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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 27-39 (2.März - 30. März)
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L. „Das Volk hat gesprochen!"
Das Volk hat gesprochen und eine Antwort gegeben
auf jene hämische gegen Lindau gemachte Bemerkung, die Katho-
liken Badens hatten dafür sorgen sollen, doch einige Abgeordnete
in die Kammer zu bringen, mit Einem sich stets herumzu-
schlagen sei zu langweilig. Die Antwort ist erfolgt, erfolgt vom
Volke, das man seit 8 Jahren von Seiten der Gothaer als eine
helotische Masse zu betrachten gewohnt ist. Freilich wenn
dieser schale, charakter- und inhaltslose badische Liberalismus des
Volkes bedurfte zu seinen Zwecken, den „nationalliberalen", (daß
Gott erbarm'! welch' ein Hohn auf das schöne Wort!), dann be-
gann das Hätscheln- des „gebildeten und aufgeklärten" Volkes,
das aber im nächsten Augenblicke wieder nur mehr als „Stimm-
vieh" zählte.
Ja das wahre Volk hat ein Gottesgericht abgehalten und
den zerbrochenen Stab dem Servilismus vor die Füße geworfen,
ob er zwar, wie die fliehenden Garibaloiner nach Mentana, sich
selber den Sieg zuschreibt, wie gestern noch die Karlsruher Blätter
(I März) und selbstverständlich der Kraichgauer in wunderbarer
Stupidität.
Das Volk hat gesprochen — Herr Lamep, liberaler
„Stiftungsverdunster", dessen eigene „Stiftung" freilich selber am
Verdunsten ist und den „Zeiteinflüssen" kaum 8 Jahren wider-
stehen konnte; der mit pöbelhaften Witzen und im „Neunschoppen-
Ion" glaubte über die gerechten Vorstellungen und Beschwerden
der Katholiken hinweggehen zu dürfen. Die Thatsachen stehen
uns noch zu lebendig im Gedächtniß, Herr Lamey. Denken Sie
nur ein wenig zurück an die letzte Sessionsperiode und an die
v. Audlaw'sche Motion vom März 18C6. Doch sie sind vorüber die
schönen Tage — der Gimpelzeit! Das Volk hat gesprochen
— Herr Kiefer, hochcorhurnter Fortschrittsritter eonrrno il taut,
der Sie in zu großem Eifer und geblendet vom „Nordlicht" ver-
gaßen, daß katholische Steuerzahler, kath. Bürger, kathol. Unter
thanen und Männer im freien Lande Baden wohnen, die es end-
lich satt sind nicht blos ihr Geld, sondern so zu sagen ihr Ge
wissen (nicht das öffentliche), ihre christlich religiöse Ueberzeugung,
ihr Rechtsgefühl wegwerfen zu sollen, weil es reigenfübrende Ad-
vocaten so verlangen. Das Volk hat gesprochen — Herr
Eckhard — civilehelichen Angedenkens, der Sie so sehr allen
Rechtssinn verloren, daß Sie mit Gewalt das christl. Volk zu
einer scheußlichen Staatsehe zwingen wollen. Oder ist es kein
Zwang, dem Volke eine solche Unehe vordictiren, von der es doch
nichts wissen will? Und weiter ist es kein Zwang, das Volk in
einen politischen Verband hineintreiben, von welchem es dermalen
gleichfalls nichts wissen will? Ist es kein Zwang, dem Volke eine
Schule aufzunöthigen, von der es nichts wissen will? Ist es nicht
ein großes Unrecht an den Stiftungen zu rütteln und so den
b^bn Willen, der stets heilig galt, mit schmählichen, freilich libe-
ralen PhraMl umstoßen zu wollen? Die Tobten reiten schnell, ihr
Herren! 8 Jahre bitterer Erfahrungen liegen hinter uns, welche
Zwiespalt in's Land, Zwiespalt in die Gemeinden, Zwiespalt selbst
rn die Wohnungen und in die Gemüthern trugen und das Volk
weiß, wem es das alles zu danken hat. Das Volk hat ge-
sprochen — machet euch, ihr Herren, seine Antwort zum Gegen-
stande einläßlicher Meditation; sie enthält übergenug gewichtigen Stoff
zum Nachdenken. Namentlich dürfte es auch gennssin Protestanten
nichts schaden, darüber zu meditiren, auf welcher Seite Toleranz
und wo der Fanatismus diesmal war, ob auf Seite der wirklichen Ka
tho iken, die einem Protest. Pfarrer und einem Protest. Laien (von
Goler) ihre Stimmen gaben, (wodurch sie den Protestanten
zwar nicht die Hälse, wohl aber den Verleumdern die Lügen-
und den Einfältigen, welche die Aufschneidereien und
Schneidereien glaubten, die Eselsohren abgeschnitten haben),
Xs^^^b der Protestanten? Vergl. Wahlbezirk VIII und
O Urbrigen den „nationalliberalen" Zeitungen zu dem
^uchlrop, daß sie trotzdem gesiegt, von einem „Antinationalen"
auch den noch:
Es kann ja nicht immer so bleiben
Hier unter dem wechselnden Mond!

Die Wahlen im Brurheim
Der Kraichgauer führt sich zur Zeit auf, wie das Kindlein
im Dreck. Man lese doch die Nummern unseres ehedem so sieges-
gewissen Amtsverkündigers, die er kurz vor der Zollparlamentswahl
vom Stapel gelassen hat, mit den markschreierischen Ankündigungen
der Wählerversammlungen zur Fortuna, mit den Reden eines
Bluntschli und Kölle, mit der übermüthigen Behauptung, die Wahl
des Bauquier Kölle sei in Bruchsal vollständig gesichert u. s. f.
und man wird sich die nunmehrige Lage des so schmählich verun-
glückten Mannes am besten ausmalen können. Nun stampft der
edle Ritter wie ein böses Kind, schimpft auf Allerlei, ohne in
senem zornigen Müthlein Zu bemerken, daß er sich mit seinem
eigenen Koth beschmutzt. Vom Landgraben her läßt er sich Artikel
schreiben, wahrscheinlich weil die Bruchsaler Korrespondenten die
Köpfe verloren haben und will nun Rache nehmen wegen der so
schwer empfindlichen Niederlage. Und an wen wagt sich da der
Ritter vom Kraichgau? Man lese und staune! Unser Amtsver-
kündiger ergreift die Amtsschelle und schreit: Ihr Herren Beamten,
Ihr hättet Euch bei der Wahl besser rühren sollen, Ihr seid Schuld,
daß wir unterlegen sind. Alles hatten wir ja in bester Oronung,
die Wahl des Banquiers war im Kraichgauboten und in der
Karlsruher Zeitung vollkommen gesichert und nach so enthusiastischen
Wählerversammlungen wie die Unsrigen zu Bruchsal in der For-
tuna, auf der selbst ein Rechnungsrath das Präsidium führte,
konnte die Wahl unmöglich anders als ministeriell ausfallen, wenn
nur Ihr Amtmänner Euere Schuldigkeit gethan hättet!" Ja, ja,
liberale Männchen, man hätte den Polizeiknüppel schwingen, den
freien Wählern ein paar Tage Hungerkost dietiren und die Zwangs-
jacke anziehen, sie mit Zuchtmeistern an die Wahlurne treiben sollen,
und dann wäre ungefähr die Wahl nach gothaischem Geschmack
ausgefallen oder gesichert gewesen, wie ein Rechnuugsrath pünktlich
vorgerechnet hat. — Habet Ihr, Herren Beamten, wirklich Euere
Schuldigkeit nicht gethan? Habet Ihr nicht Ministerialräthe, Kreis-
gerichtsdirectoren, Oberbürgermeister, Advokaten und Gott weiß was
für „Größen" von Karlsruhe hierher kommen lassen? Wurde nicht
Versammlung auf Versammlung, Rede auf Rede gehalten, die Be-
zirksräthe und Bürgermeister und selbst die Hebamme citirt?
Habet Ihr nicht das ganze Heer von Assessoren, Revisoren, Regi-
stratoren, Revidenten, Expeditoren, Assistenten, Praktikanten, Ge-
hilfen und Diener, Briefträger und Bahnwärter, Aufseher nnd
Werkmeister, Polizeidiener und Gensdarmen zur Wahl des Herrn
Kölle losgelassen? Mußten nicht als Hilfscorps die Militärs zum
Wahlkampf mit Köllezetteln ausrücken? Ließet Ihr niche Frhrn.
v. Göler als einen Mann schildern, der die Leute schon in's Zucht-
haus gebracht habe und der nichts Besseres im Schilde führe, als
Zehnten und Frohnden wieder einzuführen? Habet Ihr ihn nicht bei
den Katholiken als Pietisten und bei den Protestanten als Freund
der Ultramontanen angeklagt? Seid Ihr nicht wie ein Mann:
die Herren Directoren und Vorstände, die geheimen und nicht ge-
heimen Räthe, die Professoren und die Schulmeister, die Medicinal-
und Rechuungsräthe an die Wahlurne mit den servilen Stimm-
zetteln gekommen? Und da kommt nun ein Residenzler und will
Euch in Euerem eigenen Amtsverküudiger verdächtigen. Ihr bättet
Euch besser wehren können. — Abscheulich! Oder sollte die Ge-
schichte des Landgraben-Correspondenten etwa nur purer Schwindel
oder gar eine Jntrigue, eine Denunciation sein? — Wenn es nicht
so entsetzlich dumm angegriffen wäre, könnte man allerdings auf
einen solchen Gedanken kommen. Wir sind ja in Bruchsal an der-
lei Dinge gewöhnt. — Doch fort, fort mit solchem Unrath und
Schlamm, den der Kraichgauer aus dem Landgraben geschöpft haben
will und zurück zur Sache selbst!
Die Wahlschlacht ist geschlagen, jetzt folgt die Abrechnung.
Im Wahlkreis Karlsruhe Bruchsal hat die Stadt und das Amts-
gericht Bruchsal den Sieg über die Residenz davon getragen. Da-
rüber ist auf der einen Seite großer Jubel, auf der anderen Seite
nicht gering-r Verdruß. Die Landgemeinden wählten mit einer an
Einstimmigkeit grenzenden Mehrheit den Candivaten der Oppositions-
partei. Eine Ausnahme machten die Protestanten zu Heidelsheim,
zu Ober- und Unteröwisheim, welche nicht über sich gewinnen
konnten mit den Katholiken zu gehen, während die Bürger rein
katholischer Gemeinden ihre religiöse Toleranz am schönsten dadurch
 
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