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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 90-102 (1. August - 29. August)
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94. Dienstag den 11. August 1868.


Ein katholischer Bischof.
L Bon der Weschnitz, im Juli. Wir hatten kürzlich in
einem Pamphlet den Vorwurf gelesen: Bischof v. Ketteler von Mainz
trete bei seinen Firmungsreisen mit einem Pompe auf, und lasse
sich Ehrenbezeugungen erweisen, wie sie größer dem Landesherrn
nicht zu Theil werden könnten. Da wir erfuhren, Bischof von
Ketteler werde vom 15.-17. Juli in unserer nächsten Nähe, in
dem hessischen Dorfe Mörlenbach zur Firmung und Pfarrvisitation
verweilen, so nahmen wir uns vor, an einem dieser Tage dorthin
zu wandern, um den erwähnten Pomp und Aufzug mit anzusehen.
Am 16. Juli stiegen wir in köstlicher Morgenfrühe über die
Vorberge des Odenwalds, um nach Mörlenbach zu gelangen, das
gleichweit von Weinheim und Heppenheim in dem lieblichen Wesch-
nitzthal liegt. Bald stießen wir auf einzelne Trupps unserer badi-
scher Landsleute, die von der Bergstraße her zu Fuß und zu Wagen
gen Mörlenbach zogen, nm den „Mainzer Bischof" zu sehen und
predigen zu hören. Da wir alle gleichen Zweck und gleiche Ge-
sinnung hatten, so kam bald eine lebendige Unterhaltung in Gang,
deren Gegenstand selbstverständlich der „Mainzer Bischof" war. Je-
der der Sprecher wußte zu erzählen, wie er den Bischof in Heppen-
heim, Bensheim, in Einsiedeln predigen gehört, was er davon be-
halten und ihm am besten gefallen habe. Man sah den Leuten
die Lust an, sich darüber gegen einander das Herz ausleeren zu
können. Wer's nicht wußte, konnte es hier schon gewahr werden,
wie populär der Mainzer Bischof auch im badischen Lande sei.
Eine besonders große Freude hatten die Leute, weil sie gehört, der
Mainzer Bischof sollte nun ihr Bischof, Erzbischof von Freiburg
werden. Wir wollten den guten Leuten ihre Festfreude nicht ver-
derben, und behielten für uns, was wir anderes darüber wußten.
So gelangten wir denn unter vertraulichen und erbaulichen
Gesprächen über die hessische Gränze. So weit unser Auge reichte,
sahen wir keinen Menschen auf dem Felde arbeiten, obgleich es
Werktag, herrliches Wetter und die Ernte mittem im Gange war.
Sonnlagsstille lag auf Flur und Dorf Mörlenbach. Aber auf der
Hauptstraße thalauf und abwärts, von den Höhen und aus den
Thälern des Odenwaldes sahen wir festlich gekleidete Menschen, die
aus 13 Ortschaften in einem Umkreise von mehr als 2 Stunden
zahlreich zu ihrer Pfarrkirche zogen, um dort ihren Bischof zu be-
grüßen und die von ihm gespendeten Gnaden in Empfang zu nehmen.
Das Dorf war festlich geschmückt: Maien, Laubgewinde, Blumen
und Bilder zierten sämmtliche Straßen und Häuser. Auf den
Gasten war ein reges Leben. Jung und Alt drängte sich der Kirche
zu, die heute wohl zu klein werden dürfte um Alle aufzunehmen.
Man erzählte uns, daß der Bischof gestern Nachmittag von Abb
steinach hergekommen, von berütenen Bürgern an der Gemarkungs-
grenze adgeholt worden ser, unter Böllersalven in feierlicher Pro-
ccsfion, an der sich die ganze Gemeinde becheiligte, seinen Einzug
gehalten und im Pfarrhause seine Wohnung genommen habe. Ob-
gleich Staub und Hitze groß gewesen, sei er doch alsbald, ohne
sich eine Erholung zu gönnen, zur Kirche geeilt und don bis zum
späten Abend Beicht gesessen. Dann ser derselbe, was er auch sonst
zu thun pflege, allein durch die Fluren gewandelt, mit den Be-
gegnenden in freundlicher Rede und Gegenrede sich unterhaltend. Uns
kommt das vor als ein treffliches Mittel, auch denen Gelegenheit
zum Sprechen zu geben, die sich nicht gerade im Pfarrhause und
öffentlich zu einer Audienz melden wollen; eine Sitte, dre manchem
Landesherr» anzmmpfehlcn wäre, um die Zustande des Landes und
die Volksmeinung kennen zu lernen, statt den größten Theil des
Jahres auf Vergnügungsreisen umherzustreisen und den fteuerzahlen-
den Nährstand sich so fern als möglich vom Leibe zu hallen.
Nachdem wir uns noch das Torf besehen, und eine Zeit lang
in der Krrche verwelkt, — wo der Bischof schon am frühen Morgen
zur Beichte gesisfin und das hl. Opfer dargebracht halte, — rief
um 9 Uyr Glockngeläute zur Prozession, die von der Kirche aus
sich an das Pfarrhaus zur Abholung des Herrn Bischofs in Be-
wegung setzte. Tue BetheiÜgung an derselben war eine äußerst zahl-
reiche, wir schätzten dieselbe auf tausend Menschen, wovon übrigens
die größere Zahl gar nicht zur Entfaltung kommen konnte wegen
ver Kürze ses Wegs von der Kirche zum Pfarrhause und so längs der
Straße Spalier bildete. Von sieden Geistlichen umgeben trat der
Obcrhirt, angethan mir allen Zeichen seiner bischöflichen Würde,

unter den Baldachin, nach allen Seiten hin den bischöflichen Segen
spendend. Die äußere Erscheinung des Bischofs von Mainz ist eine
majestätische und imponirende und gemahnt unwillkürlich an jene
gewaltigen Kirchenfürsten, die einst an Seite der deutschen Kaiser
zum Schutze des Christenthums und des Vaterlandes gegen Barbarei
und Uncultur zu Felde zogen. Nicht umsonst zeigt der Bischof
von Mainz die äußere Gestalt und Haltung eines Kriegers. Seine
kriegerische Laufbahn beginnend vor den Vertretern Deutschlands in
der Paulskirche zu Frankfurt und vor den Leichen der durch Kanni-
balen gemordeten Auerswald und Lichnowsky steht er seit zwei
Jahrzehnten im Vordertreffen all' der geistigen Kämpfe, die die
katholische Kirche auch jetzt noch gegen Barbarei und Uncultur
führt. Hoch schwingt der Bischof von Mainz mit starker Hand das
Banner der streitenden Kirche Deutschlands, der in Wort und Schrift
gewandte, kühne und stets schlagfertige Gegner ihrer Feinde nach
Oben und Unten, gefürchtet und selber furchtlos, allen seinen Gegnern
überlegen, der es in überströmendem Kraftgefühl nicht verschmäht
auch mit nicht ebenbürtigen Gegnern eine Lanze zu brechen, wie mit
den geifernden Prälaten, aber allzeit mit zermalmender Wucht ab-
schüttelnd und zertretend die Feigen, tückischen Zwerge, die sich an
seine Fersen zu heften und ihn auf seinem Wege zu hindern wagten;
ein Kirchenfürst, auf den das katholische Deutschland mit Stolz
und Hoffnung blickt, und dessen Name alle die zahlreichen katholi-
schen Kämpfer electrisirt, die auf deutschem Boden gegen Rechtsver-
letzung, gesetzgeberische Willkür und Gewaltmißbrauch im Treffen
stehen. Wie schlug uns das Herz höher, als wir uns den Clerus
und das Volk Badens unter der Führung eines solchen Feldherrn
dachten; wie da der seitherige Guerillakrieg zu wohlgeordneter Stra-
tegie und Taktik übergehen würde. Wie begreiflich fanden wir,
Angesichts eines solchen Kirchenfürsten, die blasse Furcht des bösen
Gewissens, die dem deutschen Bischof, dem Träger eines der ältesten
und ruhmreichsten deutschen Namen, als Ausländer den Einzug
als Erzbischof in ein deutsches Land verwehrt, um für die Behand-
lung der Kirche vor dem Gewaltigen nicht Rede und Antwort
stehen zu müssen! Die fieberhafte Angst vor der Ruthe des
Meisters! Diese und verwandte Gedanken zogen uns durch
den Sinn, als wir die riesige Gestalt des Kirchenfürsten an uns
vorüberschreiten sahen. Es war ein prächtiger Anblick; den Bischof
umgab eine Schaar weißgekleideter Mädchen, liebliche, blühende
Gestalten im zartesten Alter, mit Kränzen und Blumen geschmückt,
sie selber liebliche Blumen, ein herrlicher, lebendiger Kranz, den
die Gemeinde um ihren Oberhirten gewunden. Voraus dem Bischof
gingen die Firmlinge beiderlei Geschlechts, etwa 100 an der Zahl,
im blühenden Alter von 14—18 Jahren, gleichfalls festlich geschmückt
mit Sträußen und Kränzen, ernsten Blickes und in andächtiger
Haltung einherziehend. Vor ihnen die Schuljugend mit ehren
Lehrern in musterhafter Ordnung uns gesitteter Haltung. Hinter
dem Bischof die Ortsvorstäude und die übrigen Gemeindeglieder
nach Geschlechtern und Lebensalter geordnet; Hochbetagte und
Krüppel, die wegen Gebrechlichkeit den Zug nicht mitmachen konnten,
bemerkten wir längs des Wegs hie und da auf den Knieen, auch
blasse abgezehrte Krankengestalten von den Ihrigen an die Fenster
gebracht; sie alle wollten ihren Bischof sehen, seinen Segen empfangen.
Es wurde uns wohl und wehe um's Herz! Wir dachten an die
Innigkeit, die Kraft und den Trost des katholischen Glaubens!
Und immer weiter ging der Zug, überwallt mit Standarten,
Fahnen und Fähnchen, die buntfarbig schillernd freudig in den
Lüften flatterten und wogten, unter herzerhebenden Gesängen, die
volltönend in die klare Luft hinausklangen, während zwischen hinein
Groß- und Kleingewehifeuer kräftige Salven donnern ließ, die von
den nahen Bergen in vielfachem Echo zurückhallten — ein fried-
l liches Bild eines kriegerischen Auszugs sinnbiloend katholische Liebe
j und katholischen Elfer zur Bestätigung ihres Glaubens, die Bereit-
schast für die gcfährdcu Kirche einzustehen, die Entschlossenheit unter
ihrer Führung auszuharren gegen die Gefahren und Stürme des
Ledens. Ueber dem ganzen Festzuge aber strahlte als schönste De-
coraUon vom blauen Himmel die herrlichste Julisonne, von der
das goldene Kreuz auf der Brust des Bischofs und der goldene
Hlrlenstab weithin in funkelndem Glanze leuchteten, während in
ihre Strahlen getaucht der Ring an der segnenden Hand zuckende.
Blitze in Kreuzesgestalt zog und die Gold und Perlen gestickte
z Mitra von einem farbenreichem Strahlenschimmer umglänzt wuroe
 
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