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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 27-39 (2.März - 30. März)
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* Mitbürger am Mairr und der Tauber!
Hört, wie die servile Partei Euch und den von Euch gewähl-
len Abgeordneten, unsem im ganzen Lande hochgefeierten Jakob
Lindau mißhandelt und richtet Euch darnach an der Wahlurne!
Die Bad. Landeszeitung, deren nähere Beziehungen sattsam bekannt
r sind, schimpft in ihrer Sonntagsnummer vom 1. März in einem
h Redaktionsartikel von Karlsruhe die Wähler des 14. Wahlbezirks
si eine Stimmheerde, also Vieh, Stimmvieh werdet Ihr ge-
tz nannt! Ja, es wird geradezu die servile Partei aufgefordert, in die
L Versammlungen einzudringen, welche jetzt bei Euch stattfinden wer-
den, und dem Abg. Lindau das „Quartier gründlich aufzu-
schlagen. Versteht Ihr, was das heißen soll, Mitbürger?! Seht
Ihr wie man Euch behandelt? Stimmvieh nennt man Euch, —
ja Stimmvieh müßten Alle sein, die den Candidaten der Landes-
zeitung wählen, von der sie sich Stimmvieh nennen lassen müssen!
Mitbürger, — der Schimpf ist ungeheuer!!

An meine Wähler des XIV. Wahlbezirks;
üj Durch die geheime direkte Abstimmung, welche zum ersten Male
am 18. Februar d. I. bei uns zur Anwendung gebracht werden
H durfte, habt Ihr mir mit einer großartigen Majorität Euer Ver-
trauen ausgesprochen. .Ich sage Euch von ganzem Herzen meinen
innigsten Dank dafür. Es soll mir dies eine neue Aufmunterung
sein, fest und entschieden auf den: betretenen Wege fortzuschreiten und
L nicht zu ruhen, bis unsere höchsten Güter, nämlich die nationale Ent-
ch Wicklung auf freiheitlicher Grundlage, die Selbstverwaltung des Volks,
gl. die religiöse Freiheit, der consessiouelle Friede und die finanzielle Er-
r> leichterung errungen und dauernd festgestellt sind.
U Da nun auch der VIII. Wahlbezirk (Rastatt, Baden, Bühl)
ii: mich mit sehr bedeutender Majorität zu seiuem Vertreter in das
Zollparlament gewählt hat, so befinde ich mich, wie Ihr mit mir
-e fühlet, in einer peinvollen Lage. Ich möchte das nur geschenkte Ver-
trauen gerne beiden Bezirken gegenüber durch Annahme der Wahl
ehren, allein ich darf nur in einem derselben annehmen. Nach reif-
licher Erwägung aller Verhältnisse habe ich geglaubt, mich für den
'VIII. Bezirk entscheiden zu sollen. Ihr werdet mir gewiß erlassen,
alle die Gründe einzeln zu erörtern, welche mich zu diesem Ent-
w schlusse führten. Nur die Versicherung möchte ich Euch geben, daß
° es ein Beweis des größten Vertrauens in Euren Charak-
ter, Eure Festigkeit, Euren Mannesmuth und Eure Ueber-
r' zeugung ist, wenn ich durch Annahme der Wahl für den Bezirk
I Baden-Rastatt Euch die Mühe einer nochmaligen Abstimmung auf-
s bürde.
Ihr werdet meine Ablehnung gewiß nicht als Geringschätzung
Eures Bezirks betrachten! Ich bleibe vor wie nach als Abgeordne-
s«: ter der Aemter Wertheim-Walldürn in der Lage, in der II. Kammer
- Eure Interessen in unserem engeren Heimathslande zu wahren und
werde fortfahren, wie ich begonnen, meine ganze Thätigkeit dem Wohle
'^des Volkes zu widmen, fei es in Carlsruhe oder in Berlin.
Mitbürger! Ihr stehet nun vor einer Nachwahl! Ich weiß,
daß Ihr meinen Rath nicht verschmähet, und daß Ihr nur vertraut,
ß wenn ich Euch vorschlage, einem Manne Eure Stimme zu geben,
der seit Jahren unermüdlich und fest nur zur Seite steht, in den:
"heißen Kampfe für Eure Rechte, der es wohlmeint mit den: Volke,
unbekümmert um Haß, Denuneiation und Verleumdung.
«k In diesem Vertrauen, werthe Mitbürger, eile ich in Eure Mitte,
h indem ich Euch als meinen Ersatzmann vorstelle: Herrn vr. Fer-
fi dinand Vissing junior in Heidelberg.
L Gebt ihm cinmüthig Eure Stimme, Keiner unterlasse seine Pflicht,
am Wahltage an der Urne zu erscheinen. Geht Gott vertrauend
"zum neuen Kampfe, er bringt nicht „Opfer", wohl aber Sieg.
Folget meinem Rathe! Ihr werdet ihn nicht zu bereuen haben!
' Mir aber bewahret auch fernerhin eine aufrichtige Zuneigung, —
mein Herz wird stets für Euch schlagen!
Heidelberg, 1. März 1868.
Jakob Lindau.

* Die Hochbefähigten der Landesbase.
Es ist doch eine wundersam aufgeblähte Sippe, diese Partei
der Servilen. Selbst nach der ärgsten Niederlage gibt sie den-
selben Pfauenschritt nicht auf, den sie in der Blüthenzeit der unver-
gleichlichen neuen Aera einzuhalten pflegte. „Dem Ultramontanis-
mus steht nicht eine einzige bedeutende Befähigung zur Verfügung,
nicht ein einziger Mann ist da, den man selbst, wenn man wollte,
zum Minister nehmen könnte". Also die alte Landesbase. Was
bleibt sonach übrig: Die Hochbefähigten müssen beibehalten werden.
Doch welche Ironie des Schicksals: die Herren der neuen Aera
sind zum alten Eisen geworfen, neue Befähigte erstanden. Wenn
dies mit den „Befähigten" so fort geht, so könnte das Volk es auch ein-
mal mit „Unbefähigten" versuchen. Habt Ihr denn durch den gestörten
Frieden in Baden und durch all die verunglückten Experimente seit
der neuen Aera nicht deutlich genug bewiesen, wie Eure Geister
auf dem Papier so groß, in der Wirklichkeit aber so winzig klein
waren? Da die Katholiken gerade das Gegentheil von Euch sind,
und es verschmähen, erkaufte Tinte zu verwenden, um die gewal-
tige Geister hervorzuzaubern, so sind ihre Männer wohl noch auf
dem Papier klein, aber sie werden in der Wirklichkeit sicherlich
Eurer Größe nicht nachstehen. Ihre Größe wird sich vor allem
in Charakterfestigkeit, in Reinheit der Gesinnung bewähren.
Doch laßt uns, Ihr so vornehm thuenden Helden des Schreib-
zeugs, Eure seitherigen Minister die Revue passiren, ob und wie
ihre? Befähigung bei Uebernahme der Ministerstellen vorhan-
den war.
Beginnen wir, wie dies Brauch ist in officieller Rangordnung,
mit dem Ministerium des Auswärtigen. Herr Stabel hatte bei
Begründung der neuen Aera dieses Ministerium mit prachtvoller
Dienstwohnung und 4000 fl. Nepräsentationsgeldern provisorisch
übernommen. Die Hand aufs Herz gelegt, zeigte er nicht dieselbe
Befähigung in der Verwaltung dieses Postens gerade so wie in
seinen Styl- und Sprachproben in der französischen Sprache? —
Hierauf folgte v. Roggenbach. Wer war derselbe vorher? Kurze
Zeit ein mit baroken Ideen hehafteter Gesandtschaftssecretär, dann
gothaischer Eominis vo^aZsur, dessen Geschäftsfreunde an gewissen
Höfen, an einer gewissen Universitätsstadt und in einer großen
Anzahl gothaischer Blätter keinesfalls geeignet waren, seine Be-
fähigung auszusprechen, dessen magnetische Kuren ihn noch lange
nicht zum Volksheilkünstler vereigenschafteten. — Sodann trat
v. Edelsheim ein, ein Mann, der nur in den letzten Jahren
als Gesandter einige Routine sich erworben hatte. — Und nun
verehren wir in Herrn v. Freydorf einen Minister, dessen vor-
herige Amtstätigkeit, da er lediglich der juristischen Branche ange-
hörte, wie seine ganze innere Natur wahrlich kein Fürwort dafür
einlegen, ihn au die Spitze des Ministeriums des Aeußern zu
stellen.
Wir gelangen nunmehr zu dem Ministerium des Innern.
August Lamey's Name taucht hervor, — jenes Mannes, der
nur als Richter, als Advokat und als Professor vorher in ange-
nehmer Muse lebte, und wenn er auch von Staatsrath Bekk sich
das Versprechen geben ließ, nach Beendigung des Landtags von
1849 als Miuisterialrath in das Ministerium des Innern einzu-
treten, gleichwohl ein Ironao novi88iinu8 (ein vollständiger Rekrut)
war, als er im Jahr 1860 die Zügel ergriff. Wir haben uns
allzu oft und lange mit diesem Herrn beschäftigt, daher eilen wir
zu seinem Nachfolger. Wenn wir auch anerkennen, daß Herr
Jolly durch Fleiß und Talent zu ersetzen strebte, was ihm an
praktischer Befähigung mangelte, so zeigte doch der Mangel an
Personalkenntniß, daß ern kronisches Uebel nicht leicht zu hei-
len ist.
Ueber die Besetzung des Justizministeriums können wir uns
kurz fassen. War es doch seit 1860 eine alleinige Domäne des
Herrn Stabel, und wenn wir auch zugeben, daß eine tüchtige
juristische Kraft leitete, so erblicken wir doch in der kostspieligen
Gerichtsorganisaüon den Beweis, daß selbst vielerfahrene Leute,
wenn sie eine Organisation nur vom Standpunkt des Fachmanns
betrachten, statt auf eine volksthümliche Vereinfachung Bedacht zu
nehmen, mir ihrem Werke in die Brüche fallen.
Wenden wir uns zum Handelsministermm, dem Aerakinde.
Da lag es in der Natur der Dinge, daß der erste Leiter keine
 
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