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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 52-64 (2. Mai - 30. Mai)
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1868.

Preis Vierteljahr!. 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.

Donnerstag den 28. Mai

* Die Freisprechung Lindaus
hat im ganzen Lande die allgemeinste Freude hervorgerufen; denn
alle Welt — ob Freund oder Feind — war darin einverstanden,
daß es etwas bis jetzt ganz Unerhörtes sei, einem Abgeordneten
den Verkehr mit seinen Wählern zu untersagen und ihm gegen-
über in Zuschriften nicht einmal die gewöhnlichste Höslichkeitsform
(„dem I. Lindau") zu beobachten. Das freisprechende Erkenntniß
ist nunmehr erfolgt, — es märe vernichtend für jeden Minister
in ähnlicher Lage in England oder Belgien, ja selbst in Frank-
reich und Preußen könnte sich ein solcher unmöglich mehr halten,
— doch freilich in Baden ist gar Vieles möglich!
Bei Gelegenheit der württembergischen Wahlprüfungen im
Zollparlamente gab der Abgeordnete und Justizminister v. Mitt-
nacht in Betreff der Behandlung der Presse durch die württem-
bergische Negierung folgende mit einem Sturm des Beifalls auf-
genommene Erklärung: „Wir kennen in Württemberg keine Preß-
prozesse, und die einzige Strafe, die einem Angriff auf die Regie-
rung zu Theil werden kann, besteht darin, daß das betreffende
Blutt eine Berichtigung der Behörden in seine Spalten aufnehmen
muß." Ist das nicht ein stolzes Wort, ist das nicht eine starke
Regierung, die durch ihren Minister der Gerechtigkeit ein solches
vor ganz Deutschland aussprechen zu lassen in der Lage ist?
Könnte wohl Minister Jolly etwas Aehnliches von seiner Verwal-
tung in Baden rühmen? Oder sind hier nicht vielmehr die Preßpro-
zesse zu Hause, so daß alle Gerichte mü ihnen überschwemmt zu
sein pflegen? Wird hier nicht das leiseste freie Wort in Schrift
und Rede mit Geld und Kerker gebüßt? Wer denkt nicht noch an
das famose Preßrescript von Mathy und Jolly bei Uebernahme
der Geschälte, dessen Veröffentlichung sogar verboten war? Und
was brauchen wir schließlich noch von dem Art. 631 a zu sagen,
den das Standrecht geboren und die neue Aera großgezogen hat?
Fort also mit allen liberalen Phrasen, sie passen nicht zu den
Handlungen der Träger des gegenwärtigen Systems, dessen alles
denuncirende, begeifernde und mit Koth bewerfende Presse es längst
offen herausgesagt hat, daß ein „strammes Regiment" zur Geltung
kommen würoe, dessen erste Proben nicht lange auf sich haben
warten lassen. Indessen wird Herr Jolly doch wohl eingestehen
müssen, daß er Unglück hat mit dem „strammen Regiment"; es
geht eben nicht in Baden, so wenig es in Kurhessen unter Hassen-
pflug gegangen ist, der keinenfalls reactionärer sein konnte als
es jetzt Herr Jolly ist.
Uebrigens ist Herr Jolly ein schlechter Jurist, weil oder ob-
gleich er „gehaltloser Professor" war — sonst würde er dem
Staate nicht so viele Prozesse verloren haben. Oder wird er uns
sagen wollen, seine Beamten hätten auf eigne Faust den Prozeß
Lindau nebst den andern in Angriffen genommen? Sicherlich nicht.
Die Regierung hat die großen Prozesse niit den katholischen Stif-
tungen verloren und die gegen Lindau, Berberich und verschiedene
Geistliche angestrengten Prozesse kosteten gleichfalls viel Geld, Zeit
und Arbeitskraft. Zwar hat der Staat freilich weit leichter Prozeß
führen als ein Privatmann, denn der breite Rücken des Volkes kann
mehr aushalten als die fchmale Börse des Einzelnen. Immerhin
dürste es für die Zukunft zu überlegen sein, ob eine allzu große
Masse von Staatsprozefsen mit dem durch schlechte Geschäfte und
schwere Steuererhöhung bereits angegriffenen Volkswohlstand auf
die Dauer verträglich sei. Schon aus diesem Grunde hätten wir
vor allem in dem Lindau'schen Prozesse ein ganz anderes Verfahren
und Auftreten von Seiten des Herrn Jolly erwartet. Man erlaube
uns zu sagen, wie wir in diesem Falle gehandelt hätten. Voraus-
gesetzt, daß wir überhaupt Lust gehabt, uns in einen Prozeß ein-
zulassen, in welchem jedenfalls das materielle Recht auf Seiten
des mißhandelten Abgeordneten stehen mußte, so hätten wir uns
memals mit der ganzen Gewalt des Staates umgeben, sondern
lediglich den Weg der Privatklage betreten und wären ohne Polizei
und Staatsanwalt vor den Schranken des Gerichts erschienen.
Dort hätten wir persönlich dem Gerichte wie dem Volke unsere
Gründe zu einer so exorbitanten Maßregel wie der Absperrung des
Abgeordneten von seinen Wählern dargethan, dort wären wir per-
sönlich unserem Feinde Aug in Aug entgegentreten und hätten dann
je nach dem Ausspruche des Gerichtes unsere weiteren Schritte in
Erwägung gezogen.

„Zweierlei Maß" zu führen in Behandlung der Staatsbürger
ist freilich für einen Minister ein harter Vorwurf, um so mehr
hätten wir es für angemessen gehalten, daß er persönlich gegen eine
so schwere Beschuldigung sich vor aller Welt gerechtfertigt hätte und
für den Fall von seinem Posten abgetreten wäre, daß der Gegner
in den Augen des Gerichtes den Beweis für seine Behauptungen
zu liefern im Stande war.
„Sie haben eine Niederlage von der ersten Sorte erlitten, das
werden Sie doch wohl selbst eingestehen", rief der Abg. v. Blanken-
burg im Zollparlamente „unserem Braun" entgegen. Auch Herrn
Jolly rufen wir bei der Entscheidung des Oberhofgerichts im Pro-
zesse Lindau dasselbe zu, auch er wird uns wohl keine Abläugnung
entgegensetzen. Ja, „eine Niederlage von der ersten Sorte",
— und wenn Herr Jolly begreift, was das heißt, so wird er seinen
nächsten und einzigen Schritt darnach bemessen. Es hat eben jeder
— Minister seinen Tag, auch Herr Jolly hat den seinigen gehabt,
— und die Sonne ist untergegangen.
Wir sind weit enifernt pon Rachsucht oder Schadenfreude; im
Gegentheil haben wir den aufrichtigen Wunsch, daß man einst auf
des Ministers und seiner Gesinnungsgenossen politischem Leichensteine
die Worte lese:
„Auch Brutus war ein ehrenwerther Mann
Und ehrenwerthe sind sie alle."
Rede des Abg. ve. Bissing über die Tabak-
steuer im Zollparlament.
(Stenographischer Bericht.)
Meine Herren! Wer weiß nicht, daß unsere badische Pfalz
der schönste Fleck Deutschlands ist, daß sie mit Recht als der Gar-
ten Deutschlands bezeichnet wird? Wir verdanken dies einem mil-
den Klima, einem vortrefflichen Boden, einer äußerst fleißigen
Bevölkerung, ganz besonders aber auch meine Herrn, dem kleinen
Grundbesitze, der bei uns vorherrschend ist. Der kleine Grund-
besitz ist es, der einen wohlhabenden Bauernstand bei uns heran-
gebildet hat, einen unabhängigen, einen intelligenten Bauernstand.
Ich will damit durchaus keinen Vergleich machen mit norddeutschen
Verhältnissen; es sei ferne von mir, diese in einer nachtheiligen
Weise mit den unsrigen zusammenstellen zu wollen. In Norddeutsch-
land sind aber andere Verhältnisse, ein anderes Klima, anderer
Boden, andere geschichtliche Traditionen, die bis auf die Germani-
sirung der Slaven zurückgehen. Auf der anderen Seite aber muß
ich sagen, daß eben wieder die norddeutschen Verhältnisse für unsere
Zustände absolut nicht passen würden, namentlich nicht der große
Grundbesitz. Ich müßte da, wenn man das verlangte, mit Plinius
sagen, wenn er über das schöne Land jenseits der Alpen äußerte:
latikemäiÄ Italiaw paräiäsre.
Und so ist denn der kleine Grundbesitzer bei uns in Baden,
um aus der kleinen Scholle Erde, die er besitz!, den möglichst
höchsten Ertrag zu ziehen, darauf hingewiesen, zum Bar der Han-
delspflanzen zu greifen und da, wie Sie wissen, nimmt der Tubak
die erste Stelle ein. Baden bebaute im Jahre 1865 nicht weniger
als 33,669 Morgen mit Tabak, während in sämmtlichen Ländern
des Norddeutschen Bundes nur 31,908 Morgen mit Tabak bepflanzt
wurden, ein Beweis, wie schwer wir in Baden benachteiligt wer-
den würden durch eine solche Productionssteuer, nue sie vorge-
schlagen worden ist, gegenüber anderen Ländern. Tne Freunde der
Tabaksteuer pflegen in der Regel den Tabak als sehr gut vereigen-
schastet zu einer Luxusstener hinzustellen; meine Herren, ich bin
kein Freund irgend einer Luxussteuer; denn in der Regel weiß
man nicht, wo der Luxus ansängt und wo er aufhört. So liegt
unter Anderm dre Zeit noch gar nicht fern, wo in England auf
einen feinen Seioenhut ein Eingangszoll von I Pfd. Sterling ruhte.
Meine Herren, auch bei uns in Deutschland hätten wir eine Reihe
von Gegenständen, auf die wir eine Luxussteuer legen könnten,
aber nie und nimmermehr sollte man eine solche Steuer auf den
Bau einer Handelspflanze legen, an welcher der Schmeiß von hun-
derttausenden fleißiger Hände klebt. Ich sage in dieser Beziehung:
pi-ioeixiis obsta! Hat man einmal mit einer ziemlich mäßigen
Steuer den Anfang gemacht, so wird man später zu einer weit
höhern greifen, man wird weiter gehen, man wird auch andere
 
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