Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

DOI Kapitel:
Nr. 14-26 (2. Feburar - 29. Februar)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43881#0093

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


1868.

L. L Preis viertekjährl. 40 kr. ohne
Hi Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.

* Wahlergebnisse.
Ein großer Stoß von Wahlergebnissen, meistens des Unter-
landes, liegt vor uns und wir ersehen aus denselben, daß der
Kampf nicht blos ein heißer war, sondern daß wir im ganzen
Lande bedeutend an Boden gewonnen haben. Stünden uns die
Mittel zu Gebote, wie sie die ministerielle Partei besitzt d. h.
wären wir selbst am Ruder, so könnte es keinem Zweifel unter-
liegen, daß wir die glänzendsten Siege in allen Wahlkreisen errin-
gen würden. Eine andere Frage wäre freilich die, ob wir diese
Mittel zur Anwendung brächten, und da müssen wir entschieden
erklären: nie und nimmermehr, man lasse die Leute wählen ohne
amtliche Beeinflussungen! Ueber die Wahlumtriebe, die von den
Beamten und den commandirten Bürgermeistern in Ausübung
kamen, liegen uns eine Masse der schreiendsten Beispiele vor und
wir beneiden nirgends diejenigen um einen Sieg, die mit solchen
Mitteln ihn erfochten haben. Am stärksten waren die Wahlum-
triebe oes uns schoil von früher her durch feine eigentümlichen
hausrechtlichen Begriffe bekannten Oberamtmanns Dr. Schmie-
der von Tauberbrschofsheim, wobei es uns jedoch um so mehr
freut, daß dennoch diese Bemühungen umsonst waren und Lin
dau mit bedeutender Mehrheit aus der Wahlurne jener Gegend
hervorgehen wird.
Im Allgemeinen dürfen wir mit dem Ergebniß der Wahlen,
so weit sie bis jetzt bekannt sind, insofern zufrieden sein als über-
all da wo wir unbesiegbarer Hindernisse wegen, die der im Be-
sitze gewaltiger Mittel befindliche servile Wahlapparat entgegen-
stemmte, nicht durchzudringen vermochten, doch imposante Minori-
täten für uns herauskamen.
So z. B. stehen sich die Candidaten für Karlsruhe-Bruchsal
— Kölle und Frhr. v. Göler — der Zahl nach beinahe gleich,
ein moralischer Sieg für uns, wenn man bedenkt, daß eine zahl-
reiche Garnison, das Heer der Residenzbeanuen, Polizeidiener,
Eisenbahnbediensteten, höheren und niederen Schulmeistern, Hof-
bediensteten u. s. w. unbedingt für den ministeriellen Candidaten
abstimmten und wirkten.
Zu bedauern ist nur, daß Bruchsal und Umgegend, das ein
so schönes Resultat aufzuweisen hat, mit Karlsruhe zu einem
Wahlbezirke zusammengelegt war, eine sehr schlau berechnete Zu-
sammenlegung, weil man in Karlsruhe darüber keinen Zweifel
haben konnte, daß nur durch Zusammenschweißen mit oer Resi-
denz die Wahl eines oppositionellen Abgeordneten im Kraichgaue
verhindert werden könne. In Bruchsal selbst siegte unser Can-
didat Frhr. v. Göler mit 743 Stimmen gegen 475, welche auf
Herrn Kölle fielen. In Karlsruhe erhielt Kölle 2900, Frhr.
p. Göler 500 Stimmen, immerhin für die abhängige Residenz
eine respeetable Zahl. Die Ortschaften bei Bruchsal haben sich
brav gehalten, so erhielt v. Göler in Odenheim 291 St., Kölle
nur 53. (Trotz allem haben wir jetzt gesiegt; s. Tel.)
In Baden hat Lamep eine größere Zahl als Lindau, eben-
so in Rastatt, wo die zahlreiche Garnison für Lamey den Aus-
schlag gab, in andern Orten dagegen hat Lindau die Mehrheit,
so hat er z. B. glänzend gesiegt, in Bühl, Oos, Kappel, Alt-
schweier, Bühlerthal, Eisenthal.
Am unzweifelhaftesten von unseren Gegnern hat Dennig
gesiegt im 9. Wahlbezirk Gernsbach Ettlingen Durlach Pforzheim,
indem beide letztere Städte eine eminente Mehrheit über unfern
Candidaten Da hm en lieferten.
Ueber den 7. Wahlbezirk Triberg, Wolfach re. haben wir
noch keine verlässigen Mittheilungen.
Im 6. Wahlbezirk Kenzingen, Ettenheim, Lahr, Offenburg
standen sich Roßhirt und Kiefer gegenüber, wobei Letzterer in
-ahr und Offenburg siegle, Noßhirt dagegen in Kenzigen einen
glanzenden -Lieg erfocht, indem hier die Servilen seit langem zum
ersten Male vollständig geschlagen wurden, trotzdem Herr Kiefer
selbst hier war und eine Rede hielt, die auch den Blindesten die
Augen öffnete und unfern Sieg garantirte. In Ichenheim
ließen die orthodoxen Protestanten die Katholiken im Stich, ob-
ZZt Letzteren zu stimmen versprochen hatten. In Schut
lern Roßhirt 186, Kiefer 2, in Kürzell Noßhirt 120,Kiefer 90,
m Schutterzell Noßhirt 24, Kiefer 68. Roßhirt hat gesiegt!

In Freiburg-Waldkirch-Emmendingen standen sich Lindau
und Bürgermeister Fauler gegenüber. In der Stadt Frei-
burg erhielt Fauler 1654, Lindau 746, also immerhin eine so
große Zahl für Lindau wie wir sie bei dem unterwühlten Zustande
Freiburgs und der dilatorischen Art, wie Herr Fauler den Stab
schwingt, kaum günstiger erwartet hätten, ein erfreulicher Beweis,
daß Freiburg nicht noch fauler geworden ist als es schon war.
Daß das specifisch gothaisch-protestantische Emmendingen, wo der
Nationalvereinler Helbing dominirt, ganz für Herrn Fauler sich
ausgesprochen hat, wird Niemand Wunder nehmen, dagegen steht
es gut in den katholischen Ortschaften bei Freiburg für Lindau.
Im 4. Wahlbezirk Lörrach, Müllheim, Staufen, Breisach, wo
viele protestantische Ortschaften liegen und die Amtsstadt Brei-
sach sehr wohl gezogen ist und die Büreaukratie fürchte:, kann
Frhr. v. Andlaw gegen Frhrn. v. Roggenbach nicht wohl durch-
dringen.
In dem 3. Wahlbezirk Jestetten ec. siegte unser Candidat
Kaufmann Leo in Säckingen, wo er 211, Weinhändler Hebting
nur 101 Stimmen erhielt. Ob wir oder die Servilen in diesem
Bezirke überhaupt siegen werden, steht noch dahin, doch ist große
Hoffnung für Leo vorhanden.
Im Wahlbezirke Engen rc. stehen sich Se. Durchl. der Fürst
v. Fürstenberg (Candidat der Katholiken) und sein Hofapotheker
Kirsner gegenüber. Bis jetzt wissen wir erst, daß der Apotheker
in Villingen gesiegt hat.
Im ersten Wahlbezirk Constanz-Ueberlingen u. s. w. kämpften
Faller und Frhr. v. Stotzingen hart um den Sieg; in Con-
stanz selbst hat Faller 1008, v. Stotzingen 255 Stimmen, in den
Landorten bei Constanz dagegen Faller 96, v. Stotzingen 993.
Faller hat im Ganzen gesiegt. Die alte Landesbase erhebt schon
ein Wehegehenl über die Landbevölkerung in Constanz, was für
diese nur sehr schmeichelhaft sein kann.
Nun kommen wir an's Unterland, das wir uns bis zuletzt
aufgespart haben.
Da ist zunächst der Wahlbezirk Philippsburg, Wiesloch,
Schwetzingen, Mannheim, wo Dissens und Roßhirt sich ent-
gegenstanden.
In Mannheim selbst war die Betheiligung verhältnißmäßig
die schwächste im ganzen Lande, weil die dort zahlreich vertretenen
Demokraten sich bei der Abstimmung nicht betheiligten, sondern
ihren und unfern Feinden — den Gothaern — den Kampfplatz
allein überließen. So kam es denn, daß bei einer kleinen Zahl
von Votanten als in unbedeutenderen Städtchen Herr Dissens fast
alle Stimmen erhielt (1417 gegen 32). Wir haben auf Mann-
heim, die Stadt des 23. Februar, wo die Katholiken mißhandelt
wurden, nie die geringste Hoffnung gesetzt. Was die Betheiligung
im übrigen Theile des Wahlbezirkes betrifft, so war sie wie ander-
wärts eine sehr rege. In Schwetzingen ist es schlecht für
uns gegangen: 390 für Diffens, 70 für Noßhirt; ebenso in
Plankstadt: 195 für Diffens, 101 Roßhirt. Dagegen soll der
Sieg in Brühl und Ketsch uns gebören. In St. Leon sieg-
ten wir glänzend: 226 für Noßhirt, 27 für Diffens. Wir hätten
hier noch mehr Stimmen aufzuweisen, indessen sind folgende Miß-
stände hervorzuheben:
1) In die Wählerliste waren viele Bürger nicht ausgenommen,
namentlich die zahlreichen Hoffmaun'schen Familien,
von welcher nicht einmal ein einziger Wahlberechtigter ein-
getragen war, — und welche also mit ihren Stimmzetteln
sfür Dr. Roßhirt) abgewiesen wurden —. Man zählt
solche Abgewiesene ungefähr auf 30.
2) In die Wählerliste waren nicht ausgenommen fast alle Ledige,
welche sämmtlich das 25. Lebensjahr zurückgelegt hatten.
Ausgenommen waren nur solche Ledige, welche zum Gegen-
theil gehörten und auch mitstimmten.
Sodann ist zu bemerken:
Wegen dieser Mangelhaftigkeit der Wählerliste, welche all-
gemein für absichtlich erklärt wurde, war die Gemeinde in
furchtbar-tobender Aufregung; die Leute wollten den
Wahlsaal stürmen und die ganze Wahlcommission, die sich
so grober Fehler schuldig gemacht, zum Rathhause hinaus-
weisen, was nur mit Mühe verhindert werden konnte.
 
Annotationen