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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 102-115 (1. September - 30. September)
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409

anderes als Rohheit wahrnehmen? Ferner ist es unbegreiflich, daß
der Ortsschulrath den Lehrer nicht, wie sich's gehört, zurechtwerst,
da doch die ganze Gemeinde das Zutrauen zu demselben längst
verloren hat und sehnlichst seine Versetzung wünscht.
— Conftanz, 21. Aug. (Durch Zufall verspätet.) Sowie
es kein günstiges Zeichen ist für die Vorzüglichkeit eines Theaters,
wenn häufig Gastrollen von auswärtigen Künstlern gegeben wer-
den, so brachte die von Außen importirte Hülfe vermittelst des
Sanct - Völksestes dahier den großen Nachtheil mit sich, uns das
Bild der eigenen Armuth grell vor Augen zu führen. In der
Aufforderung an Sanct Völk, eine Gastrolle dahier zu übernehmen,
lag die Impotenz der seither so glänzend sich wechselseitig feiernden
Größen am See offen ausgesprochen, die bei Gelegenheit der Zoll-
parlamentswahlen kundgegebenen Sympathien sür Großdeutschland
wirksam zu bekämpfen. Also die alten bewährten (!) Kämpen des
National-Vereins, die Stößer und Stromeyer, die Seitz und Merk,
die Roder und Fuchs, die Heiß und Sondheimer, die Futterer und
Winther, denen doch ein starker Troß von Bezirksrächen und
Bürgermeistern von jeher unbedingt und handgreiflich zur Seite
stand, haben zu ihrer eigenen Kraft das Vertrauen verloren und
in würdiger Nachahmung des großen Recken Bismarck mit dem
Ausland sich verbunden; sie haben in Völk, Hölder und Thaddäus
Müller Succurs geholt, wie es bereits die Freiburger mit dem
Berliner Juden Lasker gethan.
Doch ach! neben all diesem von auswärts geholtem Fahnen-
schmuck mußte auch den Seehasen einleuchtend gemacht werden,
welchen entsetzlichen Fehler sie bei ihrer Zollparlamentswahl be-
gangen haben. Der durchgefallene Candidat, Herr Faller, wurde
citirt und mußte durch eine Rede zeigen, wie ganz anders durch
ihn der erste Wahlbezirk vertreten gewesen wäre, als durch Frhrn
v. Stotzingen. Ja, die Schamröthe muß nun den Wählern in's
Gesicht treten, wenn sie jetzt Schwarz auf Weiß lesen, was ein
Faller geleistet hätte. „Stolz lieb' ich meine Pappenheimer! So
endete der ebenso unerwartet als ungerecht Durchgefallene mit der
hochtönenden, zwar nicht von ihm selbst verfaßten Phrase: „Durch
Opferbereitwilligkeit und Selbstverläugnung zur Einigkeit, durch
Cultur und Bildung zur Freiseit!" Ein schlichter Seehase jedoch
legte diese Worte dahin aus: „Durch neue Steuern, durch Verdienst-
losigkeit und Kasernen zum Bankerott und durch den Bankerott
zur absoluten Abhängigkeit von dem Junkerthum und dem Geld-
protzenthum!"
Aus Baden, 30. Aug. „Unangenehmes Aufsehen erregt es,
daß fast alle Militärarbeiten, die bei der Reorganisation unseres
ganzen Militärwesens selbstverständlich einen sehr bedeutenden
Kostenaufwand verursachen, nicht an inländische Geschäftsleute, sow
dern nach Preußen vergeben werden, während unser Land doch für
das von 1,800,000 fl. auf ca. 4^2 Millionen angewachsene Militär-
budget aufzukommen hat." So sagt die Franks. Ztg. in einer
Correspondenz aus Hessen-Darmstadt: „gerade wie bei uns", sagen
wir. (Warte.)
Mainz, 31. Aug. Gestern tagte in Rüffelsheim eine Ver-
sammlung von Vertrauensmännern der Voikspartei in Kurhcssen,
Darmstadt, Nassau und Frankfurt. Es wurde die Niedersetzung
eines Organisationscomitä's beschlossen, mit dem Auftrag, monat-
liche Volksversammlungen zu veranstalten. Ferner wurde die Be-
schickung der Delegirtenversammlung zu Stuttgart mit der Ver-
pflichtung auf Jakobi's Programm beschlossen.
Speyer, 27. Aug. Eine Ehre ist der andern werth. Herr
Völk, die oeutsche Frühlingslerche, hat bei seiner jüngsten Gastvor-
stellung in Constanz wieder die Kreuzzeitungspartei gepriesen. „Was
man auch, meint Herr Völk, von den (preußischen) Conservatioen
und ihren Schnurren denken mag, Patriotismus haben sie. Wenn
man es auch nicht gerne hört, ich sage es, daß in conservatioen
Kreisen im Norden viel deutsche Gesinnung herrscht. Wenn erst
noch einige Schlacken abgefallen sein werden, dann ist von dorther
mehr zu erwarten, als von manchen Parteien, die im Süden sich
mit ihrem Patriotismus brüsten." Diese Stelle wurde mit „anhal-
tendem Verfall" ausgenommen. Unter „Patriotismus" versteht
natürlich Herr Völk seinem Parteistandpunkte gemäß die Geneigt-
heit, die preußisch-deutsche Hegemonie anzuerkennen und zu fördern,
und daß dazu die preußischen Feudalen, ihren Schnurren unbe-
schadet, von Herzen gern bereit sind, ist sattsam bekannt. Also ge
dührt ihnen nach dem Maßstabe des Herrn Dr. Völk mit Recht
der Preis vor süddeutschen „Particularfften" und „Democraten",
denn diese wollen von einer Unterwerfung unter jene mit Blut
und Eisen gegründete Hegemonie nichts wissen.
In ihrem neuesten Blatte gibt nun die Kreuzztg. das Com
plrment zurück. Sie führt mit wahrer Wonne Stellen aus dem
Constanzer Gastspiel des Hrn. Völk an, um daran den frappanten
Gegensatz zu zeigen mit dem „Schwabenstreich" der HH. Frese,
Mayer und Trabert und überhaupt den Kundgebungen auf dem
Wiener Schützenfest. In gewissem Sinne möchte die" Kreuzzeitung
sagen, „daß der Abg. Völk nicht blos gegen die demagogische Be-
flissenheit der schwäbischen Demokraten gesprochen hat sondern auch
gegen die Wühlereien unserer Nationalliberalen, welche jetzt ein
System Eulenburg Mühler erfunden haben, um mit Hilfe dieses

Phantoms Mißtrauen gegen das „„reactionäre Preußen"" zu er-
wecken und dann in der Voraussetzung, daß ihre Insinuation daS
öffentliche Urtheil verwirrt habe, den Grafen Bismarck bei allen
„„liberalen Göttern"" beschwören, sich seine große Aufgabe mit
ihrer Hülfe durch „moralische Eroberungen" zu erleichtern."
Die Kreuzzeitung fährt fort: Es mag der Magdeburger Zei-
tung vergönnt sein, ihre Leser in dem Sinne zu bearbeiten, und
es ist möglich, daß es Schwachköpfe genug giebt, welche über den
Weg zu „moralischen Eroberungen" noch im Unklaren sind, ob-
wohl es unzweifelhaft ist, daß die Thaten Preußens auch in Süd-
deutschland von Vielen ihrem wahren Werthe nach geschätzt werden.
Aber wenn dis österreichische Regierung sich eines ihr mit allen
Mitteln der Schmeichelei angesonnenen Schwabenstreichs zu erwehren
mußte, so wird wohl auch bei uns keine Aussicht sein, daß die
Fülle großer und ernster Erfahrungen den hohlen Lockungen der
„liberalen Götter" geopfert werden könne.
So heruntergekommen sind also die sonst von Phrasen gegen
die „Feudalen und das Junkerthum" triefenden Führer der baye-
rischen „Fortschrittspartei", daß sie heute mit denselben „Feudalen"
und „Junkern" Arm in Arm gehen. Freilich auch in der Politik
gilt das Wort vom ersten Schritt. Wenn einmal die Scham ab-
gestreift und dieser erste Schritt auf der abschüssigen Bahn der
Jnconscquenz und Characterlosigkeit gethan ist, dann ist der immer
tiefere Fall nicht mehr aufzuhalten. (Pf. Ztg.)
München, 27. Aug. Gegen den „Nürnb. Anzeiger" ist aus
Anlaß eines Artikels gegen den Generallieutenant v. Hartmann
wegen seines Verhaltens in dem Gefecht von Kissingen gerichtliches
Einschreiten beantragt worden.
München, 29. Aug. Die „Corresp. Hoffmann" bestätigt,
daß die in Sachen der Düsseldorfer Gallerie niedergesetzte Com-
mission nach sieben Sitzungen zu dem Resultat gelangt sei, die
Ansprüche Bayerns für vollkommen begründet zu erachten.
In Regensburg bringt das Morgenblatt einen Artikel, in
dem es sein Befremden ausspricht und eine grobe Verletzung der
Parität erblickt, daß unter den 21 Professoren, die zur neuen poly-
technischen Schule in München ang stellt worden sind, nur vier
Katholiken, dagegen 17 Protestanten sind. (D. Z.)
Norddeutscher Bund.
Leipzig, 30. Aug. Bei dem zu Ehren des Genossenschafts-
tages veranstalteten Bankett hielt Schulze-Delitzich zwei Reden.
In einer derselben wandte er sich gegen die „pa rticularistisch-
oy na stischen" Bestrebungen. Ec sagte u. a.: „Mir gilt das fpeci-
ftsche königliche Sachsenthum gerade so wenig und so viel, wie das
System B smarck's rn Preußen, das ich bekämpfen werde, so lange
eine Faser in mir lebt. Die sächsische Loyalität hat keine geschicht-
liche Begründung; dre Dynastie yat den sächsischen Stamm herun-
tergebracht, und dadurch ist er zerriyen worden, ist die Stellung
Sachsens politisch verloren gegangen. Die preußische Verwaltung
muß bekämpft werden im preußischen Volke; aber begnügen Sie
sich auch nicht zu sehr mit Ihrer sächsisch n Loyalität. Verlassen
wir uns nicht auf Fürsten-Vergünstigunaen und dynastische Conces-
sionen; denn was wir uns nicht erkämpfen von Seiten des Volkes,
wird uns nicht gutgeschrieben im Sinne des Volkes." Hierzu be-
merkt der ,N. C/ sehr treffend: „In Sachsen greift Herr Schulze-
Delitzsch die Dynastie, in Preußen nur die „Verwaltung", das
„System Bismarck's" an. Das hat seinen guten Grund. Denn
er weiß, daß die sächsische Dynastie das Gastrecht in ihm ehrt,
wenn er es auch mißbraucht, daß die preußische aber, wenn er
ähnliche Ausfälle gegen sie sich erlauben sollte, ihn in die Lage ver-
setzen würde, den nächsten Vereinstag in Spandau statt in Neustadt
a. d. Hardt zu feiern. Darum kehrt er gegen die sächsische Dynastie
die Tapferkeit, gegen dis preußische aber der Tapferkeit besseres
Theil (nach Falstaff) heraus. Uebrigens ist Herr Schulze-Del'.tzsch
nicht so antimonarchisch, wie er aussieht. Schon vor fünf oder
sechs Jahren hat er auf einem Vereiuslage zu Breslau der preu-
ßischen Dynastie als Frucht der Bestrebungen des National-Vereins
mit voller eigener Zustimmung die deutsche Kaiserkrone argcküudigl;
er weiß sich also mrt Dynastieen abzufinden, es kommt nur darauf
an, um welche es sich handelt."
Oesterreich.
Wien, 27. Aug. Während von allen Gegenden Gäste zur
Versammlung der deutschen Land- und Forstwirthe dahie erwartet
werden, habe^ die böhmische „patriotische ökonomische Gesellschaft"
und der böhmische Forstverein sich zu der Erklärung bemüssigt ge-
sehen, diese Versammlung nicht mehr beschicken zu wollen. Der
Ausschuß des letzteren Vereins soll unter Vorsitz der feudalen
Fürsten Karl Schwarzenberg und Gg. Lobkowitz dieses Vorgehen
mit dem Ausspruche motivirt haben, daß eine deutsche Versamm-
lung in Deutschland tagen solle und nicht in einem anderen Lande,
welches sein größtes He l in der Ausscheidung von Deutschland
finde. (Saubere Leute, die Feudalen, — kein Wunder, daß sie
bei Könrggrätz den Gipfel ihrer Weisheit ersteigen mußten!)
Ausland.
London, 30. Aug. In den englischen Wahlbezirken sind bis
! jetzt 1200 Frauen als Wähler sinregiftrirt worden.
 
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