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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 102-115 (1. September - 30. September)
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Dienstag den 22. September

L Preis vierteljährl. 40 kr. ohne
X Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.
H" —

Eüddeutschland.
* Heidelberg, 19. Sept. Dar Wort des Königs von Preu-
ßen in Kiel: „Ich sehe in ganz Europa keine Veranlassung zu einer
Störung des Friedens, und ich sage das zu Ihrer Beruhigung.
Was Sie aber noch mehr beruhigen wird, das ist der Blick auf
die mit Ihnen hier versammelten Repräsentanten meiner Armee
und meiner Marine, dieser Kraft des Vaterlandes, welche bewiesen
hat, daß sie sich nicht scheut, einen ihr aufgezwungenen Kampf auf-
zunehmen und durchzufechten" — hat ungeheure Bestürzung an
der Börse hervorgerufen. Die Fürsten haben wirklich Unglück mit
ihren Friedensversicherungen, denn so oft einer den Mund aufthut,
um die Welt zu beruhigen, geräth diese in fieberhafte Aufregung
und hält den Krieg für nahe bevorstehend und unvermeidlich. I«
Paris haben sogar die Minister zusammentreten müssen, um die
Börse durch eine friedliche Deutung der Worte des Königs zu be-
ruhigen und so dem weiteren Fallen der Rente entgegen zu arbei-
ten. Alles nutzloses Bemühen, — die Welt ahnt und fühlt es,
daß der Krieg in der Luft ist, sie lauscht gespannten Ohres auf
jedes Geräusch und glaubt den Generalmarsch schon in der Nähe
zu hören. Thatsache ist jedenfalls so viel, daß die Worte des
Königs von Preußen — und sei es auch ohne Absicht — das un-
heimliche Kriegsseuer in Frankeich noch mehr angefchürt haben;
denn täuschen wir uns nicht! der Krieg gegen Preußen ist in
Frankreich nicht blos bei der Armee, sondern bereits in der Nation
äußerst populär geworden.
* Heidelberg, 19. Sept. „Der Artikel von Emmendingen
in Ihrer heutigen Nummer enthält nach Dem, was Schreiber Die-
ses anderwärts erlebt hat, gewiß viel Wahres und Beherzigenswer
thcs. So Mancher, der das liest, wird sagen müssen: „e'ost tout
«0MM6 6Ü62 nous!" Ja wenn der leidige, kleinliche Ehrgeiz nicht
wäre! Gar zu viele Bürgermeister und Rathsherren in unserem
Lande sind liberal und wühlen im Sinne unserer Regierung und
halten zu dieser, nicht weil, sondern obgleich diese ein wahrhaft
freier Geist beseelt. Die Sucht, ein Herr zu sein und einer zu
bleiben und möglichst viele Ehrenämter Zu bekleiden, ist ihnen lei-
tender Grundsatz, wenn sie daneben auch ganz chinesische Begriffe
von Selbst-, d. h. Volksregierung haben und am allerwenigsten
die schweren Pflichten solcher Aemter begreifen. So kommt es
denn, daß wir im Großen eine Negierung haben, die ehrlich bestreb!
ist das Volk zur Selbstverwaltung zu erziehen und anzuhalten,
während im Kleinen, in der Gemeinde leider gar zu oft durch dis
Eigenart zahlreicher betreffender Persönlichkeiten ein grosser Abso-
lutismus herrscht. Da gibt es Javrzehnte lang, ja lebenslänglich

(von einer gleichgiltigen Bürgerschaft immer wiedergewählte) herr-
schende Bürgermeister, die Alles ertragen können, nur nicht das
geringste Vergehen gegen ihren Ehrgeiz: immer und Alles allein
zu sein und zu gelten, auch wenn sie dazu gar keinen Beruf,
namentlich nicht den unsern freien Institutionen entsprechenden
männlichen Freimuth und die überzeugungstreue Thalkraft besitzen.
Mit dem Gefühle der eigenen Unfehlbarkeit uno unbeschränkten
Machtvollkommenheit verfolgen sie leidenschaftlich jede etwa auftau-
chcnde jüngere Kraft, wenn sie sich erkühnt, ihre Selbstherrlichkeit
irgendwie anzu'aften."
Wer schreibt dieses ? Offenbar ein „ultramomanes Blatt", —
fehlgeschossen, Üeber Leser, die Land es base schreibt dieses!
Also endlich erhalten wir doch einmal Recht, ja, so scharf verur-
theilend haben wir uns nie über den fraglichen Gegenstand aus-
gesprochen, wie dies heute von ministerieller Seite geschieht. Nur
so fortgefahren, Frau Landesbase, und Sie wird sehen, daß Sie
mit Ihrem alten Feind, dem Pfälzer Boten noch ganz gut aus-
kommt und daß Sie am Ende mit ihm noch den nicht mehr unge-
wöhnlichen Weg der Cwilehe betritt, wenn kirchliche Hindernisse
entgegen stehen sollten.
Aus dem Amtsbezirk Schwetzingen, 17. September.
Zufällig kam mir gestern die Heidelberger Zeitung unter die Hände,
und mit ihr ein Bericht (aus Schwetzingen) über die Wahlmünner-
wahlen, welche überall ein dem Berichterstatter erwünschtes
Resultat hatten, nur in Brühl nicht, weil dieses vier schwarze
Wahlmänner geliefert hat. „Von Brühl ließ sich auch nichts
Anderes erwarten" — lautet das Ende der Klagen. Armes Brühl!
es ist gut, daß gewisse Leute nicht über Donner und Blitz zu ge-
bieten haben, sonst wehe Dir! Wie konntest Du aber auch es
wagen, nach eigener Überzeugung katholische Männer wisoerzu-
wählen, denen Du schon einmal Vertrauen geschenkt hast? Hättest
Du nicht besser von anderswoher etliche Juden oder Freimaurer
können kommen lasten? — o Dein Lob in der Heidelbergerin
wäre überschwänglich gewesen! Aber ordentliche Katholiken zu
Wahlmännern nehmen, daß ist gewissen Leuten, die sich liberal
nennen, unbegreiflich und unverdaulich. Aber gerade, weil es so
ist, und weil trotz der glatten Phrasen von Freiheit u. dergl.
der Servilismus so sehr geliebt uns geübt wird, darum Ehre
den Brühlern, die nach eigener Ueberzeugung zu wählen sich ge-
trauten, und möge ihnen immer das Lob bleiben, daß sich von
ihnen nichts Anderes erwarten läßt!
-j- Brüht, 15. Sept. Die Hopfen sind bei uns alle ein-
geheimst und haben im Durschniti eine halbe Erndte geliefert.

Das Sturmlicht von Haklarsholm.
Eine Strandgeschichte.
(Fortsetzung.)
Der Freiherr hatte in der That etwas von einen: Manne, der seine
Zwecke zu erreichen verstand. Man sagte, er habe schon einigen Advocaten in
Aalborg und F-ridericia den Auftrag die Güter seiner Vorfahren wie¬
der anzukaufen, habe seinen Lwhu aus Trankebar zurückberufen und dieser
gemeldet, daß er bereits die damals noch so lange und langweilige Rückreise
aus Ostindien angetreten habe. Man hatte Handwerker aller' Art nach dem
«chloffe berufen, um Reparaturen vorzunehmen, in der Haushaltung war nach
der Aussage der Dienstboten ein freigebigeres System eingeführt worden und
der Baron und die Baronin hatten sie neue Kleider anfertigen lassen
Man hoffte mit dem Rückkauf der Güter und den Ausbesserungen im
schlösse fertig zu sein bis zu Vextel's Heimkehr, welche im kommenden Früh-
iahr zu erwarten stand ; allein der kurze Sommer verging, ohne daß Vextcl kam u.
Mit den länger werdenden Nächten un Oct. machte sich auch der Winter mit seinen
stürmen wieder geltend u. nun zeigte sich, daß der Baron zu seinem Geschäft!
du alte.Hexe nicht bedurfte: das Sturmlicht ließ sich schon'wieder aus derft
Vandhngeln ichen und unglückliche Fahrzeuge scheiterten auf dem Riff. Ver-
spatete Schaft und Hirten sahen den Gutsherrn von Haklarsbolm in den >
fürchterlichsten Sturmnächten das Thal hinausreiten und man' wußte, daß
unterdessen die Baronm zu Hause ängstlich wartete und aufblieb, bis er wieder
Ae"noch wollte man bemerken, daß diesmal daS Glück dem
Baron nicht so hold ^ar, wie m den vergangenen Wintern; viele Fahrzeuge!
gelangten glücklich aus das Riff hinüber und die paar Schiffe welche scheiter-
E?" Pcht reich bis auf ein einziges, welches gegen Ende'Februar Schiff-
brucy litt. ^)er Monat Februar ist an den nordischen Küsten gemeinhin ein
M strenger und war es in diesim Jahre besonders; die Fischer von Haklars-
>Mw verhungerten beinahe, denn sie konnten bei dem rauhen Wetter nicht
hmansfahren, um ihre Netze auszuwerfen; die Hirten und Schäfer hatt/n

! bange, die Weiden möchten bis zum Mai noch nicht grün und die Vorräthe
an Winterfutter aufgezehrt sein und die Post von Aalborg und Fredericia, oder
vielmehr Jans Morten, blieb vierzehn Tage über Gebühr aus. Die Thalbe-
wohner waren jedoch überzeugt, Jans werde sicher kommen, sobald die schweren
Schneegestöber und häufigen Stürme es ihm gestatten würden. Er brachte
ihnen gewöhnlich ihren ganzen Briefwechsel in seiner letzten Tasche mit; und
Niemand in der ganzen Gegend erwartet? gerade damals sehnsüchtiger einen
Brief, als der Baron, welcher auf einen genauen Bericht von seinem Sohne
über die Zeit von dessen Ankunft und den Namen des Schiffes wartete, aur
welchem derselbe sich cingeschifft hatte.
Der Baron war wegen seines Sohnes schon sehr in Sorgen gewesen, aber
er fand bald etwas, was ihm diese Gedanken vertrieb, als plötzlich am Schluffe
eines trüben, nebeligen Tages der Wind sich in gewaltigen Stößen erhob und
man draußen in der See ein großes Schiff vor der Küste kreuzen sah, als ob
es Zuflucht oder einen Ankergrund suche. Die erfahrensten Seeleute nn Fischer-
dörfchen meinten, das fremde Fahrzeug sehe aus wie ein Kauffahrteischiff, das
reichbeladen aus Ost- oder Westindien heimkehre und nach irgend einem Hafen
der Ostsee bestimmt sei; als aber mit der vorrückenden Nacht der Sturm immer
stärker wüthete, sagten sie kopfschüttelnd: „Golt helfe dem Schiffe und seiner
Bemannung", denn längs der seewärts gelegenen Anhöhen der Sandhügel zeigte
sich wieder das Sturmlicht Heller und glänzender a.s je und schwankte hin und
her und ein Junge, der noch am späten Abend droben im Thals gewesen war,
berichtete, er Habs den Baron schnell und wild in der bekannten Richtung
fortreiten sehen. Und was die allgemeine bange Ahnung pyrophezeite, das
ging auch vollkommen in Erfüllung. Die Fischer hörten in der Nacht die
Nothschüfse von dem Schiffe, aber erschreckt von der Wuth oes Sturmes, der
ihnen diesmal ganz unnatürlich erschien, und überzeugt, daß das Schicksal des
Fahrzeuges besiegelt sei, machten sie keinen Versuch demselben zu Hilfe zu
kommen, obschon die Nothschlisfe und die Feuersignale mit Raketen aus der ge-
fährlichsten Stelle des Riffs Ainahe die ganze Nacht hindurch fortdauerten.
(Fortsetzung folgt.)
 
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