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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 65-76 (3. Juni - 30. Juni)
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67. Dienstag den 9. Juni 1868.
Der großpreußische Kehraus?)
Der Rechtskampf „bis zum Messer" hat sich in ein recht der-
gnügliches Spiel mit Messer und Gabel verwandelt; nicht mehr
die Geister platzen auf einander, Ppopfen sind's die knallen, und
was politisch nicht gelungen, in einem andern Sinne scheint das
Zollparlament sich zu guter Letzt doch noch zum Vollparlament
gemacht zu haben, wenn nicht gar zum Toll-Parlament! Börsen-
bankett — Tivoli Feier — Flottenfest, — auf Landtag, Reichstag,
Zollparlament je ein Zechgelage.
Wüßten wir nur, was die Herren denn eigentlich feiern.
Wenn nicht ihre eigene Narrheit oder (was nicht gerade das
Gegentheil ist) ihre eigene Person, wie Völk so naiv war zu thun,
als er in Kiel die „heimkehrende Missionare der deutschen Einheit"
betoastete, damit er selbst doch auch etwas abbekäme — wenn nicht
das, was feiern sie denn? Ihre Wiege?! Ja, das Zollparlament
war doch nichts als eine permamente Niederlage Großpreußens.
Ihre Hoffnungen? Ja, wenn die Thronrede ihres Königs die noch
nicht hinreichend niedergeschlagen hat.
Vergebens suchen wir uns in dem Wirrwarr von Reden und
Redensarten zurechtzufinden. Völk spricht vom Frühling im Zoll-
parlament — Nr. 1; Bismarck spricht vom Frühling beim Börsen-
bankett — Nr. 2; Waldeck spricht vom Frühling auf Tivoli —
Nr. 3; und endlich der Oberbürgermeister Thaden spricht vom
Frühling in Altona — Nr. 4; das ist ein Sprießen und Duften,
wahrhaft betäubend. „Der Blumen Rache" in's Politische über-
setzt; die Folgen bleiben nicht aus: als Opfer fällt der gesunde
Menschenverstand. Man höre nur!
Das Tivolifest eröffnet Professor von Holtzendorff aus Berlin;
er wettert gegen jede Zetteluug mit dem Ausland als schändliche
„Landesverrätherei"; in der Hitze vergreift er'sich an der Adresse,
richtet seine Worte an den Süden, und nehmen wollen hat er doch
offenbar mehrere Berliner Adressen, die der italienische General
Govone und der französische Kaiser der ganzen Weit längst zur
Genüge bezeichnet haben.
Ein anderes Beispiel! Auf demselben Fest bringt Bamberger
ein Pereat der Mainlinie — in der Hauptstadt des Königs Wilhelm
ein solches Wort! in einer Versammlung, in der Graf Bruderherz
Biarritz zugegen sein sollte, ein Pereat auf die Mainlinie! Man
kann nicht unzarter, nicht tactloser sein. Eine solche Verletzung
des Gastrechts ist auf das tiefste zu beklagen, und der Süden
muß jeoe Gemeinschaft mit einem Verfahren ablehnen, welches uns
leicht in den Ruf brächte, als könnten wir das so alte und sinnige
Sprichwort nicht, daß man im Hause des Gehenkten nicht vom
Galgen sprechen soll!
Jndeß, — wozu überhaupt verstehen und uns erklären wollen,
was in sich unverständig und unklar ist?! Wir haben es mit
Menschen zu thun, die alle Haltung verloren haben und nun ohne
Halt umhertreiben auf den Gewässern oder sonstigen Flüssigkeiten
des Tages. Wie wäre es auch sonst denkbar, daß die Waldeck
und Lasker und Völk den Boden zu betreten wagen in Schleswig-
Holstein, für dessen deutsches Recht sie ihr Wort verpfändet vor
Europa und das sie dann rechtlos haben machen helfen,
soweit von ihnen überhaupt zu sagen ist, daß sie etwas ge-
than haben!! Nein, geben wir es auf, zu solchen Verirrungenden
leitenden Faden zu suchen. Hier hilft höchstens die Annahme, daß
an den Herren die alte Lichtwer'sche Fabel sich etwas verändert
wiederholt: „Was thun sie denn?! Sie schwindeln!" — schwindeln,
weil's sie selbst schwindelt.-
Ernüchtern wir uns im kühlen Kämmerlein beim Bruderherz.
Er überfliegt die Zeitungen. Berichte über Tivoli — „Geschwätz!"
Ueber Kiel — „bravo, Jachmann, die sind gut eingeseift!" Tele-
gramme aus Paris — Aeußerung des Constitutionel — „o weh!
wieder ein Nachklang von Biarritz! unseliges Biarritz!"
Ja, es ist hart. Der eine Artikel des Constitutionell stört
und zerstört den ganzen Schwindel dieses Kehraus vom Tollparla-
ment. Aus Paris kommt bittersüsses Lob für die Thronrede vom 23.
Der König und sein Bismarck sind brav, heißt es da; „erhaben"
über die Gelüste nach Competenz-Erweiterung, nach Ueberschreitung
der Mainlinie; endlich „eine erste offizielle Kundgebung, die sich
in vollkommener Uebereinstimmuug mit dem Geiste des Prager
Friedensvertrages befindet;" das müssen „alle aufrichtigen An-
hänger des Friedens billigen." Das heißt festnageln am eigenen
Wort! Das heißt die stolz sarkastische Sprache reden eines Pro-
tectors, der den Prager Frieden überwacht! Das heißt einen
diplomatischen Sieg, dem sich Großpreußen beugt, offen constatiren!
Das heißt sehr deutlich erklären: wer aufrichtig den Frieden er-
halten will, der muß aufrichtig den Prager Frieden innehalten.
Angesichts dieser Wendung wollen wir es mit dem Schwindel
der frohen Zecher so genau nicht nehmen. Diesen Bismärckern
wird der Katzenjammer nicht ausbleiben. Die Politik Bismarck
*) Vorstehender Artikel der Demokr. Korrespondenz, den wir unfern Lesern
mitzutheilen versprochen, paßt vortrefflich zu der in der letzten Nummer des
Boten gebrachten Schilderung der Weserzeitung über das Ende des Zollparla-
mentes, dem ein stilleres Nachhausegehen besser angestanden hätte im Hinblick
aus das Windei, an dem es 4 Wochen lang umsonst gebrütet. Der Bote.
Die holländischen Zuaven im päpstlichen Heere.
(Fortsetzung.)
Eine Begeisterung, wie sie jene Lieder durchweht, konnte im Lager der
Bewunderer des unsterblich blamirten Zwei-Welten-Heros natürlich nur als
Fiebergluth des religiösen Fanatismus bezeichnet werden. Aber ist es Fana-
tismus, zu mühevoller Krankenpflege sich einem rühmlosen Tode in die Arme
werfen? Und doch waren es dieselben muthbeseelten Vertheidiger des heiligen
Stuhles, welche, als zu Albano die Eholera wüthete, mit ihren starken Armen
der Kranken warteten und die Todten begruben. Unter jenen aber, deren
Selbstverläugnung sich auf jenem Kampfplatze der Liebe am glänzendsten be-
währte, waren mehrere holländifche Zuaven.
Zwei derselben hatten sich unverzagt an das Werk des Todtengräbers ge-
macht. Sie schickten stch zu diesem Geschäfte mit einer Kaltblütigkeit, die
völliges Mlßkennen der Gefahr zu verrathen schien. „Aber, meine Frei nde !"
fragte sie deßhalb em Offizier, „wissen Sie denn auch, daß diese Arbeit Ihnen
das Leben kosten kann?" — „Ja wohl!" war die Antwort, „doch wir fühlen
den Tod nicht; wir sind zum Sterben bereit." Die einzige Erholung, welche
ste stch während ihres traurigen Tagewerkes gönnten, war frommes Gebet in
emer nahen Kapelle, wo sie harrten, bis man neue Todte herbeitrug. Beide
starben als Opfer solcher Liebe, mit ihnen noch ein Dritter ihrer Landsleute.
— PiUs IX., der von jeder aufopfernden That hört und jede würdigt, wünschte
raß die Leichen dieser hochherzigen in einem prachtvollen Grabe ihre Ruhe
fandm. Em holländischer Sergeant, den die Seuche verschont hatte, trägt auf
Albano E goldene Medaille zur Erinnerung an seinen Liebeseifer zu
Ebensowenig stimmt es zu Fanatismus, Entbehrungen aller Art, anqe-
fortwährende Nachtwachen u. s. w. mit freudiger Ausdauer
"Ä d zu ertragen. „Wir essen," schreibt Johann Hanst, „wenn man
uns Zeit laßt, wir nehmen einen Trunk Wein, wenn wir ihn eben bekommen.
? E e^efi Monat, daß wir unsere Kleider nicht vom Leibe ge-
bracht haben. Wir betten uns auf Federn mit ellenlangen Kielen _ d b auf
ledoch dabei munter und lustig. Fast alle Tage gibt es ein
Gefecht. Wenn wir einmal schlafen können, schlummern wir sanfter als irgend
ein Prinz aus der Welt. Wollte man mir auch ganz Holland schenken, ich
möchte nicht nach Hause zurückkehren. Auf, ihr Söhne von Gemsrt, kommt
mit uns, folget uns und zeiget, daß ihr noch Blut in euern Adern traget,
Blut in Fülle für den heiligen Stuhl! . . . Grüßet meine Freunde und Be-
kannten, auch meine Feinde, wenn ich deren habe, und bittet Alle dis ich etwa
beleidiget hätte, in meinem Namen um Vergebung!"
Der Fanatismus mit feiner düftern „Gluth von Leidenschaft" kennt kein
Verzeihen; unsere Helden aber hegen nach errungenem Siege nur Mitleid und
Erbarmen. Der schon genannte Peter Willemse fühlt sich den Briganten gleich-
sam zum Danke verpflichtet, weil sie ihm, freilich ohne ihr Wissen und Wollen,
tausend Gelegenheiten geboten hätten, sich Schätze für den Himmel zu sammeln.
In einem Briese vom 19. Oktober erhebt sich der edle Jüngling sozusagen auf
den Höhepunkt christlicher Liebe. „Die Mehrheit dieser Befreier Italiens" be-
merkte er, „hat noch nie so gute Tage erlebt, wie jetzt, da sie in Kriegsgefangen-
schaft ist. Unser innigst geliebter Papst-König sieht in diesen Unglücklichen nur-
arme Verirrte, welche sich zwar bestechen ließen, aber für Gutes nur empfäng-
lich und fähig sind. Man darf hoffen, daß sich hier die meisten aus ihnen
bekehren werden. Ist auch Holland Hunderte von Stunden entfernt, so könnt
Ihr doch an diesem Werke mitarbeiten, indem Ihr für die armen Leute betet.
Flehet inständigst zum heiligen Herzen Jesu, daß es ihnen den Reichthum
seiner Gnade zuwenden möge. Ihre Bekehrung wird ein wahrer Trost sein
für dies göttliche Herz, besonders in gegenwärtiger Zeit, wo so viele Seelen
sich auf ewig in's Verderben stürzen."
Holland konnte stolz sein auf solche Söhne, und — Gott sei Dank! es hat
sie nicht unterschützt. Kein Fleck ist im ganzen Lande, wo nicht Begeisterung
herrschte für die päpstlichen Zuaven. In Aller Mund leben die Namen eines
Jong, Hepkamp, Crons und Anderer. Die großartigsten Trauerfeierlichkeiten,
wozu das Volk in Massen herbeiströmte, ehrten das Andenken der Gefallenen.
Der Protestant wie der Katholik, das ganze Volk fühlt sich gehoben. Die
Familien der Gebliebenen mischen in ihre Trauer jene Freude, die der Glaube
einflößt. Auch Holland hat seine Machabäerinen.
(Fortsetzung folgt).
 
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