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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 14-26 (2. Feburar - 29. Februar)
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ZZ. Donnerstag den 20. Februar

Offene Antwort an Herrn Eckhard.
Hochgeehrter Herr!
Weil Sie in einer Zuschrift vom 31. Januar d. I. (Breis-
gauer Zeitung Nr. 29) meinen Namen nannten, so haben Sie
mich zu einer Antwort berechtigt. Ihr Schreiben will ich mit dem
rechten Namen nicht benennen; im Namen und Auftrag mehrerer
Unterzeichner der Adresse soll es beantwortet werden. Vielleicht
wäre es Ihnen nützlicher gewesen, die Zuschrift nicht zu verfassen.
Sie haben kein Recht einem Wahlmanne Wankelmuth und Sinnes-
änderung vorzuwersen, bevor Sie nicht bewiesen haben, daß die-
jenigen Wahlmünner, welche s. Z. Ihnen Vie Stimme gegeben und
jetzt das Mißtrauensvotum unterzeichnet haben, vor der Wahl
Ihre politische Gesinnung theilten und kannten, richtig belehrt
wurden, und dann mit Vertrauen, Ueberzeugung und Selbststän-
digkeit Sie wählten. Bevor Hr. Oberschulrath Gruber in unserm
Bezirk Prüfung hielt und mit großem Eifer die Wahlmänner zu
sprechen suchte, dachte Niemand daran, „Sie" in die Kammer zu
wählen. Die meisten Wahlmänner richteten „vertrauensvollst"
ihren Blick auf den hochverehrten, wohlbekannten, um Einzelne und
Gemeinden wohlverdienten Hrn. Rechtsanwalt Dr. Otto v. Wänker
zu Freiburg. Noch am Vorabend der Wahl konnte man mit
ziemlicher Gewißheit auf 38 Stimmen für ihn rechnen. — Selbst
die Besprechung, wozu der gr. Oberamtmann Leiblein mit-
telst bezirksamtlichen Dienstschreibens vom 5. Novem-
ber 1 8 65 auf 9. November die Wahlmänner des Wahlbezirks
einlud, und die Erschienenen einzeln zur Wahl bestimmte, stellte
„Ihre" Wahl noch sehr in Zweifel. Ein Agent aus Waldkirch,
der im Kirchzartner Thale für Sie warb, machte keine gute Ge-
schäfte. Daher wurde noch am Vorabend der Wahl tüchtig gear-
beitet; den Oct wollen wir nicht nennen; es waren ja noch 10
Wahlmünner, die sich weder für Hrn. v. Wänker, noch für Sie
ausgesprochen hatten, und freie Entschließung und Besprechung mit
andern Wählern vorbehiellen. — Was Wunder, daß die Wahl
männer im Deutschen Hofe zu Freiburg, woselbst auch Bürger-
meister Fauler mit einem Rechtsanwalt Geschäfte gehabt haben
soll, versammelt und zum Letztenmal für „Ihre" Person gewonnen
wurden! Es ist ganz wahr, daß Herr Oberamtmann Leiblein
den Versammelten sagte, daß sich 38 Stimmen für Herrn Eckhard
entschlossen haben, deßhalb solle jeder Unentschlossene — es waren
die 10 gemeint — für Eckhard sich entschließen, weil deßhalb die
andere Parthie an und für sich unterliege, so solle man den De
putirten mit einer eminenten Majorität beehren re. — Und nun
o Rechnungswunder! Obgleich die 10 Unentschlossenen zu den 38
hinzutraten, und weitere 8 Stimmen in Leichtgläubigkeit und Ver-
trauensseligkeit, vielleicht im Zweifel am Siege — auch für den
amtlich Empfohlenen — also für Hrn. Eckhard, sich entschlossen,
haben, so erhielten Sie, geehrter Herr, dennoch „nur 37 Stim-
men." Ein solches Rechnungswunder darf der Oeffentlichkeit nicht
verschwiegen werden: denn es mindert Ihr Verdienst, wenn Sie
den betreffenden Unterzeichnern nicht den geringsten Vorwurf
machen; dieses Wunder erklärt die Neunzehneradresse
am besten. Selbst nach der Schulreform wird man noch zählen
müssen 19 -ft 10 und -ft 8 — 37. Eine Stimme von 68 Wahl-
männern — wir kennen sie — ist ausgefallen, 30 fielen auf Hrn.
v. Wänker. Dieses Rechnungswunder gibt Aufschluß über die
Verblüffung, womit sich die Wahlmänner im Wahllocale angesehen
haben, und weßhalb Bürgermeister Fauler mit so schwacher Be-
geisterung die Wahl nach Waldkirch telegraphirte. Sodann hat
Ihre Ansprache im Deutschen Hofe den Wählern die Augen und
den Verstand am besten geöffnet, und zu noch größerer, — leider
zu später — Neue bewogen. Großes Mißfallen und große Reue
haben sie unverholen ausgesprochen, und sie sind der Meinung,
daß sie heute noch ihre Reue nicht bereuen dürfen; sie sind auch
der Meinung, daß sie ein Recht und die Pfsicht haben, einen
Fehler gut zu machen; und das haben sie in gesetzlicher und
ehrenhafter Weise durch die Unterzeichnung des Mißtrauensvotums
auch gethan. Nach unserm Dafürhalten haben sie nicht das min-
deste Recht, ihnen einen Vorwurf zu machen. — Wir fragen gar
nicht, wo sind die übrigen 10? Hoffentlich wird die Neunzehner-
Adreffe nicht an den 68sten Wahlmann geschickt, damit auch dieser
sie unterzeichne. Und dennoch erlauben wir uns eine heikliche

Frage, die möglicher Weise Ihren Gefühlen widerstreben wird:
Weßhalb haben Sie die Zuschrift der 19 Wahlmänner sammt den
Namen nicht veröffentlicht — wie Sie unsere erste Zuschrift und
die 37 Unterschriften der Oeffentlichkeit Übergaben? Beides kann
nicht ohne Plan geschehen sein; also heraus mit den Namen der
Neunzehn!! Wollten Sie uns früher an den Pranger stellen oder
dem Haffe und der Verfolgung preisgeben, so sehen Sie au der
2. Zuschrift, daß die Frucht Ihrer Saat schnell gereift ist, und wir
uns nicht scheuen, auch eine Ueberzeugung zu haben und auszu-
sprechen. Freilich wollen Sie den Wahlmännern, die Ihnen die
Stimme nicht gegeben haben, ein Recht zum Mitsprechen nicht
geben. Nach dem Gesagten und dem weiteren Beifügen, daß wir
erst recht das Vertrauen der Urwähler besitzen, weil wir Ihnen
die Stimme nicht gegeben haben, lassen wir von Ihnen, obgleich
Sie Rechtsgelehrter sind, weder unser Recht, noch unsere Pflicht
in Zweifel ziehen.
Sie haben nicht als Jurist über den Inhalt und Ursprung
unserer Adresse geurtheilt; denn Sic haben nur behauptet, aber
nichts bewiesen. Wir Bauern und Geschäftsleute und Freunde
des Christenthums haben schon so viel Verstand und Erfahrung,
daß wir es gut einsehen, welcher Mann zu unserm Abgeordneten
paßt, unsere Interessen vertritt und vertheidigt, hiezu brauchen wir
bei aller Achtung vor der Geistlichkeit — keinen Geistlichen —
aber auch keinen Amtmann oder fortschrittlichen Advokat als Führer.
Und wer jetzt nicht merkt, wo es mit den badischen Zuständen
hinaus will, dem ist nicht mehr zu rathen und zu helfen; zu diesen
Raths- und Hilfsloseu lassen wir uns nicht zählen. Sie sprechen
uns die Fähigkeit ab, eine Adresse zu verfertigen; darauf sagen
wir wiederum: „der Verstand und die Erfahrung dictirten uns den
Inhalt und in badischen Volksschulen Gebildete gaben der Adresse
Vie Form." Zudem bestimmen trübe Erfahrungen, wirkliche Zeit-
verhältnisse jeoen vernünftigen Mann, daß er ja nichts unter-
schreibe, was er nicht nach Inhalt und Form gut geprüft hat;
obendrein mußten die Unterzeichner sich wieder auf die Veröffentlichung,
aus das Geheul aller servilen Blätter — vielleicht noch auf
Schlimmeres gefaßt halten. Faule Ausreden sind selbst unter
Bauern außer Geltung gekommen.
Ob bei der rasenden Eile der Neunzehnerschrift Alle mit ge-
nauer Kenntniß, mit Selbstständigkeit, Ueberzeugungstreue und
in Uebereinstimmung mit ihrer Ueberzeugung dieselbe unterzeichnet
haben? Wir haben allen Grund daran zu zweifeln; jedenfalls
würden die Urwähler auch zweifeln.
Falls Unschicklichkeiten in der Adresse vorkommen, so geschah
dies ohne unser Wollen; sie müßten nur daher kommen, weil wir
gewisse Kammerreden fleißig gelesen und uns nicht aller Eindrücke
entledigt haben. Sie rühmen sich stets fort mit ihrer Ueberzeu-
gung und Ueberzeugungstreue. Gestatten Sie, daß man auch nach
oer Rechtlichkeit, R chtigkeit und Nützlichkeit derselben fragen darf?
Over verlangen Sie etwa, daß wir an die Unfehlbarkeit derselben
glauben müssen? Mit Abbruchsmaterial hat man schon ost neue
Gebäude aufgeführt; aber zu diesem unbedingten Glauben, den
man vom Volke — vielleicht noch vieles andere — zu fordern
scheint, können wir uns unmöglich entschließen.
Was Sie unter den großen freien und Hellen Räumen, in
welchen das lange niedergehaltene Volk wohnen und gedeihen foll
— verstehen, mag wohl ein Logenbruder am besten begreifen, wir
errathen es ziemlich sicher; denn so lange Sie sich nicht besser
von dem Vorwurfe: „Sie seien einer der erbittersten und heftigsten
Gegner des Christenthums und der Kirche" reinigen, reicht auch
der Verstand eines „Gimpels" hin, Ihre Worte richtig zu deuten.
Obgleich die Geschichte lehrt, wie wenig man das gute alte Rechi,
die eidlich beschworenen Verfassungen und die klarsten und berech-
tigsten Wünsche der Mehrheit des Volkes achtet — so glauben
wir dennoch, daß diese den Hellen Räumen noch lange im Wege
stehen werden. Gesetzt auch, das Volk würde von Fürsten und
Verfassungen verlassen, so verzagt es dennoch nicht. Bereits er-
wacht es vom Schlafe, wendet sich ab von der Verlogenheit, Cha-
rakterlosigkeit und dem Wankelmuthe und sucht sich ehrliche und
tüchtige Führer, greift nach der gesetzlichen Selbsthilfe und wird
dem verderblichen Fortschritte Feierabend läuten.
Sie sehen also, geehrter Herr, daß wir so keck sind und zu
Ihrer Majorität unsere Majorität zum Vergleiche hinstelleu; Sie
 
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