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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 27-39 (2.März - 30. März)
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Preis vierteljcihrl. 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.


Dienstag den 17. März




Wir sehen uns veranlaßt darauf aufmerksam zu machen,
daß Bestellungen auf den Pfälzer Boten für nächstes Quartal
(I. April) in Bälde erfolgen wollen, damit wir bei der in diesem
Monat stattgehabten großen Steigerung der Bestellungen die Höhe
der Auflage für nächstes Quartal zeitig zu bemessen im Stande
sind. Die Expedition.

* Stadt und Land.
Es ist Thatsache, daß das Gothathum auf jede mögliche Weise
den Unfrieden in unser Land gebracht hat. Der confessionelle
Hader ist von ihm nicht allein hervorgerufen, sondern auch derart
gepflegt worden, daß er, was man vor 9 Jahren noch für rein
unmöglich erklären konnte, in Staat, Gemeinde und Familie sich
vollständig eingebürgert hat. Der Streit in politischen Dingen
hat sich dann würdig angereiht.
Nachdem nun das Gothathum in den letzten Wahlen ent
decken mußte, daß cs keinen Halt in der Gesammtheit des badi-
schen Volkes erlangen konnte, wird jetzt der letzte Trumpf damit
ausgespielt, daß man eine künstliche Scheidewand zwischen den Be-
wohnern der Städte und des Landes aufzuführen sucht. Erstere
werden durchweg gehätschelt, sind die Alleinbefähigten das große
Wort mitzusprechen in allen Fragen der hohen Politik und der
Religion. Letztere dagegen werden das „Stimmvieh" genannt und
erscheinen für nichts Anderes tauglich als die unumgänglich noch
wenigen Lebensbedürfnisse für die „gebildeteren" (!) Klassen zu
produciren.
Es mag sein, daß gar viele Städter sich mannigfache Men-
, schenkenntniß erworben haben, wenn sie mit dem Felleisen auf
dem Rücken und dem Hut in der Hand mit der demüthigen Bitte:
„ein armer Handwerksbursche" einen Theil der Welt durchstreift
haben. Allein wie steht es denn mit dem Charakter, mit der
Unabhängigkeit? Sind diese wohl auch auf der Rundreise erwor-
ben worden? Wer ist der Unabhängigere, — etwa Jener, welcher
tagtäglich nach Kundschaft ausschauen muß, um sich durchzubrin-
gen, oder vielmehr Jener, welcher weiß, daß die Erzeugnisse der
Landwirthschaft in Früchten, Vieh, Milch, Butter, Erer u. s. w.
als gangbarste Maaren zu jeder Stunde an den Mann gebracht
werden?
Wenn das Schüren des Zwiespaltes Zwischen Stadt und
Land noch weiter fortgesetzt werven und ein Theil der Städter
noch ferner die Pfauennatur gegen den Bauern zur Schau tragen
sollte, so wird nichts Anderes übrig bleiben, als daß Letzterer den
Ersteren sein Uebergewicht fühlen läßt: er meidet die Wirtshäuser,
die Kramläden und die Werkstätten der ihm Feindseligen und läßr
nur Leuten seiner Denkungsart die Kundschaft zukommen. Wir
wetten, daß schon nach wenigen Wochen die Physiognomien der
Pfauen sich gewaltig geändert haben und daß dann der alte Fech-
ter mit dem Hut in der Hand an die Thüren der Bauern an
klopfen würde. Wir dürfen in dieser Beziehung einen Gewährs-
mann citiren. Riehl in seiner „bürgerlichen Gesellschaft" (S. 177)
entwirft folgendes Gemälde:
„Die deutschen Kleinstaaten sind es vorzugsweise, welche sich
durch den Uebeifluß an kleinen und den Mangel an großen
Städten auszeichnen. Darum kennt man in vielen dieser Länd-
chen kaum ein Bürgerthum im vollen stolzen Sinne des Wortes,
desto besser aber das Philrsterchum. Namentlich ist cs hier eine
der verkehrtesten Maßregeln gewesen, durch Gründung recht zahl
reicher Sitze von Staatsbehörden in den bauernmäßigen kleinen
Städten dresen einen gewissen politischen Charakter und dadurch
eine erkünstelte Bedeutung zu schaffen. Nirgends wächst der Zopf
des Philisterthums länger als in solchen Beamtenstädtchen, nir
gends ist der Büreaukratie, der geschwornen Gegnerin eines freien,
großen und selbstständigen Bürgerlhums, eine wärmere Hegungs-
stätte bereitet worden. Dieser Decentralisirung des Städtewesens
in kleinen Ländern mag wohl oft die Eitelkeit zu Grunde ge egen
haben, durch die mögligst große Zahl selbstständig individualisirter
Städte dem Lande den Schein eines größeren Staates zu geben,
wie etwa, wenn man Quadratmeilen immer kleiner annahm, da
mit allmählig in friedlicher Eroberung der Flächenraum des Lan-
des zu immer größerer Quadratmeilenzahl sich ausrecken möge.
Aber solche Eitelkeit strafte sich hart, denn in der Stunde der

Gefahr zeigte es sich, daß nur noch die auseinanderfallenden äußer-
sten Stände vorhanden waren und nicht mehr der verbindende
Mittelstand."
Professor Holtzmann in Heidelberg
und die Katholiken.
i.
W Von der Weschnitz. Unter der Ueberschrift: „Aus der
Kammer" bespricht Professor Holtzmann in Heidelberg im dortigen
protestantischen Wochenblatt Nr. 1, 2 und 7 den Beschluß der Zwei-
ten Kammer über die Herabsetzung der wöchentlichen ReligwnS-
stunden von 3 auf 2 in jeder Klasse der Volksschulen. Als Zweck
der Besprechung gibt er an: „sich — als Mitglied der II. Kam-
mer — an der Verantwortlichkeit für gedachten Beschluß in mög-
lichst öffentlicher Weise unbetheiligt erscheinen zu lassen". Uns
aber scheint der Zweck auch noch ein anderer geworden zu sein,
nämlich dem fanatischen Hasse, wie er gegen die katholische Kirche
im Hauptquartier des gotharschen Protestantenvereins zu Hause
ist und sich ohne Aufhören im dortigen Protest. Wochenblatt ab-
lagert, wieder einmal gründlich Luft zu machen. Deßhalb wird
der vorgeschützte Zweck in einigen Zeilen abgethan, während die
Ausfälle gegen katholische Kirche, Clerus und Romanismus nicht
weniger als 10 Spalten des Wochenblattes füllen. Da Herr Holtz-
mann, Professor der Theologie in Heidelberg, einer der Führer
des Protestantenvereins, Abgeordneter zur II. Kammer und Sohn
des Prälaten Holtzmann in Karlsruhe ist, so dürften seine Aus-
lassungen immerhin soviel werth sein, daß wir sie den Lesern des
„Boten" stellenweise bekannt geben und mit einigen Bemerkungen
begleiten.
Herr Holtzmann räth den dermaligen badischen Gewalthabern:
„Bei dem berechtigten und nothwendigen Ankämpfen gegen kirchliche
Uebergriffe vorsichtig zu sein, die religiöse Grundstimmung des Vol-
kes zu schonen, um nicht zur täppischen Bärentatze zu werden, die
dem Schlummernden, von dessen Stirne sie die Wespe abwehren will,
den Schädel einschlägt". Der Rath ist gut und zeigt, welch' hohe
Meinung der Rathgeber von sich und welche geringe er von der
Geschicklichkeit derer hat, denen er sich als Orakel aufdrängt. „Die
Lage", so fährt er fort, „ist gefährlich und verhängnißvoll. Natio-
naler und religiöser Wahn, ultramontane Vaterlandslosigkeit und
französirender Vaterlandsverrath reichen sich die Hand und treiben
die Katholiken zum Bündniß mit Frankreich und zum
Kampfe gegen Preußen, das Deutschland repräsentirt.
Ber.its hat sich Napoleon in seinen intimen Beziehungen zum römi-
schen Stuhl, zum Hort und Verfechter aller rückschrittlichen, aller
pfäsfischen, aller gegen deutsche und italienische Einheit verschwo-
renen Mächte aufgeworfen, und damit hat sich denn auf politischem
und kirchlichen Gebiet ein Paar edle Brüder — Papst und
Kaiser — glücklich zusammengesunden".
Der Professor der Gottesgelahrtheit an der evangelischen Fa-
cultät in Heidelberg hat mit diesen Herzensergüssen seinen sittlichen
Standpunkt klar gekennzeichnet. Der Papst, der das mehr als
tausendjährige Eigenthum d§r katholischen Welt nicht pceisgeben
will, der die moralischen Mittel des italienischen Fortschritts Dolch,
Gift, Plünderung, Schändungen aller Art als Schandthaten ver-
dammt; der französische Kaiser, der von dem katholffchen National-
willen gezwungen, den italienischen Raubschaaren und Banditen,
einer treulosen und Vertragsbrüchigen Regierung entgegentritt, —
sie sind dem Heidelberger Gottesgelahrten „rückschrittliche, pfäffische,
gegen italienische und deutsche Einheit verbundene Mächte," die er
deßhalb mit der schmachvoll sein sollenden Phrase als „ein Paar
edler Brüder" bezeichnet! Ein Beitrag zur christlichen Sittenlehre,
wie sie scheint's an der evangelischen Facultät in Heidelberg gelehrt
wird! Wir begreifen den tiefen Schmerz des evangelischen Lehrers
über den abermals mißlungenen Sturz des römischen Antichrist's,
den die Propheten des evangelischen Kirchenblattes für diesmal so
siegesfreudig als gewiß vorausgesagt. Wir verstehen den stillen
Ingrimm des getäuschten Kirchenlichtes über die großartige, lawinen-
artig anwachsende Erhebung der katholischen Bevölkerungen Eu-
ropas zum Schutze ihres geistlichen Oberhauptes — wir haben,
wie gesagt, Begriff und Verstäudniß von dem Aerger und der
 
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