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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 27-39 (2.März - 30. März)
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bewiesen, daß sie sich weder durch Lift noch durch Gewalt beirren
oder einschüchtern ließen, einem Protestanten ihre Stimmen zu
geben. Nur in Forst und Ubstadt hätte noch besser gewählt wer-
den dürfen. Hoffentlich wird diese Scharte das nächste Mal gründ-
lich ausgewctzt. lieber die Wahl in Forst wundern wir uns
zwar weniger, weil wir nur zu gut wissen, daß es dort viele von
den hiesigen Juden abhängige Leute gibt und in fast unsinniger
Weise die Wahl beeinträchtiget wurde. Einem Wahlcommiffär soll
durch die angehörten Reden in der Fortuna der Kopf so verrum-
pelt worden fein, daß er fest behaupten wollte, die Herren hätten
gesagt, es dürften nur Köllezettel angenommen und jeder andere
müsse als ungültig zurückgewiesen werden. Ein aufgeklärter Fort-
fchnttsmann! Dagegen hat uns das Wahlergebniß in Ubstadt
ein wenig überrascht, zumal dieser Ort auf Solidität und guten
katholischen Ruf Anspruch macht. Gibt es denn „Preußen" in
Ubstadt? Oder steht gar eine Bürgermeistersmahl bevor? Merket
Euch diese Leutchen, katholische Bürger, wenn's wieder Wahlen gibt!
Glänzend sind die Wahlen in den großen Gemeinden Odenheim,
Mingolsheim, Zeuthern, Stettfeld und Weiher ausgefallen. Selbst
in Langenbrücken blieben die Gegner trotz aller Bemühungen des
protestantischen Apothekers weit unter 99. Karlsdorf wählte den
Geldhändler Kölle mit einer Stimme. Darum Ehre den wackeren
Männern von Karlsdorf und ebenso den braven Wählern von
Neuthardt, Büchenau, Neuenbürg, Ober- und Untergrombach!
In der Stadt selbst fielen auf Banquier Kölle 475, auf Frhrn.
v. Göler 743 Stimmen. Die Juden, welche bis zum letzten Manne
den Geldhändler wählten, lieferten zwei Drittel, die Beamten und
Angestellten mit einem halben Dutzend abgemässerter katholischer
Bürger das letzte Drittel der gegnerischen Wähler. Das Gros der
Bürgerschaft, katholischer nnd protestantischer Confession, wählten
mannhaft und einmülhig Frhrn. v. Göler. Der Sieg der Oppo-
sitionspartei war für gewisse Herren ein höchst niederfchlagender
und kaum konnten sie sich bei der gewohnten Sicherheit und Ueber-
müthigkeil über das Ergcbniß beruhigen. Doch tröstete man sich
zunächst damit, daß Banquier Kölle in Folge der Ueberlegenheit
der Residenz unbedingt aus der Wahlurne als Sieger hervorgehen
müsse. Kaum konnte man deßhalb den Telegraphen erwarten,
welcher die gewünschte Siegesnachricht bringen sollte. Endlich sprach's
der Telegraph und sieh' da auch dieser Sieg ist zu Wasser ge
worden. Umstonst waren tue Vorkehrungen, welche den Sieg der
Bruchsaler vernichten sollten, und diesmal zog ein kleines Häuflein
heilsam gedemüthigt mit abgesägten Hosen vom Schauplatz ab.
Großmüthig verharrten die Wähler des Frhrn. von Göler in
musterhafter Ruhe und verschmähten jene häßliche Ostentation,
welche man hier bei Wahlsiegen in Scene zu setzten liebt. Groß
aber ist der Groll unserer Gegner, so groß, daß wir nichts dazu
beitragen möchten, ihn noch um ein Weniges zu steigern, denn
sonst könnten ob dem Aerger gewisse schwächliche und leidende Na-
turen noch Schaden nehmen und für solche Exemplare von „Libe-
ralen" wäre es doch Jammerschade. Eines aber könnten die Ser-
vilen und Büreaukraten sich merken. Hänget doch Eueren söge
nannten Bürgerverein zur Fortuna an den Nagel! Blamage wäre
es jetzt wahrlich genug. Jedenfalls werden die von Karlsruhe her
gekommenen Herren, denen Ihr gesagt hattet, die ganze Bürgerschaft
stände hinter Euch, für die Zukunft sich wohl besinnen, Eueren
Einladungen zu folgen, denn nur zu empfindlich mußten sie erfahren,
daß ein Nechnungsrath und ein Rathschreiber noch lange nicht die
Bürgerschaft einer Stadt sind. Endlich fingirt in tölpelhafter
Weise der Pseudo-Nesidenzler im Kraichgauer, wir hätten in unserem
Wahlbezirke eine zweite Wahl zu gewärtigen. Gründe weiß er für
seine Flausen keine anzugeben. Auch hier haben Sie sich verrechnet,
edler Ritter vom Kraichguu. Es hilft da Alles nichts mehr. Die
Würfel sind gefallen. Es ist und bleibt gewählt, das wissen Sie
so gut wie nur: Frhr. Ern st A ug. G ö le r von Ravensburg
zu Sulzfeld. Darum Victoria! Der große Goliaty ist gefallen,
das kleine Häuflein Hut den Sieg!

Süddeutschlaud.
2) Heidelberg, 5. Mürz. In dem Regierungsblatt Nr. 13
(die Zahl ist keine glückliche) wird die Anordnung einer Zollpar-
lamentswahl auf Mittwoch den 18. für den 14. Wahlkreis ausge-
schrreben, nachdem, wie es herßt, der dort gewählte Abgeordnete
die Wahl abgelehnt habe.
Wäre es nicht deutlicher und vielleicht auch anständiger ge
wesen, wenn die Bekanntmachung besagte, der dort gewählte Herr
Kaufmann Jakob Lindau habe die Wahl abgelehnt?
Der Wahltermin ist sehr in die Länge gezogen. Uebrigens
zweifeln wir nicht, daß die Wähler, wenn auch die Feldgeschäfte
bereits bis dortin im Gange sind, einige Stunden ihr Geschäft ver-
lassen und ihre WählerpfUcht erfüllen werden. Also aufgepaßt,
wenn Mittwoch der 18. März herankommt!
* Heidelberg, 5. März. Blinde Wuth macht dumm, das
ist eine allbekannte Thatsache und jetzt ganz besonders aus die
Landesbase anwendbar. Sw schwatzt das ungereimteste Zeug über
Lindau, so z. B. versteigt sie sich rm höheren Blödsinn sogar so
weit, daß sie meint, wenn Lindau nur erst einmal in Berlin wäre,

würde er den „Schwarzen" untreu werden. Kann es denn etwas
Dümmeres geben, alte Base? Aber noch mehr. Sie ist auch fuchs-
teufelswild über den Pfälzer Boten, über welchen sie sich zur Er-
heiterung unserer Leser also ausdrückt:
„Es muß jeden rechtschaffenen, ehrenhaften Mann im Inner-
sten tief („sitttlich") entrüsten, wenn der Pfälzer Bote in seiner
Hausknechtsmanier verdiente Männer, welche die höchsten Staats-
stellen bekleideten und noch einnehmen, und die nicht nar in Baden,
sondern auch im übrigen deutschen Vaterland einen gefeierten Namen
sich erworben haben, angreift und besudelt. Wir wollen sehen, wie
lange diese verwerfliche Wühlerei noch geduldet wird. Wer wlche
Männer beschimpft, der beschimpft auch Den, der sie zu diesen
Stellen berufen hat. Darum sollten Alle, denen das Wohl unseres
Vaterlandes am Herzen liegt, zusammenstehen und diesem schlechten
Treiben ein Ende machen".
Also der Pfälzer Bote besitzt eine „Hausknechtsmanier", und
zwar weil er „verdiente Männer" von den höchsten Staatsstellen
angegriffen habe. Damit meint die Base offenbar die „Revue",
welch? wir über die badischen „Größen" abgehalten haben. Diese
Männer und ihre Politik anzugreisen, darüber muß „jeder recht-
schaffene, ehrenhafte Mann im Innersten tief entrüstet sein", —
so die Base; wenn man aber, wie sie gethan hat, die Wähler von
Main und Tauber Stimmvieh nennt, so ist das wahrscheinlich
ganz in der Ordnung, he Base? Wir haben als Gegner die Po-
litik der badischen Größen einer Kritik unterzogen, wie sie sich jeder
im öffentlichen Leben wirkende Mann gefallen lassen muß, aber
wir haben dies in ganz anständiger Form gethan und
haben daher das Recht uns den Ausdruck „Hausknechtsmanier"
verbitten zu dürfen. Wenn dagegen dis Vase die Wähler eines
großen Landstriches Stimmvieh und Herrn Jakob Lindau, der
von allen Parlamentsabgeordneien die meisten Stimmen im Lande
erhalten hat, einen „seichten Schwätzer" und einen „Schänder des
badischen Namens im Auslande" nennt, so ist das die Manier einer
alten Schmutzkäthe, die allenthalben verdiente Verachtung
hervorruft. Sie verdient dies um so mehr, als sie wegen einer ruhig
gehaltenen Kritik ministerieller Handlangen, wie man aus ihren
angeführten Worten ssiht, einen Majestätsprozeß gegen den Boten
an den Haaren herbeiziehen möchte, indem sie die verdienten Männer,
welche die höchsten Staalsstellen einnehmen, dem Fürsten so nahe
an die Seile rückt, daß sie die schuldige Ehrfurcht vor der Person
des Letzteren total vergißt und in undelrcatcster Weise denselben
in Paneistreitigkeiten mit hincinzieht. Die Aufforderung an Alle
"zusammenzustehen" und „diesem schlechten Treiben ein Ende zu
machen", erregt vollends unsere Heiterkeit, da wohl das „Zusammen-
stehen" dem „kleinen Häuflein" unserer Feinde bald sehr nothwen-
dig sein dürfte, aber das „Endcmachen chres schlechten Treckens"
doch auf die Dauer unvermeidlich werden wird; denn das Volk
im Großen und Ganzen ckurch alle Schichten und durch alle
Parteien hindurch ist geradezu angeeckelt von der Speichel-
leckerei, wie sie systematisch von einer gewissen Sorte betrie-
ben wird. Was aber die uns vorgeworfene „Hausknechtsmanier"
betrifft, so müssen wir doch der alten Base zuvor das Wesen des
Hausknechtsbegriffes erörtern. Ein Hausknecht ist demüthig nach
Oben, brutal nach Unten und nimmt Trinkgelder von Jedem, der
sie ihm gibt, — Eigenschaften, die wahrlich nicht auf uns, wohl
aber für die servilen Schmierblätter passen, d e sich dem Beam-
tenthum hündisch zu Füßen legen und das Volk als „Stimm-
vieh" zu bezeichnen lieben.
Heidelberg, 5. März. Unsere Volksmänncr I. Lindau
und I)r. Fero. Bissing haben in drei Tagen einen großen Theil
des XIV. Wahlbezirks durchreist und in dieser Zckt nicht weniger
als 7 große Versammlungen abgehallen. Lindau entwickelte die
Gründe, die für ihn die Annahme des Wahlbezirks Baden Rastatt
nothwendig machten und empfahl seinen Freund und Mitkämpfer
Bissing den Wählern als seinen Eisatzmann. Letzterer begründete
in eingehenden Vorträgen sein politisches Programm, das allseitig
mit stürmischem Beisalle ausgenommen wurde. Ueberall kam die
Bevölkerung mit großer Begeisterung den Herren Lindau und Bis-
sing entgegen und trotz dem abscheulichen Wetter strömten von nah
und fern Schaaren von Wählern zusammen, um die feurigen An-
sprachen mit Jubel entgegenzunehmen. Wir werden auf diese denk-
würdigen Tage zurückkommen.
Aus der Pfalz. Die Artikel aus Baden in Nr. 5S
der Augsb. Allg. Zlg. ergeht sich aus Anlaß der dortigen Zoll-
parlamentswahlen rn nicht sehr schmeichelhaften Ausdrücken über
die jetzige badische Regierung, derselbe constatirt namentlich die
Unzufriedenheit im Lager der Liberalen selbst über die neuen
Ministerernenungen.
Nach einem Referat über die ausgefallenen Wahlen
(an welchem Referat übrigens viel auszusetzen wäre) fährt der
Eorrespondent dann folgendermaßen fort:
„Mag man über den Ausfall der Wahl auch denken wie
„man will , so sicht doch so viel fist, daß die Führer unserer
„nationalen Partei nicht so viel Boden im Volke haben
„als sie wähnten und es steht ferner fest, daß das Mini-
sterium durchaus nicht im Volke wurzelt, wie es denn
 
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