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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 102-115 (1. September - 30. September)
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KM.

Samstag den 12. September


* „Der Berliner Hochverrathsprozeß gegen den
königl. hannöverischen Staatsminister Grafen Adolf
v. Platen zu Hallermund."
(Fortsetzung.)
Mit diesem Acte der Austreibung der Königin Marie aus
ihrem Privateigentpume hatte der auf jene Briefe, die man dem
Boten Trimming in Frankfurt abgenommen, aufgebaute Apparat
der Welfenverschwörung seinen wesentlichen Dienst gethan. Man
konnte nun wieder ihn sich auflösen lassen in sein Nichts.
Die ersten Schritte dazu wurden gethan. Die eingekerkerten
Hannoveraner wurden nach und nach entlassen. Die Blätter der
preußischen Regierung erwähnten nur noch zuweilen des massen-
weise aufgehäuften Materials der Untersuchung, der rastlosen Thä-
tigkeit der damit Beauftragten. Aber man ersuhr allmählig, daß
alle Eingekerkerten freigelassen waren. Es war damit constatin,
daß diejenigen, die man in Händen hatte, die mithin, wenn man
sie vor Gericht stellte, sich nicht Llos verantworten mußten, sondern
auch konnten und wollten, zu einem auch nur einigermaßen befrie-
digenden Austrage der Sache sich nicht eigneten.
Ein solcher einigermaßen befriedigender Austrag der Sache
aber mußte beschafft werden. Denn man hatte allzu vielen Lärm
geschlagen, allzu vielen Staub aufgewirbelt, als daß man die Sache
ohne weiteres begraben sein lassen durfte. Es mußten Strafen
ausgesprochen werden, hart und schwer, damit durch die Höhe der-
selben die sogenannte öffentliche Meinung sich überzeuge, daß in
Wirklichkeit etwas Ungeheueres beabsichtigt gewesen sei, ein Etwas,
was den preußischen Staat mit der völligen Vernichtung bedroht
haben würde.
Als das einzige Mittel zu diesem Ziele zu gelangen, erschien
das Verfahren gegen diejenigen, welche sich voraussichtlich in keinem
Falle stellen, demnach auch nicht sich verantworten würden, gegen
welche mithin die Anklage freien Spielraum hatte.
Gegen diese Hannoveraner, welche theils die bei dem Boten
Trimming am 15. Mai 1867 gefundenen Briese geschrieben hatten,
theils darin genannt waren, ward von preußischer Seite ein Con-
tumacial-Versahren beschlossen. Die preußische Vorladung selbst
mußte demgemäß die Verwarnung enthalten, daß im Falle des Nicht-
erscheinens dieses oder jenes Angeklagten die ihm vorgewcufenen
Verbrechen für zugestanden erachtet werden sollten.
Heben wir gleich von vornherein die juristische Monstruosität
dieses Verfahrens hervor. Eine Contnmaz in dem Sinne, daß der

Ausbleibende die Behauptung des Gegners stillschweigend zugestehe,
das heißt daß das Gericht berechtigt sei, ein solches Zugeständnis
von Seiten des Ausbleibenden zu vermuthen, gibt es nur im Civil-
Prozesse, und kann es nur dort geben. Die Contumaz im Straf-
prozesse erstreckt sich nicht ebenso weit. Sie bedeutet nur, daß der
Ausbleibende sich einer Einwendung begebe gegen die Beweismittel,
die wider ihn vorgebracht sind, oder daß angenommen werde: er
habe gegen dieselbe keine Einwendung.
Allein in jedem Falle und unter allen Umständen muß die
Handlung, welche dem Ausblcibenden zur Last gelegt wird, bewiesen
werden. Es kommt im Strafprozesse zuerst auf die materielle
Wahrheit an, nicht in demselben Maße auf die formelle. Was
aber durch ein mrmmhetes Eiagefländniß dargethan werden kann,
ist höchstens formell wahr.
Der Berliner Gerichtshof wird sich aber, bei der Ausnahme
dieser Verwarnung in die Vorladung, keinem Zweifel darüber hin-
gegeben haben, daß von den Vorgeladenen auch nicht Einer sich
stellen werde. Und diese Gewißheit gibt den Maßstab ab
für die ganze Procedur.
Der erste Akt derselben spielte am 8. April 1867 vor der
modernen preußischen Sternkammer, dem Staatsgerichtshofe von
Berlin. Tue Angeklagten waren: 1) der Hauptmann von Düring;
2) der Schloßhauptmann Graf Alfred Wedel; 3) der Rittmeister
Volger; 4) der Premier-Lieutenant von Holls; 5) der Hauptmann
von Hartwig; 6) der Premier-Lieutenant de Poltere; 7) der Se-
conde-Lteulenant von Pawel Rammingen; 8) der Scconde-Lieute
nant Heiss.
Die Anklage ging auf Hoch- und Siaatsverrath.
Der erste und wesentliche Punkt, ob selbst nach preußischer
Anschauung die Angeklagten vor einem preußischen Gerichtshöfe sich
zu verantworten schuldig seien, wurde kurz beseitigt durch folgenden
Satz der Anklage-Akte: „Zur Zeit der That war das ehemalige
Königreich Hannover der preußischen Monarchie bereits einverleibt,
und durch diese Einverleibung sind sämmtliche hannöversche Unter-
thanen in den preußischen Verband von selbst eingetretem" Die-
ser furchtbare Satz der Anklage ward von Seiten des preußischen
Staatsgerichtshofes einer Prüfung nicht unterzogen, sondern ange-
nommen, wie ein Axiom. Mithin ist nach dieser Auffassung des
preußischen Staatsgerichtshoses der heutige Mensch gleich dem Leib-
eigenen barbarischer Zeiten ein Zlkbae uZ86riptu8.
Das Beweismaterial für die Anklage waren hauptsächlich die
bei dem Briesboten Trimming am 15. Mai 1867 gefundenen Briefe.
Allein es trat dazu noch ein besonderes sehr merkwürdiges Akten--

Das Sturmlicht von Haklarsholm«
Eine Strandgeschichte.
(Fortsetzung.)
Vielleicht hatte aber auch ein Abkommen zwischen ihnen dahin stattgefun-
den, daß die Wittwe Laxon für ihre bedeutende und eigenthümliche willkommene
Hilfe erst dann bezahlt werd.n sollte, wenn der Baron das erreicht haben
würde, was sich endlich als einstiges und letztes Ziel alles seines Sammelns
und Sparens herausstellte, nämlich die Befreiung des Familienbesitzes von
Schulden. Er wollte nämlich die guten, längst in andere Hände übergegangenen
Ländereien von Haklarsholm mit dem Gewinn wieder zruückerwerben, den ihm
das Meer zuführte, damit sein Sohn Wxtel bei der Heimkehr aus Ostindien
ein schuldenfreies Erbe vorsinde, eine reiche Heirath machen und den a.ten
Glanz seines Geschlechts wieder geltend machen könne. Der Baron hatte wenige
stens einmal sich in einem Augenblick ungewöhnlicher Vertraulichkeit gegen den
Bankier in Aalborg, bei welchem er einst jenes Geschenk seines Sohnes von
hundert Neichsbankthalern erhoben, dahin geäußert, und hatte bisher den
ganzen Reichthum, den ihm Riff und Schiffbruch zuführten, in die sichere und
umsichtige Hand jenes Bankiers gelegt. Wenn dieser daher überhaupt irgend
ein Geheimniß aus jener Enthüllung, machte, so war es ein sehr loses, denn
Jans Morten, der Postbote, welche den Briesverkehr in diesem Theil Jütlands
besorgte und gewöhnlich alle 14 Tage in Haklarsholm erschien, hatte diese
Neuigkeit mit aus der Stadt gebracht und sie unter die Thalbewobner genügend
in Umlauf gefetzt und besprochen.
Jans Morten hatte an der von ihm heimgebrachten Nachricht übrigens
«an größeres Interesse, als irgend einer von den Einheimischen. Landeinwärts
von Haklarsholm lag eine freie Meierei nut besonders guter Schafweide,
Welche beinahe feit unvordenklichen Zeiten im Besitz der Familie Morten ge-
wesen und den Mortens ungefähr um dieselbe Zeit abhanden gekommen war,
wo die Grundherren von Haklarsholm den besten Theil ihres Besitzthums ver-
loren hatten. Bauer und Edelmann hatten sich ihres Besitzes durch Verschwen-
dung entäußert und Jans Mmten war ebenso sehr auf die Wiedergewinnung

seines väterlichen Erbes erpicht, wie der Baron. Der Postbote hatte diesen
Zweck schon länger verfolgt, war aber nicht so glücklich gewesen wie der Baron,
denn das Meer hatte ihm auf allen seinen Wanderungen längs der sandigen
Küsten Jütlands nichts eingetragen; dagegen waren seine beiden unternehmen-
den und fcharfblick nden Söhne zur See gegangen und hatten sich als Schiffer
ein Auskommen geschaffen. Mit ihren eigenen Ersparnissen und denen ihres
Vaters hatten sie sich eine Smack gekauft und sich auf den kleinen, aber ein-
träglichen Küstenhandel verlegt, welchen die vielen Städte, Häfen und Buchten
der Ostsee und ihrer Nebenarme so sehr begünstigen. Frachten waren wohlfeil
und Schifffahrtsgelegenheit in dieser Gegend häufig, und die jungen Mortens
verstanden sich auf die Märkte und ihren eigenen Vortheil ein und verkauften
mit Nutzen; ihr Vater sparte und knauserte und suchte das Geschäft nach
Kräften zu fördern; und nach Jahren voll harter Arbeit und Entsagung war
der Kaufpreis der Meierei ihrer Vorfahren zusammengescharrt und der Alte
entschlossen, wegen des Kaufs in Unterhandlung zu treten, sobald seine Söhne
von der letzten Fahrt nach Norwegen zurückgekehrt sein würden.
Jans und mit ihm seine zahlreichen Freunde und Gevattern im Thale
(er besorgt- nämlich den meisten ihre Geschäfte in der Stadt) waren der An-
sicht, es sei am Besten, das Geschäft wegen Ankaufs der Meierei abzuschließen§
bevor der Herr von Haklarsholm wieder in Besitz seiner alten Güter und Rechte
käme. Jans hatte an feine Söhne Leßhalb geschrieben und sie wollten pflicht«
lich mit ihren mühsam erworbenen Thalern heimkehren. J"r Schiff war in
Bergen nach Kopenhagen geladen und ihr Vater schmeichelte sich schon, seine
letzte Fahrt als Postbote machen und dann als freier Bauer auf seiner eigenen
Hufe zu leben.
Da zog wieder eine furchtbar stürmische Nacht über Haklarsholm auf, man
iah das Sturmlicht abermals über dis Sandhügel hinschweben und die Leute
flüsterten ängstlich: „Nun find der Baron und die Hexe wieder an der Arbeit."
Ehe der Morgen heraufzog, scheiterte ein Schiff auf dem Riff und ging in
Trümmer; kein Boot konnte sich zu seiner Rettung hinauswagen und keine
Seele an Bord entging dem Wellentode.
(Fortsetzung folgt.)
 
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