Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

DOI Kapitel:
Nr. 102-115 (1. September - 30. September)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43881#0418

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
408

Freilich hat Napoleon I. die Regensburger Schlacht zumeist mit
Truppen der Rheinconföderation gewonnen. Aber es soll doch auch
unvergessen bleiben, daß die vielgeschmähten Rheinbundsfürsten in
der denkwürdigen öffentlichen Verkündigung dieses Bündnisses ihr
schmerzliches Bedauern ausdrückten: damit nur „dem Vorgang
mächtigerer deutscher Reichsstände" folgen zu müssen, welche that-
sächlich die Auflösung des Reichs deutscher Nation herbeigeführt
haben. Wir bitten das Aktenstück in Wikopps Archiv des Rhei
nischen Bundes nachzulesen. Der Baseler Friede war 1806 noch
in aller Erinnerung. Jetzt müssen die Kleinen allein es verschul-
det haben."

Siiddcutschland.
* Heidelberg, 1. Sept. Die Bad. Landeszeitung hat durch
ihr vorwitziges Einmischen in die Streitigkeiten, welche in Lahr
zwischen Director Hauser und Pfarrer Werner entstanden sind und
welche die verständige Intervention des Bürgermeisters Foßler zur
Folge hatten, eine böse Schlappe erhalten. Wie wir unfern Lesern
früher mittheilten, hat Bürgermeister Foßler den beiden Kampf-
hähnen in Lahr, die die Bürgerschaft in gewaltigen Allarm setzten,
zugerufen: sie sollten bei ihrem Leisten bleiben und ihm und dem
Gemeinderath die streitige Angelegenheit zur Erledigung überlassen.
Das hat nun die alte Dams bei Macklot in Karlsruhe sehr
übel genommen, natürlich nicht des Pfarrers Werner wegen, son-
dern weil man es gewagt hat, ihrem alten Schatz Hauser Maul
halten! zuzurufen. Herr Hauser und — Maul halten! wer das
Kunststück zuwege brächte! Denn wo ist Einer im Land, der seinen
Schnabel sogeläu fig spazieren zu führen müßte, als jener hochverehrte
Herr, mit dem wir früher so manchen Strauß zu bestehen hatten?
Es ist bei Herrn Hauser die Beredtsamkeit, die man im gewöhnlichen
Leben Schwätzen nennt, die Jedem auffällt, der diesen Herrn
einmal gehört hat, und sei es auch nur in einem Cafch wie wir,
ohne gekannt zu sein, aus nächster Nähe einmal das Vergnügen
gehabt zu haben glauben. Um aber auf die Base zurückzukommen,
so ist sie, wie gesagt, wüthend auf Bürgermeister Foßler und hat
ihn wiederholt furchtbar abgekanzelt. Denn man denke sich! welche
Arroganz und Verwegenheit, einem höheren Schulmeister — deni
„Pfaffen" gegenüber ist's natürlich in der Ordnung — Schweigen
anrathen zu wollen! Dis alte Base ist so sehr bei uns an's Herr-
schen gewöhnt und so sehr im Denunciren und Terrorisiren geübt,
daß es ein unerhörtes Verbrechen wäre, ihren Warnungen kein
Gehör zu schenken. Das Couche-rufcn hat die höheren Einflüsse
so zugängliche Alte so oft schon exercirt, daß es uns angst und
bang um den armen Herrn Foßler wurde. Aber siehe da! welch'
seltenes Lebenszeichen von Unabhäng'gkeitsgefühl eines badischen
Gemeindevorstehers! Herr Foßler hat sich nicht mit dem Ange
sicht auf die Erde geworfen, sondern ist dem alten Medusenkops,
der die Bürgermeister versteinert, zum Kampfe entgegengetreten,
indem er den Gemeinderath von Lahr mit in die Schlachtlinie
hineinzog und diesen zu einer Erklärung veranlaßte, die eine scharfe
Abweisung der landesbaslichen Herrschergelüste enthält. In Lahr
ist starker Schnupftabak zu haben — und diesmal hat die Base
einen ordentlichen Prise erhalten.
-s- Aus dem Amte Wiesloch. Der Pfälzer Bote vom
Samstag den 29. v. M. sagt in Bezug auf die Kreisversammlun-
gen, dieselben seien bisher in ihrem Wirkungskreis über alle Maßen
mager und kläglich ausgefallen; es könne aber ganz anders sein,
wenn das Volk bei den Wahlen nur ganz unabhängige Männer
wähle. Was das seitherige Wirken unserer Kreisversammlung be
trifft, so sind wir mit obiger Beurtherlung vollständig einverstan-
den; doch ist dieser geringe Erfolg der Kceisversammlung nicht die
Schuld unserer erwählten Kreis-Abgeordneten. Wir erinnern uns
noch recht gut, wer Diejenigen waren, die gegen den Antrag unseres
Kreisabgeordneten Lindau stimmten, der die damals bevorstehende
Tabaksteuer als eine den Kreis nahe berührende Angelegenheit in
der Kreisversammlung behandelt wissen wollte. Jetzt ist leider
„Das Kindlein", die Tabaksteuer, geboren und Bismarck sorgt da-
für, daß es nicht mehr sterben darf, sondern lustig herauwächst.
Aber die nächsten Verhandlungen ber Kreisversammlungen
werden weniger mager aussalleu: das neue Straßengesctz stellt
recht fette Kreisumlagen in Aussicht, da es dem Staate die Unter-
haltung zahlreicher Straßen abnimmt und solche den Kreisverbän-
den zumeist. Auch zur Uebernahme weiterer Staatslaften sind ja
die Kceisverbünde wohl geeignet und dürften solche in nicht ferner
Aussicht stehen. Da gilt es freilich unabhängige Männer zu
wählen, welche die Augen offen und den Geldbeutel ihrer Wähler
möglichst zu halten. Solche Männer vertraten seither unfern Bezirk
in den Personen unserer Kreisabgeordneten Lindau von Heidelberg
und Altbürgermeister Maier von Malsch. Nein zufälliger Weise
ist die Amtsdnuer Beider nunmehr abgelauscn und sollen bereits
am 7. September d. I. die Wahlmänner in unfern Orten gewählt
werden, welche darüber zu entscheiden haben, ob Hr. Lmdau unser
Abgeordneter bleiben soll. (Herr Maier ist s. Z. von den betr.
Gemcinderäthen gewählt worben). Die Wähler mögen daher an
dem 7. September recht zahlreich erscheinen und nur solche Wahl-
männer wählen, von denen sie wissen,, daß sie unabhängig genug

sind nach oben nach Niemand fragen zu müssen, nach unten aber,
nach dem Willen des Volks, gerne fragen.
X Bruchsal, 30. Aug. Zur Verfassungsseier daher sind
wir noch eine kleine Nachlese schuldig. Bevor der intelligente
Zuchthausverwalter Bauer den Stadtrath in Betreff seiner politischen
Gesinnung in's Examen nehmen wollte, sprach nach der Eröffnungs-
rede noch Gemeinderath Hetterich zu Ehren des Staatsrathes
Nebenius, der bei dem Zustandekommen der Verfassung thätig ge-
wesen, u. der protestantische Zuchhausgeistliche Röcktoastirte auf die
Einigung des Vaterlandes. Wiewohl durch und durch national-
liberal gesinnt blieb Nöck bei der Sache stehen und machte keiner-
lei Ausfälle, wie man es sonst an den Nationalliberalen gewöhnt
ist. Rodrian, der Buchdrucker und bekannte Herausgeber des
Kraichgauboten, ließ es sich nicht nehmen, auch als Festredner auf-
zutreten. Man ist hier, so oft dieser intelligente Mann sich hören
läßt, zum Voraus darauf gefaßt, ein Kauderwälsch anhören zu
müssen, dessen Entzifferung keinem Sterblichen möglich ist. Es war
auch diesmal so. Die unübertrefflichste Kritik gab ein hiesiger
Bürger dahin ab: Rodrian habe die Schwätz-Diarrhöe bekommen.
Der Schluß des Wortgewirrcs war ein Hoch aus Schw arz-Roth-
Gold! Wir möchten doch wissen, wie diese Intelligenz mit der
schwarz-roth-goldenen Fahne im norddeutschen Bunde ausgenom-
men würde?
Endlich dürfen wir des Gemeinderathes Ziegel meier nicht
vergessen, der es nicht für gut sand, mit seinen übrigen College»
nach dem Vorfälle mit Zuchthausverwalter Bauer den Saal zu
verlassen. Ziegelmeier blieb, wahrscheinlich um jeden Verdacht von
seiner nationalliberalen Gesinnung ferne zu halten. Ec sollte für
sein Verbleiben gekrönt werden. Der Nasirer Weine spach,
eine bekannte intelligente Größe der liberalen Partei, brachte dem
Einzigen ein Hoch aus — und damit schloß die denkwürdige
Verfassungsfeier.
Wiewohl nun die Feier des Banketts durch Zuchthausver-
walter Bauer auf eine höchst bedauerliche Weise gestört, und ob-
gleich in den heftigsten Ausdrücken das Benehmen dieser national-
liberalen Partei durchweg verurtheilt wurde, so meldet doch der
Kraichgaubote, daß sämmtliche Reden „von dem Geiste der Ver-
söhnung auf Grund einer loyalen Gesinnung" getragen gewesen
seien. Und dem Gemeinderath wird huldreichst das Zeugniß er-
theilt, derselbe habe „hinlänglich Bekenntniß abgelegt, daß er
treu zu der Verfassung des Landes stehe."
. Was soll man hiezu sagen? Hat js ein ordentlicher Mann
in Bruchsal an der Verfassungstreue des Gemeinderathes gezweifelt?
Nein. Nur der nationalliberalen Partei unter der Führung Bauers
war es vorbehalten, diesen unehrlichen Zweifel in unsere städtische
Behörde zu setzen, die dadurch eine der empfindlichsten Kränkungen
erlitten hat.
Und was liegt schließlich den Nationalliberalen eigentlich an
der Verfassung? Macht heute noch Bismarck derselben durch seine
Gewaltpolitik ein Ende, — sie beugen sich ohne Widerrede und opfern
die Verfassung unterthänigst auf dem Altäre Großpreußens.
Das ist ne nationalliberale Verfassungstreue, anderer Dinge
nicht zu gedenken, deren sich die liberale Partei gegen die Ver-
fassung schuldig gemacht hat.
Aus dem Amte Ettlingen, im Aug. Der Pfälzer
Bote hat bereits mancher „liberalen Intelligenzen" aus dem Lehrer-
stande Erwähnung gethan. Wir haben auch in unserer Nähe mit
einem solchen Exempel aufzuwarten. Ohne Ort und Namen zu
nennen, wird der Betroffene wie die Gemeinde leicht aus unserer
Schilderung erkennen, wen wir meinen. Dieses Muster eines
Jugendbilvners thnt nichts lieber als über die „Pfaffen" losziehen,
Biertrinken und Cäcosp:eleu. Das Cäcospielen hat er viel bester
los als das Orgelspielen, das zum Erbarmen schlecht ist. Der-
selbe ist auch ein so vortrefflicher Familienvater, wie es deren Gott-
lob! nicht vwle gibt. Er hat schon wiederholt seine Frau zum
Haus hinausgeworfin, so daß sie wohl oder übel im Wstthshaus
über Nacht blechen mußte; er hat schon Nachts seine eigenen
Fensterscheiben hinausgeschlagen und der Frau den Kopf gebläut,
daß sich Bluffpuren auf dem Boden zeigten. Die Nachbarschaft
wurde unlängst dadurch aus der Ruhe gestört, wurde aber durch
ihre Fragen durch Entschuldigungen des Schulmeisters wieder zu
beruhigen gesucht. Das Scandalöseste ist, daß der Jugeuvveredler
die Frau sogar schon vor den Augen der Schulkurder geprügelt
hat, so daß sie die Kinder aufforderte, es zu Hause ihren Ellern
zu erzählen. Den armen Kindern in der Schule geht es aber nicht
bester. Von den vielen Fällen von Mißhandlungen, die seit mehreren
Jahren vorgekommmen sind, will ich nur einen erzählen. Am
8. d. M.'s hat der Lehrer einen 14jährigen Knaben mit beiden
Händen am Hals genommen, auf den Boden geworfen, gewürgt
und mit Füßen getreten, so daß dem Knaben Hals und Gesicht
geschwollen waren und er nur mit der größten Anstrenguna sprechen
konnte. Der Vater des Kindes beschwerte sich bei dem Octsschul
rath, kam aber mit dem Bescheid zurück, den der Lehrer selbst gab,
daß er ungezogene Kinder habe. Mag auch Letzteres der Fall
sein, so entsteht eben immer die Frage, woher die Kinder Bildung
und Ordnung lernen sollen, wenn sie beim Lehrer selbst nichts
 
Annotationen