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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 90-102 (1. August - 29. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43881#0405

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101.

Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.

* Die Behandlung des Herrn vr. Fischer im
badischen Staatsdienst.
n.
Inzwischen starb der Großh. Bezirksarzt in Heidelberg, Medi-
cinalrcuh Mezger, und es war daher nochmals Gelegenheit ge-
boten, Herrn Dr. Fischer für die erlittene Kränkung eine seiner
Thätigkeit und seinem Verdienst entsprechende Genugthuung zu
geben. Alle Welt nahm cs fast für selbstverständlich an, daß ihm
die Stelle des ersten Amtsarztes übertragen werden würde und
Fischer selbst säumte nicht, seine dahin zielende Eingabe dem
Ministerium des Innern einzureichen. Nur einige seiner Freunde
wollten als ausgesprochene Pessimisten in Beziehung auf die neue
und neueste Aera, so sehr ihnen der Anspruch Fischer's auch be-
gründet erscheinen mußte, sich nicht davon überzeugen lassen, daß
man in Karlsruhe einem Ultramontanen, und sei er auch der
Verdienstvollste im ganzen Lande, eine Beförderung werde zu Theil
werden lassen.
In seiner Eingabe führte Fischer alle die Gründe ausführlich
an, welche ihn zur Stellung seines Bittgesuches berechtigten. So
heißt es u. A. dort: „In dieser Stellung (eines Assistenzarztes)
hatte ich, außer der Stellvertretung des Amtsarztes, noch einen
Theil der Phpsikatsgeschäste (namentlich Leichenschau und die da-
mit zusammenhängenden statistischen Arbeiten, Revision der Medi
camentrechnungen u. s. w.) als Dienstobliegenheit. Unterm 10.
Juni 1863 wurde ich durch die Gnade Sr. Königl. Hoheit zum
Assistenzarzt beim Großh. Amtsgericht und Oberamt Heidelberg
mit Staatsdienereigens cha st ernannt, nachdem der Amts
chirurg gestorben war. Obgleich ich nun neben dem neu über
tragcnen Dienst auch meinen früheren bis auf den heutigen Tag
sortführte, wurde mir dennoch der Gehalt für diesen letzteren mit
300 st. entzogen und bis heute nur die Besoldung von 150 st.
nebst 120 st. Pserdeaversum gegeben. Somit dcsorgte ich seither
jene, eigentlich dem Bezirksarzte zufallenden, höchst zeitraubenden
Dienstobliegenheiten (Leichenschau, sta istische Arbeiten, Medicamenten-
rechnung), für welche ich früher 300 fl. bezog, ohne Gegenleistung
von Seiten des Staates, ja die durch eine osficielle Geschäftsab
theilung dem vorherigen Amtschirurgen zugetheilte Impfung in der
Stadt wurde mir nebst dem Einkommen aus derselben sogleich ent-
zogen. Ich darf wohl diese Thatsache, — die Versetzung eines
Dienstes, für welchen zuvor zwei Beamte angestellt waren, — für
die geringe Besoldung von 180 fl. zu meinen Gunsten ansühren
und hoffen, daß die Uebertragung der Bezirksarztstelle mir in Zu-
kunft Ersatz gewähre für die gewiß unverhältnißmäßig geringe
Leistung des Staates für meine Arbeit. Seit bald 8 Jahren habe
ich nun Gelegenheit gehabt, den Dienst des hiesigen Bezieksarzies
kennen zu lernen, einen Dienst, der zur gerichtsärztlicken Praxis

so reichlichen Stoff bietet. Zu wiederholten Malen (bei Krankheit
oder Urlaub des Bezirksarztes) habe ich den ganzen Physikatsdienst
allein versehen und bereits seit 4 Wochen besorge ich nun die
Masse der Geschäfte, früher die Arbeit von Dreien, abermals
allein, und zwar neben meiner großen Privatpraxis, welche im
Interesse des Staates offenbar nicht unbedeutend leiden muß.
Vielleicht darf ich auch zu meiner Empfehlung anführen, baß ich
im Spätjahr 1866 mich des ergangenen Auftrages zur Behandlung
der Cholerakranken in Walldürn mit Hintansetzung der Rücksichten
auf mich selbst und meine Familie, ich glaube noch über die Forde-
rungen einfacher Pflichterfüllung hinaus, entledigte" u. s. w.
Die Wirkung dieser Bewerbung ist bekannt, — Herr Dr. Fischer
erhielt die erste Amtsarztstelle nicht. Der geneigte Leser nimmt
nun aber gewiß an, daß ihm in irgend einer andern Weife für die
erlittene Zurücksetzung eine Anerkennung Zu Theil geworden wäre.
Hören wir! Herr Dr. Fischer erhielt eine Zuschrift des Ministeriums
des Innern, vom 2. Mai d. J.'s, welche wörtlich lautet wie folgt:
„Ew. Hochwohlgeboren beehren wir uns anmit in Kenntniß
zu setzen, daß Se. Königl. Hoheit der Großherzog mit höchster Ent-
schließung aus Großh. Staatsministerium die Verlängerung Ihrer
Diknstprobezeit aus ein weiteres Jahr auszusprechen geruht habe.
Der Empfang dieser Eröffnung wolle anher angezeigt werden.
Jolly."
Also statt Anerkennung geleisteter Dienste — Strafe, die
härteste Sprache für einen Staatsdiener! Man bedenke, wie de-
müthigend es für einen Beamten ist, wenn ihm seine Dienstprobe-
zeit verlängert wird, — es ist ein Verdammungsuriheil über seine
ganze bisherige Thätigkeit! Es ist ihm ein Jahr noch weiter ge-
geben, um es besser zu machen als in den vorausgegangenen Jahren
schwerer Prüfung!
Herr Dr. Fischer fühlte sich tief gekränkt über eine solche ihm
gewordene Behandlung, alle seine Freunde und Alle die Zu dem
anspruchslosen, wackeren Manne jemals in ärztlichen oder privaten
Verkehr getreten, waren nicht minder schmerzlich bewegt. Unter
solchen Umständen konnte für Fischer kein Zweifel mehr sein, daß
seine letzte Stunde im badischen Staatsdienste für ihn geschlagen
habe, — er durfte nicht bleiben im Interesse seiner eigenen
Ehre, er konnte nicht bleiben, um unter einem jüngeren, bisher
der gerichtsärztlichen Praxis vollkommen ferne stehenden Manne Zu
dienen, und dies obendrein noch mit verlängerter Probezeit! Aber
ehe er ging, wollte Fischer noch dem Landesfürsten sein Herz aus-
schütten wegen der über ihn verhängten Verlängerung seiner Probe-
zeit. In dem Schreiben, das er zu den Stufen des Thrones nie-
derlegte, stellte Fischer unterthänigst vor, wie peinlich die verfügte
Zurücksetzung für jeden Staatsdiener sei, da die Verlängerung der
Probezeit nur dann eintrete, wenn derselbe, wie die Verordnung
sagt, „tue ihm als solchem unumgänglich nolhweudigen Eigenschaften
s nicht in sich vereinigt," und zwar sei diese Strafe als „mildere

Das Sturmlicht von Haklarsholm.
Eine Strandgeschichte.
(Fortsetzung.)

Bei ihren beschränkten Mitteln war es dem Ehepaar nicht möglich, in gast-
lichem Verkehr mit dem übrigen jütischen Adel zu bleiben oder auch nur neben
demselben in Stadt und Land zu erscheinen, und keinerlei Rücksicht würde den
Baron oder seine Gattin bewogen haben, mit irgend jemand zu vermehren, der
auch nur um eine Stuse tiefer gestanden wäre als sie. Es versuchte sie auch
Niemand, jene magische Grenze zu überschreiten. Die biederen, ' unabhängigen
.^üten sind nicht dazu angethan, sich an gefallene adelige Größen anzuschmiegen,
und so ließ man denn das freiherrliche Ehepaar seinen eigenen Bieg gehen,
welcher für seine Nachbarn kein sonderlich angenehmer war. Die Bedürfnisse
,emer Familie zwangen den Baron, mit scharfen Augen über die Geltendmachung
des Restes von Herrenrechten und Einkünften zu wachen, welchen ihm Zeit und
Glücksumstände noch belassen hatten. Mit den Pächtern und Viehzüchtern
oroven rm Thale stand er in fortwährendem Hader um den Seetang, den die
Strand warf und den jene hinwegnahmen oder bedurften, um
W°iden damit zu düngen. Mit den Bewohnern des Fischer-
er endlose Zänkereien wegen der Zinsen und Abgaben ; und wenn
E em Wallfisch an den Strand getrieben ward, so gab dies den
förmlichen Balgerei zwischen ihm und feiner ganzen Pächter-
.Dce Baronin nahm an diesen allgemeinen Streitigkeiten
gewohn.ich keinen Antheü, allein man hörte sie häufig jene alten Tage der Ord,
nung sehnsüchtig zuruckwunschen, wo kein Fischer gewagt haben würde, einen
von seinen gefangenen Häringen anzurühren, bevor der Herr des Strandes die
tur firnen eigenen Bedarf herausgesucht haben würde. Die stiten
Entbehrungen und Einschränkungen dieses Paares hatten auf ihre Gesundheit

und Stimmung Emfluß geübt, wie dies beinahe immer der Fall ist, denn fix
hatten mehr als 20 Jahren auf diesem knappen Fuß gelebt. Der Freiherr war
feiner Züt einer der hübschsten und kräftigsten jungen Männer in diesem Theile
von Jütland gennfin; feine Stärke und Muskelkraft hatte er sich zwar bewahrt,
allein karge Lebensweise und fortwährende innere und äußere Kämpfe hatten
ihn vor der Zeit hager und grau und verwittert gemacht. Die Baronin, einst
die gefeiertste Schönheit der Hofbälle in Kopenhagen, war vor Sorgen und
Verbitterung ein verschrumpftes, altes Mütterchen geworden. Und doch war
ein Abbild ihrer bessern Tage durch alle jene armen, kummervollen Jahre hin-
durch vor ihnen ausgewachsen: ihr Sohn Vextel nämlich, der ihnen die Hoff-
nung machte, daß er den alten Stamm fortpflanzen und dereinst vielleicht
wieder zu Ehren bringen werde. Vextel hatte von der Mutter die Schönheit,
vom Vater den Lebensmuts,, die Kraft und Frische geerbt. Herz und Gemüth
der Eltern hing an dem Sohne und sie beschränkten ihre geringen Bedürfnisse
noch mehr, um ihm e.ne standesgemäße Erziehung zu geben. Sie glaubten ihn
ausgestattet mit jedem Talent, jeder Anziehungskraft, die nur einem Menschen
zufallen konnten. Der Freiherr hoffte, er solle auf der Universität eine solche
Sensation machen, daß die dänische Regierung etwas Erkeckliches zu Gunsten
der guten Familie thun werde; die Baronin träumte von reichen Erbinnen,
die ihm Herz und Hand anbieten würden. Allein nichts von alle dein geschah:
Vextel kehrte von der Universität zurück ohne sich besonders ausgezeichnet oder
eine Erbin geheirathet zu haben; er war ein hübscher gutmüthiger Bursche,
aber Niemand außer seinen Eltern sah etwas Besonderes in ihm. Trotzdem
hatte Vextel die große Welt kennen gelernt — die Kopenhagener nämlich _
und es genügte ihm nicht mehr, in einem halbverfallenen alten Schlöffe in
einer firnen Provinz zu leben und sich mit Bauern und Fischern um Seetang,
gestrandete Schiffe und Wale und ähnliche Strandgüter hecumzuftreiten.
(Fortsetzung scl^t.)
 
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