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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 102-115 (1. September - 30. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43881#0417

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* Oesterreich und Preußen.
Es ist in der Thal komisch, wenn man immer wieder Oester-
reich Vorwürfe macht, daß es Preußen mit seinen deutschen Ver-
bündeten Frankreich gegenüber im Stiche lasse. Man erkennt
Oesterreich damit, was man doch sonst stets in Abrede zu stellen
pflegt, einen „deutschen Beruf" zu und "erlangt nach der schmach-
vollen Ausschließung Oesterreich's aus Deutschland hinterher, daß
jenes so thöricht sein solle, zur weiteren Vergrößerung Preußens
seine Militärmacht auf dis Beine zu stellen. Den Preis dafür
aber, die Hegemonie über die süddeutschen Staaten für Oesterreich,
schlägt man rundweg ab, ja mau trägt sich im Gegentheil mit dem
Gedanken der völligen Zertrümmerung Oesterreichs, wenn dieses
erst so einfältig gewesen wäre, wie im Feldzuge in Schleswig-Hol-
stein, für Preußen Geld und Blut geopfert zu haben. Die Augsb.
Allg. Ztg. hat in mehreren Artikeln wegen der Luxemburger Frage
Oesterreich über sein Verhalten bei dieser Gelegenheit Vorwürfe
gemacht. Nunmehr ist aber in demselben Blatte eine — offenbar
officiöse — Entgegnung von österreichischer Seite erfolgt, der wir
Folgendes entnehmen:
„Die Argumentation des eifrigen Förderers einer preußisch-
deutsch-österreichischen Allianz dreht sich um einen logischen Wider-
spruch. Er ist überzeugt, daß der Friede Europa's und die
Sicherheit Deutschlands nur durch ein Bündniß mit Oesterreich ge-
schützt werden könne. Zugleich hält er den vierten Artikel des
Prager Friedens hoch, welcher Oesterreich aus Deutschland aus-
schließt, da er „gerade in dem nun gelösten Dualismus und Staaten-
bund das Unglück Deutschlands" erblickt, und die — übrigens sehr
gewagte — Versicherung anfügt: „dafür (für Art. 4 des Prager
Friedens) steht das deutsche Volk ein und hinter Preußen", von
der wir nur dem Nachsatz in feiner plastischen Darstellung eine , ge-
wisse Berechtigung zuerkennen.
„Wir wollen gern glauben, daß dem Grafen Bismarck „eine
enge Allianz mit Oesterreich willkommener fein würde, als die guten
Dienste, durch welche dasselbe Europa vor dem Unglück eines neuen
Kriegs zu bewahren trachte" ; mir sind ebenso überzeugt, daß der
Herr Verfasser jener Allianz-Artikel eine große Freude daran hätte,
wenn das mit seiner höchsten Zustimmung von Deutschland ausge-
schlossene Oesterreich nichtsdestoweniger, eitel aus Spmpathienpolitik,
sich hingebend zu Schutz und Trutz mit dem unter Preußens Ober-
herrschaft gebundenen Deutschland gegen Frankreich verbände. Nur
über die kleine Frage: welchen Vortheil, welchen Nutzen denn
Oesterreich von einer Verbindung unter solchen Bedingungen haben

würde? läßt uns der Herr Verfasser unbelehrt. Er muß uns aber
verzeihen, uns Oesterreichern, und insbesondere uns aus Deutsch-
land hinausgeworsenen Deutsch - Oesterreichern, wenn "ben diese
Frage für uns die allermichtigste, ja gerade die entscheidende ist.
Daß wir 1809 für „Deutschlands Unabhängigkeit und National-
ehre" gekämpft und von Preußen im Stich gelassen wurden, ist
doch — so will uns bedünken — im Jahre 1868 kein Grund,
uns zu der gleichen Aufgabe hinzudrängen, von welcher Preußen
uns 1866 förmlich ausschloß!
„Gegen Frankreich bedarf das nunmehrige Oesterreich keines
„umfassenden Defensivspstems." Frankreich bedroht uns nicht, hat
für lange Zeit nicht das entfernteste Interesse eines „Gebietsan-
griffs" gegen oas österreichische Reich. Wir müßten aber absicht-
lich täuschen, wollten wir behaupten, es könne Oesterreich genehm
sein, durch die dem König von Preußen militärisch und diploma-
tisch untergeordneten oder — nach dem Wunsche des Hrn. Ver-
fassers — noch unterzuordnenden Länder von Krakau b's Bregenz
umspannt zu werden. Wer solche Gemüthsstimmung uns ansinnt,
ist ein Jdeolog oder hält uns für Thoren. Wenigstens hat uns 1866
gründlich gelehrt, daß kein Tractat, keine völkerrechtliche, wenn auch
noch so heilig betheuerte Zusicherung uns mehr in Sicherheit wie-
gen darf; wir haben die bittere Erfahrung gemacht, daß auch
deutsche Worte keine größere Bürgschaft geben als italienische.
„Wir kümmern uns nicht mehr um was wir uns nicht küm-
mern sollen, es müßte denn geradezu uns selbst bedrohen. Verlangt
man aber sortan unsere Unterstützung, so mache man sich ein- für
allemal klar, daß wir mit dem völkerrechtlich formulirten Anrecht
an Deutschland auch unserer Verbindlichkeiten quitt und ledig wur-
den, daß wir ohne die dringendsten Ursachen uns in keinen Krieg
einlassen, und daß selbst die bloße Versuchung dazu fern bleibt,
wenn man mit reizender Naivetät nur Preußen die Vortheile,
Oesterreich aber alle Nachtheile, im Sieg wie in der Niederlage
anbietet. Das schöne Argument: es würde, es werde sich aus
einer solchen Löwengesellschaft dann später dieses oder jenes heraus-
bilden, ist ein süßer Schmeicheltrost für kleine oder Mittelstaaten,
welche gut oder übelwillig „mitthun" müssen; uns lockt es unend-
lich wenig. Der Franzose sagt: „Zu etwas ist das Unglück gut."
Nun, die Ereignisse von 1886 haben uns alle Gemüthspolitik, alle
Neigung zu Prinzipimallianzen recht gründlich ausgetrieben; wir
grollen nicht, wir tragen nicht nach; aber Realpolitiker sind wir
geworden bis ins Mark der Knochen. Das lasse man sich gesagt
sein.
„Nur eine kleine historische Bemerkung sei uns noch gestattet.

Das Sturmlicht von Haklarsholm.
Eine Strandgeschichte.
(Fortsetzung.)
Aber in das Heulen des Sturmes und das Brüllen des Meeres tönte
der Donner der Nothschüsse von irgendeinem Schiffe auf dem Riff. Der
kühnste Fischer würde sich jedoch in einer solchen Nacht nicht auf einige Stun-
den hinausgewagt Haden, geschweige denn die Leute vom Schlosse, obschon sie
vor der Heftigkeit des Sturmes die ganze Nacht kein Auge schließen konnten.
Allein als mit Tagesanbruch der Sturm sich legte und man mit dem grauen-
den Tags auf die See hinausblicken konnte, da wurden die hundert Silberthaler
winzig klein in den Augen des Barons, denn das Meer hatte ihm und den
Seiniqen ein weit werthvolleres Geschenk gemacht in Gestalt eines reichbela-
denen Kauffahrteischiffes, welches innerhalb der Grenzen seiner Herrschaft auf
dem Strande lag als völliges Wrack und dessen ganze Bemannung im Meere
untergegangen zu sein schien.
Der Herr von Haklarsholm hatte den gewöhnlichen Wortwechsel mit den
Leuten aus dem Schifferdörfchen über die Ballen und Fässer, welche das Meer
auf den Strand geworfen oder die Boote der Fischer aufgefischt hatten ; allein
er bekam wie gewöhnlich feinen vollen Antheil an den Spenden des Balten-
meeres, und von diesem Tage schien eine Fluth von Glück von dem Meere
nach dem Schlosse hereinzuströmen. Die ältesten Bewohner der Küsten Jütlands
vermochten sich keines so stürmischen Winters zu erinnern; niemals hatten so
viele mehr oder weniger reich beladene Fahrzeuge hier Schiffbruch gelitten;
allein die meisten und einträglichsten Schiffbrüche fanden an dem Riff von
Haklarsholm statt. Das Glück des Barons war ein Gegenstand der Bewun-
derung für all die Leute im Fischerdörfchen und des Neides für alle die Be-
sitzer der Güter und der Sandbänken der Küste. Man dankte zu der Zeit,
von welcher wir reden, nicht mehr öffentlich in den Kirchen Jütlands für solchen
Segen des Himmels, wie dies noch im vorigen Jahrhundert der Fall gewesen
war, aber man sah sich ebenso begierig nach solchen Spenden des Meeres um
und nahm sie ebenso rasch an, wie damals. Der Antheil an denselben, welcher

aus den Baron fiel, war in jenen: Jahre ein wirklich merkwürdiger. Amerika-
nische Schiffe, holländische und englische Kauffahrsr, russische Küstenfahrer, Ost-
und Weftindienfahrer — alle scheiterten und zerschellten an dem Riffe. Nur
sehr Wenige von der Mannschaft entkamen jedes Mal; der Ostwind, welcher
beinahe den ganzen Winter hindurch anhielt, trieb die Mehrzahl der werthvollen
Ladungen herein und es gelang dem Baron, sich derselben zu bemächtigen.
Seine Rührigkeit bei demselben Geschäft war ein Wunver für die Leute von
Haklarsholm, so genau sie auch mit der Tüchtigkeit und Umsicht ihres Grund-
herrn vertraut waren: kein Schiff lief bei Tag oder Nacht auf dein Riff auf,
dessen er nicht gewahr wurde, ehe man noch einen Nothschuß hörte over die
Nothflagge aufgehißt sah. Die Schiffbrüche machten ihn verhältnißmäßig reich,
aber das Glück der Schloßherrschast steigerte ihre Freigebigkeit nicht: der Ba-
ron überwachte noch mit ebenso scharfem Auge den letzten Rest der Beute, wie
er die vielen unglücklicheren oder unergiebigen Jahre hindurch gethan hatte,
und nahm noch unerbittlicher gestrandete Wale und angetriebene Haufen Tang
in Anspruch, that immer so wenig wie möglich für die schiffbrüchigen Seeleute,
und die Dienerschaft beklagte sich, die Baronin werde in der Haushaltung eher
mit jedem Tage knausiger.
Gegen Beginn des Frühjahrs begann ein seltsames Gerücht unter den
Thalbewohnern sich zu verbreiten ; es hieß, jedesmal wenn eine stürmische Nacht
einbreche, sehe man ein Helles, aber unsicheres Licht auf den höchsten Gipfeln
der Sandhügel sich längs der dem Meere nächsten Linie hin und herbewegen
und nie auf eine Minute stille stehen. Woher es kam, vermochte Niemand zu
sagen; kein einziger Mann hätte gewagt, jenem Lichte in den langen finstern
Winternächten über die Sandhügel zu folgen, wenn der Sturmwind von der
Ostsee her an ihren schlüpferigen Seiten hinfegte. Allein wenn man von einer
Pächterwohnung oder Fischerhütte aus jenes Licht erblickte, so falteten die
frommen Jütländer die Hände und sprachen: „Gnade Gott den Schiffen, welche
heute Nacht auf der Höhe unserer Küste sind!" und ehe es dann Mitternacht
war, konnte man schon die Nothsignale vom Riff aus hören und am Morgen
lag ein Wrack von größerem oder geringerem Werthe als gute Beute für den
Herrn von Haklarsholm drunten am Strande.
(Fortsetzung folgt.)
 
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