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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 77-89 (2. Juli - 30. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43881#0355

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Ueber die jetzige Lage Deutschlands
enthält die „Deutsche Vierteljahresschrift", anknüpfend an die erste
Session des deutschen Zollparlaments, einen längeren Artikel, wer
rin es heißt: „Der jetzige Nordbund kann nichr entfernt als Ver-
wirklichung des Ideals "deutscher Einheit vom Standpunkte süd-
deutscher Anschauung betrachtet werden. Die militärische Einheit
eines Theils von Deutschland ist keine Einheit im Geiste des
deutschen Volkes. Nur eine Einheit, welche der wirklichen Selbst-
bestimmung der Nation in ihrer Gesammlheit unv ihren Gliedern
Raum läßt, der vollsten Entwickelung des wahrhaft lebenswerthen
Theils des menschlichen Lebens, der geistigen und materiellen
Cultur, die schützende rechtliche Verfassung gibt, welche in ihrer
Freiheit und decentcalisirten Anlage unfern österreichischen Stammes-
brüdern wenigstens im Geiste freundlich sich gesellt, statt in centrali
sirender Propaganda, das östliche Bollwerk gegen das Slaventhum
aufzulösen, welche kraft derselben Characterzüge keinen großen und
keinen Nachbarstaat bedroht, vermöge ihrer friedlichen Tendenz die
Wohlfahrt der Nation und nicht den Untergang im Soldatenthum
zum Ziele hat, — nur eine solche Einheit schwebt den verlachten
süddeutschen Ideologen vor, an deren Bewahrung und Verwirk-
lichung sie mit ihrer letzten Kraft zu arbeiten gedenken. Jener
hochfahrenden und doch vielfach herzleeren Macht-Tendenz, welche
die militärisch absolutistische Centralrsation befördert, mag unsere
Opposition als Thorheit erscheinen; wir getrösten uns damit, daß
vor dem Jahre von Blut und Eisen auch die Gegner von heute
ein einiges Deutschland nur als ein freies, auf Selbstbestimmung
des Volkes beruhendes, dem menschlichen Culturzwecke gewidmetes
sich dachten, und daß die Nachwirkung dec im Jahre 1866 einge-
leiteten Politik bei Tausenden bald wieder auch die practische Be-
deutung des alten Ideals zum Bewußtsein bringen wird. Seit
1866 ist die Berechtigung der großdeutscheu Idee glänzend hervor-
getreten. . Seitdem will keine Ruhe, kein Srcherheitsbewußtsein in
die Gcmüther und in die Geschäfte einkehren. Soll Ruhe werden,
soll Zuversicht sich wieder verbreiten, soll der markverzehrende
Militäraufwand in Deutschland und Europa reducirt werden, so
ist keine andere Wahl, als daß das im Jahre 1866 zertrümmerte
ganze Deutschland durch neue Bindemittel und in neuen Formen
zu Schutz und Trutz wieder verwachse. Logisch sind drei Wege
zu diesem Ziele denkbar:
entweder Preußen gewinnt außer Süddeutschland auch das
deutsche Oesterreich und wird Schutzmacht Ungarns,
oder es legt den militärstaatlichen Charakter ab, decentrali-
sirt sich in freiheitlicher Weise und ist dann dem Geiste und Wesen
nach ein natürlicher und verlässiger Bundesgenosse Oesterreichs,
selbst wenn unter dieser Voraussetzung der deutsche Südwesten zu
einer engeren bundesstaatlichen Einigung mit Preußen sich herbei-
lassen würde;
oder Preußen bleibt das traditionelle Preußen, Oesterreich
so, wie es seit dem Prager Frieden geworden ist, und dann hat
derjenige Theil Süddeutschlands, welcher sich noch frei zu bestim
men vermag, die doppelte Aufgabe, durch Sammlung und Organi-
sation seiner staatlichen Kräfte seine hohen politischen Güter zu
wahren und ein Bindeglied zwischen Preußen und Oesterreich für
jede nationale Aufgabe des Schutzes und der Gcsuiung zu werden,
zu nationaler Abwehr keinem von beiden zu fehlenaber jedem
antinationalen Kriege Preußens, welches wie mit Italien' auch
mit Rußland Oesterreich bekriegen könnte, sich zu emznhen und
dadurch solchen Eventualitäten selbst vorzubeugen."
Eine freche und unwahre Ausrede des
Kraichgauboten.
X Bruchsal, 26 Juli. Der Kraichgaubote nannte in
Nr. 83 das vom Papste berufene allgemeine Concck ein „wer 1H loses
L>pek t ake lst ü ck." Wir haben diesen Ausdruck mit vollem
Recht als eine alte Unart des Kraichgauboten gegen die Katholiken
bezeichnet.
Es wäre rathsam gewesen, wenn derselbe die gegen die katho-
lische^ Kirche verübte rohe Schmähung erkannt und von einer
Rechtfertigung derselben durch eine unwahre Ausrede Umgang
genommen hätte. Nachdem dies nicht beliebt worden, wollen wu

ihm zeigen, daß er jetzt in einer Sackgasse darinnen steckt, die für
ihn höchst beschämend ist.
In Nr. 88 steht folgende Ausrede: „Nicht dem Concil an
und für sich galten unsere Worte, sondern dem Mißbrauch, den
man damit zu machen beabsichtige und wir würden ebenso eine
protestantische Generalsynode, welche zum Zweck zusammenberufen
würde, um die Knak'sche Lehre vom Stillstehen der Erde zum
Glaubenssatz zu erheben, als Spektakelstück erklären, wie uns ein
katholisches Concil erscheinen muß, das zum Hauptzweck hat, die
weltliche Herrschaft des Papstes zum kirchlichen
Dogma zu erheben und die großenErrungenschäften
und Wahrheiten der Wissenschaft zu verdammen."
So der Kraichgaubote, und wir wissen jetzt den Hauptzweck
des Concils. Es ist eine Schande, aus diese freche Weise mit der
Unwahrheit umzuspringen, eine Schande, auf so jämmerliche und
erlogene Weise eine gegen die katholische Kirche begangene Unart
von sich abwälzen zu wollen. Der Herausgeber des Kraichgauboten,
Protestant, hat das Berufungsschreiben des Papstes entweder
gar nicht gelesen, oder dasselbe nicht verstehen wollen, ansonst
er dem abzuhaltenden Concil nicht Dinge als Hauptzweck zu unter-
schieben sich getrauen würde, von denen im Berufnngsschreiben
mit keiner Silbe die Rede ist.
Wo steht geschrieben, daß man die weltliche Herrschaft des
Papstes zum kirchlichen Dogma (Glaubenssatz) erheben wolle?
Wo? — fragen wir. In deutscher und lateinischer Sprache haben
wir das Berufungsschreiben des Papstes zum Concil wiederholt
gelesen, aber nirgends auch nur mir einer Silbe die Behauptung
des Kraichgauboten bestätigt gefunden. Natürlich, denn dis welt-
liche Herrschaft des Papstes rst rein Dogma und wird auch nie
ein solches werden.
Wo — fragen wir weiter — wo steht geschrieben, baß das
Concil die großen Errungenschaften und Wahrheiten der Wissen-
schaft verdammen werde? Keine Silbe hievon kömmt im Berufungs-
schreiben vor, welches den Zweck des Conccks näher angibt. Im
Gegentheil ist gerade darauf hingewiesen, wie die kath. Kirche jeder
soliden menschlichen Wissenschaft und dem Fortschritte derselben
Vorschub leistet. Wie mag man da behaupten, das Concil ver-
damme die Wahrheiten der Wissenschaft?
Die vom Kraichgauboten gebrauchte Ausrede ist somit un-
wahr und frech und zwar im höchsten Grade, weil sie auf
einem Hirngespinste beruht, das man sich selbst zurecht gelegt hat
und womit man Andere täuschen will, um seine eigene Blöße der
verübten Schmähung zu verkleistern.
Die Frechheit des Kraichgauboten ist wirklich maßlos. Den
Papst beschuldigt man eines Mißbrauchs des abzuhaltenden Con-
cils — und woraus fußt man sich bei dieser Beschuldigung? Aus
nackt vorliegende Unwahrheiten!
Es ist jämmerlich mit anzusehen, wie die liberal-servile Presse
in einem Meer von Lügen gegen die kathol. Kirche sich bewegt,
und am allerjämmerlichsten ist es zu wissen, daß man diesen Weg
einschlägt, um nach Oben im Credit zu bleiben.
Süddiutschtanv.
* Heidelberg, 27. Juli. Das wiener Schützenfest nimmt wirk-
lich großartige Dimensionen an, mit allem Fug und Recht wird man es
ein Verbrüberungsfest der Deutschen nennen können. Wahrhaft kindisch
aber (wir wollen uns keines stärkeren Ausdruckes bedienen) nimmt
sich das Verhallen gewisser Kreise in Preußen gegenüber diesem
Schützenfest aus. Da wurden z. B. die berliner Studenten von
ihren Commilitoneu in Wien zur Betheiligung eingeladen; allein
die liebenswürdigen Berliner schickten einen abgeschmackten Absage-
brief und verhüllten ihre wahre Gesinnung damit, daß sie ihr
Nichterscheinen der gefährdeten Redefreiheit in Wien zuschrieben.
Weiler ist zu berichten, daß das Comits des wiener Schützenfestes
sich an die preußische Eesenbahnverwaltung mit der Bitte gewendet
hat, ermäßigte Preise für die Schützen einlreten zu lassen. Die
Bitte wurde abgeschlagen. Aber wunderbar! wie wir hören, traf
sogleich nach der abschlägigen Antwort ein Brief des Nationalver-
ernlers Bennigsen in Wien ein, worin dieser Held sich anerbot,
seinen Einfluß zu verwenden, um die ermäßigten Taxen herbeizu-
führen, jedoch die Voraussetzung aussp.ach, daß das Festconutö
eme besondere Einladung an den Grafen Bismarck zum Besuch des
 
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