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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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M11.


Samstag den 25. Januar


Abg. Kiefer ergeht sich in einer national-preußischen Rede,
in welcher die preußischen Adler und ihr Flug eine große Rolle
spielen und der Particularismus eifrig verdammt wird. Die
Ueberschwänglichkeit der Rede, die vom sa chlichen Gesichtpunkte
nichts bietet, ist so groß, wie wenn etwa ein begeisterter Gymna-
siast einen Aufsatz über Leonidas und die Thermopylen schreibt.
Der Abg. Ree hat ein „Gefühl der Beklommenheit" bei
Annahme des Gesetzes, womit keinem Menschen gedient ist; aber
man höre! — er freut sich, daß das Gesetz im Jahr 1870
seine Kraft verliere. Herr Nee scheint zu meinen, daß bis dort-
hin der Friede des Paradieses unter den Völkern wohne; daß
Löwe und Lamm, Fuchs und Hahn, Bluntschli und Stolz, Bote
und Base friedlich neben einander im Schatten des Apfelbaumes

ment denn doch zu stark in den Kammern vertreten ist." Wir fra-
gen die Landesbase: muß es nicht schon weit gekommen sein, wenn
solche Dinge, die sonst nur der Pfälzer Bote zu äußern wagt, sogar
rückhaltlos von dem Kraichgauer constatirt werden, der doch sonst
nur als eines von den vielen Karlsruher Echo's seine Stimme hö-
ren läßt!
I Aus dem Amte Sinsheim, 20. Januar. (Ein wahres
Exempel, wie die Steuer so „prompt" bezahlt wird.) Vor einigen
Wochen wurde in dem Orte B. ausgeschellt: „bis zu dem und dem
Tage soll die Steuer gezahlt werden." Als jener Tag umflossen,
wurde zum zweitenmal ausgeschellt: „die rückständigen Steuern
müssen jetzt zu dem und dem Tage gezahlt sein." Als auch dieser
Termin vorüber und noch manche Steuer nicht gezahlt war,
schellte es zum drittenmal: „Wer in drei Tagen seine Steuer nicht
gezahlt hat, kommt unbedingt auf die Mahnliste." Als nach Um-
fluß dieser dreitägigen Frist hinwiederum Steuerzahler da waren,
welche nicht zahlten, kam die Ortsschelle zum viertenmal: „Werin
drei Tagen seine Steuer nicht gezahlt hat, der wird abgepsändet".
Schlußsatz: Also werden die Steuern prompt gezahlt, heißt es ja
in der Kammer, — natürlich Alles von wegen des großen Wohl-
standes.
Weil ich doch gerade bei großem Wohlstand angelangt bin, —
nämlich da auf dem Papiere —, will ich bemerken, wie vor Kur-
zem ein feister Herr in einem Eisenbahnwagen demonstriren wollte,
es sei kein Nothstand. Er sagte: Wenn auch die Spelz nicht so
gut geraden ist, so gab es doch viel Heu, Klee, viele Dickrüben
u. s. w. und eine Menge Obst; man muß eben Alles ineinander
nehmen und daraus ergiebt sich klar, daß man nicht sagen kann,
es sei Mangel und Nothstand; hat ein Kind Hunger, so gibt ihm
seine Mutter einen Apfel und damit hat es doch etwas. Als ob
ein hungriger Magen lange Zeit mit einem Apfel sich befriedigen
lasse und nicht vielmehr nach Brod verlange! Jener feiste Herr
scheint dann erst an Nothstand glauben zu wollen, wenn einmal
die Leute am Verhungern sind — oder entstammt er dem Affen-
geschlecht, weil er durch Aepfel den Hunger stillen will?
„Der Affe gar possirlich ist,
Zumal wenn er am Apfel frißt." —
Auch von einem Selbstmorde muß ich berichten. Ein Mann,
welcher schon dreimal es versucht hatte, durch Erhängen sich aus
«der Welt Zu schaffen, der aber jedesmal wieder zu der rechten Zeit

wählen auch gar keine Lebenszeichen des Volkes zu verspüren sei
und daß noch nicht einmal in den Aemtern Breisach, Staufen,
Müllheim und Lörrrach Vorbesprechungen stattgefuuden Hütten.
Ganz naiv fügt sie bei: „Die Beamten können hier die Initiative
nicht wohl ergreifen". Da liegt ja aber gerade der Haas im Pfef¬
fer ; denn ohne die Beamten wird sich das Volk den Kuckuck um die
zahllosen Wühlereien scheeren. Das Wahlmachen mußte ja doch
der Base bekannt sein und nicht minder, was die Beamten dabei für,
eine Rolle spielen; was wundert sie sich also, daß in jenem Wahl-Berichterstatter Lamey — beschäftigt seit gestern lebhaft' unsere
bezirk sich die Leute nichts nur das Wählen kümmern, sintemalen die - zweite Kammer.
Beamten dort sich nicht einmengen? Wir wollen der Base etwas! Zunächst spricht sich Moll eingehend für die zweijährige
sagen: Baden ist total verbüreankratisirt, und wenn sie's uns-Präsenz und gegen die zu hohe Kriegsstärke aus, während General
nicht glaubt, wollen wir einen Andern sprechen lassen. Alan höre;Ludwig die Anforderungen der Negierung zu rechtfertigen sucht,
und staune, — selbst dem gehorsamen Kraichgauboten wird jetzt das > Abg. Roßhirt: Die Militärconferenzen hätten" 2 Proc.
Büreaukratenwesen zu bunt! Ganz ärgerlich schreibt dieser Amtshe-Rmr für wünschenswerth, nicht für nothwendig' erklärt. Ein
rold heute: „Im Volke macht es keinen guten Eindruck, daß ihm;Ne ch tsgründ, wie auch der Bericht zugebe, sei für die Er-
auch bei dieser Gelegenheit Beamte octroyirt werden sollen, zumal Höhung der Militärkraft in dem Allianzvertrag nicht zu finden,
solche aus den Ministeriett und dem Fntünz- und Handelsministeriunl^ --- - .... . .. --
selbst. Letztere namentlich haben sicheren Platz im Zollbundesrath,
aber nimmermehr im Parlamente selbst. Ueberhaupt wenn man im¬
mer so viel vom Selfgovernement oder der Selbstverwaltung des
Volkes spricht, so sollte es vor allen Dingen auch auf unabhängige
Männer aus seinen eigenen Kreisen sehen und nicht seine Vertret¬
ung mit Ministerial- und anderen Rüthen und Beamten jeder Classe
besetzen. Es nimmt sich ohnehin auch gar komisch aus, wenn diese
etwa einmal Opposition gegen ihre Vorgesetzte machen sollen; als
Jaherrn und Werkzeuge der Ministerien schickt man sie aber doch
nicht zugleich zur Controle derselben in die Kammer. Vaden hat
immer sich im constitutionellen Leben ausgezeichnet; in diesem Punkte
ist aber eher ein Rückschritt zu bemerken, da das ministerielle Ele-

Süddeutschland.
* Heidelberg, 22. Jan. In der diplomatischen Welt ist
man darüber einig, daß die orientalische Frage weit gefährlichere
Klippen darbietet, an welchen der Friede der Welt scheitern kann,
als die deutschen und italienischen Angelegenheiten. Von Ru߬
land hängt daher gegenwärtig die Ruhe Europa's in weit höherem
Grade ob als von den übrigen großen Militärstaaten. Es ist
augenscheinlich, daß Rußland und Preußen in sehr freundschaft¬
lichen Beziehungen zu einander stehen, indem beide Reiche gegen¬
wärtig vielfach verwandte Interessen haben. Immerhin aber ist
eine förmliche Allianz zwischen beiden noch nicht zu Stande ge¬
kommen, — sie scheiterte vornämlich an der legrtimistischen Partei
des Petersburger Hofes, welche mit Abscheu die Entthronung der
Rußland verwandten deutschen Fürsten betrachtet. Wäre die
Allianz in bindender Weise erfolgt, wie sie in Berlin und Peters¬
burg von einer beträchtlichen Anzahl von Staatsmännern betrie¬
ben wurde, so hätte Preußen in der Luxemburger Frage nicht
nachgegeben und Rußland hätte der Pforte bereits den Krieg er¬
klärt. Was die orientalische Frage insbesondere betrifft, so stehen
sich in Petersburg zwei Parteien am Throne des Kaisers schroff
gegenüber. Die Militürpartei, die laut deu Krieg verlangt und
den jetzigen Zeitpunkt der Gähruug aller slavischen Völkerschaften
des osmanischen Reiches als günstig betrachtet, und die Partei
des Reichskanzlers Fürsten Gortschakoff, welche die orientalische
Frucht noch nicht für reif erklärt und inzwischen in friedlicher
Weise die großen noch unbenützt daliegendeu Hülfsquellen Rußlands
erschließen möchte. Letztere Partei hat einen besonders starken
Halt an dem Lieblinge des Kaisers, dem Poiizeiminister Grafen
Schuwaloff. Inzwischen gibt sich Oesterreich, das des Friedens
jetzt nicht entbehren kann, alle erdenkliche Mühe, durch Vermitte¬
lung nach allen Seiten hin den Frieden der Wclr aufrecht zu er¬
halten; es sucht namentlich in Verbindung mit Frankreich Preu¬
ßen von dem Vorhaben einer russischen Allianz völlig abzubringeu,
ja es im Hinweis auf die Mich für Preußen später gefährlich
werdende russische Uebermacht den Westmächten in die Arme
zu treiben, so daß eine Quadrupelallianz dem Vordingeu der rufst
schen Macht nach dem Bosporos unübersteigliche Schranken ziehen
solle. In solcher Weise ist die Diplomatie an allen Höfen gegen¬
wärtig geschäftig, während die großartigsten Rüstungen, die je die
Welt gesehen, ihren ungehinderten Gang weiter geheu.
* Heidelberg, 23. Jan. Die Landesbase klagt heute in einem > abgeschuitten wurde — hat endlich beim vierten Versucht deu^ge-
Artikel vom Oberrhein, daß im 4. Bezirk für die Zollparlaments-; wünschten Tod gefunden. Als er nämlich an seinem letzten Tag
wablen auck aar keine Lebenszeichen des Volkes zu versvüren sei; etwas lange ausblieb, regte sich bei seinen Angehörigen der Ver-
> dacht, er möge sein böses Vorhaben ausgeführt haben. Nach kurzem
! Suchen fand der Sohn des Unglücklichen die Schuhe des Vaters
mn der Scheune stehen und den Vater selbst ganz oben auf dem
! Heuboden erhängt. Schrecklich und grauenhaft! Uebermäßige
! Gottesfurcht und Gottvertrauen soll nicht die Ursache dieses Selbst-
: mordes gewesen sein. —
"Karlsruhe, 21. Jan. Das Cou ti ugents gesetz —
 
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