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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 14-26 (2. Feburar - 29. Februar)
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und Land

1868.


Preis Vierteljahr!. 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlag.
. Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.


Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.

* Heidelberg, 16. Febr. Triumph, Ihr katholischen Män-
ner, Hut ab vor'den Bayern! Wir haben in Bayern bei den
Zollparlamentswahlen den glänzendsten Sieg errungen! Bayern
hat 48 Parlamentsabgeordnete zu wählen und 30 von diesen
gehören bereits der katholisch-bayerischen Partei an. Muth da-
her, Ihr Bürger, kommt in Masse zur Wahlurne und macht's
den Bayern nach! Wenn Jhr's ebenso dahin bringt, ist das
jetzige System in Baden zu Falle gebracht! Darum vorwärts marsch!

* Was bringen die Deputirten heim?
Obige Frage ist wohl in Aller Mund jetzt wo der Landtag
geschlossen worden ist. Wir wollen mit wenigen Worten diese
Frage zu beantworlen suchen. Also nochmals: was bringen
sie heim?
Sie bringen eine erhöhte M ensche nsteue r in der Form
von Militärgesetzen. Die zur Wirklichkeit gewordene Phrase über
allgemeine Wehrpflicht gipfelt sich in der dreijährigen Präsenz
und einer zwölfjährigen Dienstpflicht. Man ging viel weiter als
in Württemberg, das doch hier wenigstens als Vorbild hätte
dienen können.
Sie kehren zurück mit erhöhten Geld steuern in der ver-
schiedensten Gestalt, die angenommen wurden trotzdem daß Han-
del und Gewerbe vollständig darniederliegen, trotzdem daß eine
schlechte Erndte die Calamitäten des Nothstandes herbeiführt, daß
das Vertrauen in den Bestand der Dinge fehlt und hiedurch jedem
Geschäfte, das nicht nach Stunden und Tagen berechnet werden
kann, die Lebensbedingung abhanden gekommen ist. Ja, selbst
der Zukunft wurde durch die Erneuerung des Zollvereinsvertrages
vorgegrisfen, indem es bei den anwachseuden Bedürfnissen des
preußischen Militürstaates ganz unmöglich ist, die neue Tabaks-
steuer zu entbehren, mit deren Einführung aber dec Ruin eines
großen Theiles der badischen Landwirthschaft, des badischen Han-
dels und der badischen Industrie herbeigeführt wird.
Sie bringen mit heim einen Allianzvertrag, der die
badischen Kräfte den particularistifchen Interessen Preußens an-
heongibt, der uns in die Lage versetzen kann, gegen unsere deutsch-
österreichischen Brüder kämpfen zu müssen, um die Macht des
Hauses Hohenzollern zu stärken.
Sie bringen mit heim ein Schulgesetz, welches in einem
der Kirche abholden Geiste verfaßt ist und nicht einmal dem be-
rechtigten Factor — der Familie — dasjenige gewährt, was kein
anderer sog. moderner Staat ihr vorzuenthalten wagt.

Sie bringen mit heim ein Preß gesetz, das nicht einmal
Schwurgerichte für Preßvergehen aufstellt, obgleich die Straf-
prozeßordnung durch den Wegfall der Appellation für die persön-
liche Freiheit die größten Gefahren birgt.
Sie bringen mit heim ein Min isterverant wörtliche
keitsgesetz, das nichts enthält als schöne Worte, die niemals
zur That werden können.
Sie bringen endlich mit heim ein Straßengesetz, das
nur den zweifelhaften Vorzug besitzt, einen neuen Mitzahler zur
Entlastung der Staatskasse entdeckt zu haben.
Und nun könnte man weiter fragen: was bringen sie nicht
mit nach Hause?
Sie kommen heim ohne Erweiterung der Volksrechte, ohne
Einführung des allgemeinen und geheimen Stimmrechts für sämmt-
liche Wahlen, ohne verbessernde Umgestaltung der Verfassung,
ohne zeitgemäße Abänderung des veralteten Staatsdiener - und
Pensionsgesetzes, ohne Reform der veralteten Gemeindeordnung
mit ihrem verrotteten Ausschußwesen, ohne Verwirklichung des
Grundsatzes der Selbstregierung des Volkes. Statt letzterer feiert
jetzt das allwaltende und alles machende Beamtenthum unter
den., Fittigen des falschen Liberalismus die glänzendsten Triumphe
und gibt in beiden Kammern, in der Gemeinde, in der Presse,
in allen öffentlichen Versammlungen den Ton an, was zur Ge-
nüge das Auftreten der Bürcaukraten in den letzten Tagen bei
den Agitationen zu den Zollparlamentswahlen beweist. Selbst-
verwaltung hatte die Proclamation vom April 1860 verhei-
ßen, — eine Büre auk raten Verwaltung sonder Gleichen
ist in Erfüllung gegangen.
Weiß sonst noch Jemand Etwas, das unsre Deputirten Heim-
bringen oder nicht Heimbringen?
SüddeuLschLand.
* Heidelberg, 14. Febr. Gestern wurde unser katholisches
Casino durch die. Anwesenheit seiner Freunde aus Dossenheim er-
freut, welche in, großer Zahl sich einfanden, um einen längst
versprochenen Besuch abzustatten. Schon früher hatten wir wieder-
holt Gelegenheit gehabt, die kräftigen und gut geübten Stimmen
unserer Freunde von der Bergstraße zu bewundern, auch gestern
war dies wieder in hohem Grade der Fall, indem die Dossen-
heimer eine Reihe von Liedern mit großer Präcision vortrugen.
Nach dem ersten derselben bestieg Herr Or. Vissing jun. die
Rednerbühne, um in eingehendem Vortrage die katholischen An
gelegenheiten zu erörtern, insbesondere was die katholischen Za-

Der schwarze Gentleman.
Lus dm Erinnerungen eines Arztes.

(Fortsetzung.)
„Sie lauteten," fuhr der Graf fort, „die Vision besteht für Den, welcher
sie sieht, aber auch nur für ihn allein; sie setzt eine frühere Handlung bei ihm
voraus. Eine Reihe sträflicher Gedanken ohne daraus folgende That kann
keine permanente oder periodische Vision erzeugen. Wenigstens ist mir kein
solcher Fall vorgekommen". Als ich nach dem Namen des Autors suchte, dessen
Werk diese Worte entnommen waren, trat mir wieder Ihr Namen entgegen.
Das entschied. Und jetzt zum Zweck meines Besuches. Den besondern Fall,
für welchen Ihre ärztliche Erfahrung Ihnen kein Beispiel bietet, werde ich
Ihnen liefern — i ch !"
Der Graf preßte die Hand an seine Stirn, als fürchte er, daß sie zer-
springen möge. Dann Hub er wieder an: „Ich habe nur noch kurze Zeit zu
leben, und möchte Ihnen gern gerecht werden. Ist es wahr, daß die Kennt-
nis; des Schlechten Denen frommt, welche das Gute wollen, so haben Sie ein
heiliges Anrecht auf mein Bekenntnis Erlauben Sie mir nun, dasselbe in
der für mich am wenigsten qualvollen Form abzulegen. Nehmen Sie diese
Papiere und lesen Sie dieselben mit Aufmerksamkeit."
Dainit überreichte er mir ein Paket Papiere, grüßte mich mit einer stummen
Verbeugung, und ging schnell auf die Thüre zu. „Nur eine Frage!" rief ich.
„Was ist aus der Gräfin geworden?"
Die hohe Gestalt des Grafen schien noch höher zu werden, als er sich um-
wandte, um mir in stolzer, ja fast drohender Haltung gegenüber zu treten.
Mit eigenthümlcchem Ausdruck auf den leeren Raum deutend, antworte er:
„Hier ist die Gräfin, hier, zur Rechten ihres Gatten."
Damit ging er fort und ließ mich in schwer zu beschreibender Stimmung
allein. Indem ich das Paket öffnete, schien es mir, als sollte ich über Leben
und Tod entscheiden. Bildete ich allein nicht die Jury, welche ein ernstes und
letztes Urtheil über das Leben des Grafen fällen sollte? Den Inhalt der Pa¬

piere werde ich dem Leser im Auszuge und mit einigen erklärenden Bemerkungen
vorführen, damit er neben mir über den Grafen Edmund, den schwarzen Gent-
leman, zu Gericht sitze.
4.
Am Ufer der Weidnitz liegt, von hohen, ehrwürdigen, stattlichen Bäumen
umgeben, das alte Schloß L., wo der Graf Arthur R. , der glückliche Gatte
einer liebenswürdigen Frau, seinen Wohnsitz aufgeschlagen hatte. Edmund,
als das älteste der drei Kinder, war lange mit den Vorrechten des einzigen
Sohnes ausgestattet, denn er hatte bereits sein vierzehntes Jahr erreicht, als
sein Bruder Felix zur Welt kam. Auf Felix folgte zwei Jahre später eine
Schwester Namens Marie, welche aber schon in ihrem dritten Jahre starb.
Je ungetrübter bisher das Leben der Gräfin dahingeslossen war, desto tiefer
empfand sie jetzt den Verlust der Tochter. Jedoch hatte der Himmel ihr eine
Entschädigung Vorbehalten, denn ihre Herzensfreundin, welche schon sehr jung
an den Prinzen O. in Böhmen, einen verschwenderischen, leichtsinnigen Men-
schen verheirathet war, starb mit Hinterlassung einer einzigen Tochter, und
ihre letzte Bitte an den Gatten war das dringende Verlangen, daß die Er-
ziehung des Kindes der erprobten Freundin anvertraut werden möge.
Es wurde dem Prinzen schwer, das der Sterbenden gegebene Versprechen
zu halten, aber dennoch mußte es geschehen. Die kleine Julie wurde nach
d'm Schlosse L. gebracht und füllte dort die Lücke aus, welche durch den
Tod Mariens in den Familienkreis gerissen war. Bald vergaß ihr Vater im
Strudel des Vergnügens seinen doppelten Verlust, in wenigen Jahren war
sein bedeutendes Vermögen vergeudet, und von den Gläubigern bedrängt, traf
er mit ihnen ein Uebereinkommen, welches ihm nur den Ausweg ließ, Dienste
in der österreichischen Armee zu nehmen. In der Schlacht bei Aspern traf
ihn an der Spitze seines Regiments die Todeskugel.
Dem Grafen Arthur gelang es, der ihm anvertrauten Waise noch einige
Trümmer des väterlichen Vermögens zu retten, und kaum dachte noch Jemand
daran, daß sie nicht mit zur Familie gehöre. Den Adoptiveltern schenkte sie
eine durch nichts getrübte kindliche Liebe, und die beiden Söhne des Grafen
betrachtete sie als ihre Brüder.
(Fortsetzung folgt.)
 
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