlich gegen die
ausländischen Truppen gerichtet, die mehr als jede andere Truppe
den Zorn des römischen Volkes herausgefordert hatten. Wir glau-
ben, daß diese Hinrichtung als ein nutzloser Art der Rache ange-
sehen werden und nicht dazu beitragen wird, den Glanz einer Au-
torität zu erhöhen, die sich nur noch durch äußere Einflüße hält.
(Rufe: Sehr gut.) Das Ministerium, M. HH., hat nichts veran-
lässigt, was in seiner Macht stand, nm die zwei Unglücklichen dem
Schaffst zu entreißen, habe ich erst nöthig dies zu versichern? Aber
was ich mich beeile hervorzuheben, ist, daß dieser Act von Seiten
der päpstlichen Regierung ein unermeßlicher politischer Fehler ist,
und dieser Fehler wird der ganzen civilisirten Welt den Beweis
liefern, daß es im Jnterresse des Friedens und der Religion selbst
nöthig ist, einen Stand der D'.nge zu ändern, der solche verhäng-
nißvolle Resultate hervorbringt. Ich glaube, meine Herren, deut-
lich genug denen geantwortet zu haben, welche einfach den Wunsch
äußerten, zu wissen, ob das Ministerium sich wirklich für das
Schicksal der beiden Unglücklichen interessirt habe. Was die Frage
des ehrenwerthen Hrn. Curti betrifft, welcher zu wissen verlange,
was die Regierung nun thun wird, so scheint es mir, daß eine
vom Parlamente ausgehende Erklärung und die Indignation, welche
die Hinrichtung Monti's und Tognetti's beim ganzen italienischen
Volke Hervorrufen wird, die größte Strafe sind, die über den Act,
den wir alle beklagen, verhängt werden kann."
In ähnlicher, nur noch schärferer Weise äußerte sich der Prä-
sident der Kammer, Hr. Mari. Der „Constitutionnel" antwortete
diesem und mdirect auch Hrn. Menabrea sehr treffend, wie folgt:
„Herrn Mari zufolge, wird ganz Europa seinen Unwillen über diese
Hinrichtung kundgeben. Wir fürchten sehr, daß Hr. Mari sich große
Täuschungen macht. Es handelt sich im vorliegenden Falle um
reine Discussionen für oder wider die Todesstrafe, es handelt sich
auch nicht darum zu wissen, ob die Umwandlung der Strafe den
Umständen entsprechend war oder nicht; die Frage ist ganz einfach
dre: da dre Todesstrafe im römischen Gesetz existirt, ist dieselbe
rechtmäßig angewendet worden? Die Geschichte des Attentats ist
bekannt. Affiliirte des revolutionären Comites, welche nicht den
Muth gehabt haben würden, die Soldaten des Papstes im freien
Felde zu oekämpfen, schleichen sich während der Nacht in die Ka-

serne der Zuaven ein, stecken dort ein Pulverfaß in Brand und
tödten so auf feige Weise waffenlose Soldaten mitten in ihrem
Schlummer. Daß dieses Attentat in den Augen der römischen
Actionspartei für eine glorreiche That angesehen wird, das wundert
uns nicht; in den Augen des civilisirten Europas aber bleibt es
ein grauenvoller Mord und die allgemeine Indignation, Hr. Mari
möge davon überzeugt sein, richtet sich einzig und allein gegen die
Urheber des Verbrechens, das nahe an dreißig Menschen das Leben
gekostet hat."
Der Thatbestand des Verbrechens ist nach den gerichtlichen
Akten folgender: Am 22. Oct. v. I. wurde die Zuaven-Kaserne
Serrestori in Rom in die Luft gesprengt. Zum Glücke waren im
Augenblicke der Explosion nur wenige Zuaven in derselben anwe-
send; dennoch wurden 22 Personen das Opfer, darunter ein Fami-
lienvater und sein unschuldiges Kind, die zufällig durch eine an-
grenzende Straße gingen: die Mutter des Kindes kam wunderbarer
Weise mit dem Leben davon. Gleichzeitig wurde versucht, noch
andere Gebäude in die Luft zu sprengen. In Folge dessen wurde
gegen 21 Personen Untersuchung eingeleitet, darunter gegen 10,
die flüchtig sind. Am 26. Sept, wurde das Urtheil gesprochen
und am 15. Okt. durch den obersten Gerichtshof bestätigt. Von
den verhafteten Angeschuldigten wurden 3 zu 10- und zu zwanzig-
jähriger Zwangsarbeit, 2 zu lebenslänglicher Galeere, und 2, Giu-
seppe Monti, Maurer (ein fortschrittliches Blatt machte ihn zum
Major) und Gaetano Toanetti, Maurergeselle, zum Tode verur-
theilt. Beide starben reuig, besonders Monti, der aus freien Stü-
cken den Zuaven-Obersten de Charette rufen ließ und ihn und seine
Soldaten um Verzeihung bat.
Ein so schändliches Verbrechen von Seiten eines Ministers und
eines Kammerpräsidenten dadurch beschönigen zu wollen!, daß man
es zu einem politischen zu stempeln sucht, zeugt von der Verwirrung
aller sittlichen und rechtlichen Begriffe. Darf matt sich da noch wun-
dern, wenn in Italien die Verbrecher in schauerlicher Anzahl sich
mehren und das Volk von Tag zu Tag mehr demoralisirt wird?
Der Meuchler, welcher, wie es so oft geschieht, dem politischen Geg-
ner oder dem mit Führung eines Prozesses betrauten Richter den
Dolch in die Brust stößt: er ist nach der Moral der HH. Menabrea
und Mari ein politischer Verbrecher, dem volle Jndulgenz zu ge-
währen ist! Welche schauerliche Lehre!
Gewiß wird ein Monarch nur nach schwerem Kampfe sich zur
Unterzeichnung eines Todes urthoils entschließen können. Aber die
Rücksicht auf die Sicherheit und das Leben der friedlichen Bewohner
erheischt oft ein strenges Beispiel und gebietet den Regungen des
menschlichen Herzens Schweigen. Hat jadoch auch die Königin Vic-
toria, die Milde selbst, nicht umhin gekonnt, die Todesurtheile gegen
die Fenier vollstrecken zu lassen. Und eine so milde und weiche
Natur, als welche Pius IX. allgemein gilt, hatte sich auch gegen
die beiden genannten Verbrecher lieber Gnade als Recht geübt, wenn
nicht eine schwere Unihat Sühne gefordert und wenn nicht zu einer
Zeit, da der Kirchenstaat noch immer von Freischaareneinfällen be-
droht ist, zu große Nachsicht bedenklich wäre. Daß die italienische
Actionspartei jene Hinrichtung benützt, um die Massen gegen Rom
aufzureizen, darüber darf man sich nicht wundern. Daß aber auch
ein italienischer Minister bei dieser Gelegenheit den schlimmsten Volks-
leidenschaften schmeichelt, statt das Verbrechen zu tadeln und damit
dem Rechte und der Moral die Ehre zu geben, das ist ein neues
Symptom der krankhaften Zustände Italiens und seines sittlichen
Verfalles.
Aber auch in Deutschland müssen die Begriffe von Recht und
Unrecht verwirrt werden durch diejenigen Blätter, welche kein Wort
des Tadels haben für die Unthat der beiden Hingerichteten sondern
nur für den Papst, weil er sie nicht begnadigt hat. Und dies thun-
dieselben Blätter, welche seiner Zeit den „edlen" Juarez in Schutz
genommen gegen den Vorwurf, daß er einen der wohlwollendsten und
hochsinnigsten Männer unserer Zeit, den Kaiser Maximilian von Me-
xico erbarmungslos hat erschießen lassen. Ja, um dem Tadel und
der Gehässigkeit gegen den Papst mehr Nachdruck zu geben, entblödet
sich der „Pfälz. Kur." nicht, eine notorische Thatsache durch die Be-
hauptung zu fälschen, daß das den beiden genannten Hingerichteten zur
Last gelegte Verbrechen „keines Menschen Leben gekostet hat" und
daß sie nur den Versuch gemacht, eine päpstliche Kaserne mit Pulver
in die Luft zu sprengen.
 
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