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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 14-26 (2. Feburar - 29. Februar)
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M 20.

Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.

1868.

jährl. 40 kr. ohne
Trägerlohn und Posiausschlag.
. Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

Wn die Wähler des xiv. Wahlbezirks.
Eine zahlreiche Versammlung von Vertretern
der größten Orte des XIV. Wahlbezirks hat be-
schlossen, zum Zollparlament zu wählen:
Jakob Lindau, Kaufmann in Heidelberg.
Wählet! und seid einig!
Das ausgestellte Cornitv.

Mitbürger, wählt zum Zollparlament!
Den 18. Februar habt Ihr eine ernste vaterländische Pflicht
zu erfüllen: Ihr sollt an diesem Tage Abgeordnete wählen in das
erste deutsche Zollparlament. Darunter versteht man bekanntlich
eine Versammlung von Abgeordneten aus allen Staaten des Zoll
Vereins, die nächstens in Berlin zusammcntreten sollen. Dieses
Zollparlameut wird Bestimmungen treffen, welche den Handel, die
Gewerbe, die Landwirlhschaft in dem Gebiete ves deutschen Zoll-
vereins angehen, also Bestimmungen, welche Ellern Wohlstand be-
fördern, aber auch sehr schädigen können. Wir erinnern vor
Allem an die schon ausgemachte Einführung der Tabaksteuer,
neben der Salzsteuer, Rübeuzuckersteuer auch die leicht mögliche
Einführung der Biersteuer; wir erinnern weiter an die in
Aussicht stehende Herabsetzung der WeinZölle, in Folge deren
ausländische Weine in großer Quantiät in unsern Staaten einge-
führt und unsere süddeutschen Weinproducenten in ihren Interessen
äußerst schwer benachtheiligt, nicht wenige an den Bettelstab ge
bracht würden. Da ist es gewiß nicht einerlei, Wer gewählt
wiro.
Dann spricht man auch davon, daß gewisse Herren in unserm
Lande, die gern gewählt würden, dieses Zollparlament zu iyren
Zwecken mißbrauchen, dasselbe in ein politisches Parlament ver-
wandeln möchten, welches dann zu bestimmen hätte, ob wir ganz
oder halbpreußisch werwen sollen. Da ist es wieder nicht einerlei,
Wer gewählt wird.
Endlich wird diesmal gewählt ans eine Art, wie wir sie schon
lange gewünscht haben. D.eßmal braucht Ihr nicht zuerst die
Wahlmänner zu wählen, sondern Ihr wäylt stlber geeich den Ab-
geordneten; dießmal braucht Ihr uicht wie früher vor dem Bürger-
meister und der Wahlcommiffion offen zu sagen, Wem Ihr Euere
Stimme gebt, sondern Ihr schreibt zu Hause den Vor- und Zu-
namen und den Stano demjenigen, den Ihr wählen wollt, deutlich
auf einen weißen Zettel, oder Ihr nehmt einen gedruckten Wahl
zettel, legt ihn zusammen uni) werft in persönlich auf dem Rath-
hause in die Wahlurne. Euern Namen dürst Ihr n'cht unter-
schreiben, sonst wäre Euer Stimmzettel unaülüg. D'e Wahl ist
also geheim, uu^ Ihr braucht keine Rücksicht zu nehmen auf d'e
etwaigen Wünsche der Wahlcommission. Ferner ist d ei mal d'e
Wahl allgemein; mcht blom d'e Ortsbürgec dürfen wählen, ton,ern
jeder unbescholtene Wann vom zurück gelegten 25. Lebensjahre an;
nach H 2 dec Wahlordnung sind auch Gesellen un Knechte nicht
ausgeschlossen. Der sogenannte gemeine Mann, d'e Bauersleute
und Hauowerker können diesmal den Ausschla^ geben, wenn sie
zur Wahl erscheinen, und können den Sta uherren ze'geu, daß
der gemeine Mann nicht blos zum Steuerzahlen da ist. Wenn
Ihr, insbesondere Ihr Männer, die Ihr noch auf Religion uno
Christenthum haltet, dießmal nicht recht zahlreich zur Wahl kom-
met, so machen die sogenannten Liberalen die Wahl allein uno
können nachher mit Recht sagen: das Volk ist gesinnt, wie wir;
denn es war allgemeine und geheime direkte Wahl uno wir haben
dennoch gesiegt! Jetzt kommt noch ein ganz besonders badischer
Grund, dec Euch bestimmen soll, recht jahlreich zur Wahl zu er-
scheinen. Unsere Liberalen geben sich außeroroentlich Blühe, unsere
badischen Kammerredner und ihre Helfershelfer in's Zollparlament
nach Berlin zu bringen. Eckhard, Kiefer, Bluntschli,
Lamey, Kirsner und Consorten sollen auch in Berlin das große
Wort führen und dort über Euer uno Euers Gelbeutels künftiges
Geschick mit beschließen. Gerade die^e Männer haben aber in
Karlsruhe schon in hervorragendster Weise Gesetze machen helfen,
welche der großen Mehrheit des badischen Volkes widerwärtig sind.

Sie — diese Herren der neuen Aera, haben dafür gearbeitet, daß
wir verhältnißmäßig eine weit größere Militärlast haben, als die
Bayern und Württemberger; sie haben hauptsächlich für Erhöhung
der Steuern, der Sporteln und Taxen aller Art gestimmt.
Vergleichen wir nun einmal die Staatsausgaben des Jahres
1858, wo wir das liberale Regiment noch nicht hatten, mit den
von unsern Kammerrednern für 1868 bewilligten!

1858
1868
Justizministerium
27,000
fl-
über 36,000
fl-
Hofgerichte
166,000
fl-
332,000
fl.
Tezirksjustiz
505,000
fl.
1,051,000
fl.
Unterrichtswefen
385,000
fl-
686,000
fl.
Pensionen
582,000
fl-
über 627,000
fl-
Kriegsministerium
2,500,000
fl.
4,720,000
fl.
In Summa:
Anno 1858 betrugen
die
Staatsausgaben
für

unser Land 16 MBionen 163,000 fl., heute betragen sie 18 Mill.
372,000 fl., für das Jahr 1869 aber ist schon nneder ein Mehr
von nahezu 300,000 fl. vorausberechnet, nämlich 18 Millionen
665,000 fl.
Diese Herren, die man jetzt wieder von Euch gewählt haben
will, haben ein Schulgesetz gemacht, welches das christliche Volk
verschmäht; sie haben auf die verletzendste Weise von unserer Kirche
gesprochen; sie wollen auch noch die Civilehe eiuführen, sie sind
ichuld, daß es bei uns nicht zum kirchlichen Frieden kommt.
Wenn nun diese Männer gewählt würden, so könnte man mit
Recht sagen: Auch das christgläubige Volk ist mit diesen Männern
ganz zufrieden, sonst wären dieselben nicht wieder gewählt worden;
dieses christgläubige Volk ist also auch mit allem einverstanden,
was diese Männer in Karlsruhe gesagt und gethan hoben.
Also, Ihr Männer, denen die Religion auch noch etwas gilt!
wenn Ihr gut wählt, so gebt Ihr damit Zeugniß, daß Ihr mit
unsern Kamwerrednern und ihren Gesetzen n'cht zufrieden seid; ihr
könnt dann zeigen, welches die wahre Meinung des Volkes ist.
Die Entscheidung liegt vorzugsweise in der Hand des achtbaren
Bauernstandes. Die Landleule machen die große Mehrzahl des
Volkes aus, sowie sie auch den größten Theil der Lasten des
Staates zu tragen haben. Es ist also nicht mehr als billig, daß
ihre Stimme besonders beachtet weroe. Das kann jetzt geschehen,
wenn sie nur wollen. Kommet Alle zur Wahl! D'e Menge muß
diesmal entscheiden. Dec Abgeoc nete muß v'ele tausend Stimmen
erhalten, wenn er gewählt werden soll. Da sage Keiner träge und
gleichgültig: Auf mich wir^'s nicht ankommeu! Nein! Jeder denke:
Auf mich komntt's gerade noch an; wenn ich nicht wähle, geht's
schief. Die Stimme des ärmsten Taglöhners ist gerade so viel
werth, als d'e des reichsten Fabrikanten. Also frisch gewählt!
Wenn Ihr Bekannte habt, die keine rechte Lust zum Wählen
haben, so treibt sie an, reißt ihnen die Schlafkappe herunter und
nehmt sie mit aus's Ralhhaus zum Wählen. Wer nicht wählt,
der hilft unsern Gegnern zum Siege. Bei den letzten Kreiswahlen
soll es in manchen Gemeinden nicht ehrlich zugegangen sein; es
sollen Stimmzettel aus der Wahlurne herausgenommen und andere
hine'.vgclegt worwen sein. Deßhalb paßt dießmal recht auf! Ihr
habt das Recht, bei der Zählung der Stimmzettel gegenwärtig zu
sein. Ihr könnt es herausbringen, wenn es nicht recht zuge-
gangen ist.
Wenn Ihr diesmal aus Trägheit, Gleichgültigkeit oder Men-
schenfurcht von Eurem Wahlrecht keinen rechten Gebrauch machet,
so seid Ihr selbst schuld, wenn es schlecht geht; Ihr könnt dann
hintennach d.e Hände über dem Kopf zusammenschlagen — es wird
Euch nichts mehr nützen.
Darum muthig und massenweise zur Wahl am
18. Februar. Fürchtet Gott und sonst Niemanden!

Süddeutfchland.
* Heidelberg, 13. Febr. Wie der an der Spitze unseres
Blattes stehende Anfruf beweist, hat man sich in eilfter Stunde auf
katholischer Seite entschlossen an den Zollparlamentswahlen sich zu
betheiligen. Mitbürger! Unsere Candidaten sind Euch meistens be-
reits bekannt gegeben, die noch nicht Genannten folgen in wenigen
Stunden. Wenn irgendwo, so gilt es jetzt Farbe zu bekennen, be-
sonders aber bedenket, daß es sich in Berlin blos um Geldfragen
handelt und Ihr die Zeche bezahlen müßt, wenn Ihr Leute vom
 
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