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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 27-39 (2.März - 30. März)
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daß die schmählich Verläumdcten Recht und Schutz finden konnten?
Nach welcher Kirche Anschauung fordert ein Universitätsprossor
Bevorzugung einer Kirche vor einer andern, die ihre berechtigte
Verfassung und Selbstständigkeit nicht aufgcben will? Ja wohl,
so sagen auch wir, das ist die schlimmste Parität, wo man die
Anschauung der einen Kirche der andern ausdringen, die eine nach
den Grundsätzen der andern einrichten und mißhandeln will! Das
ist Tyrrannei, schmachvoller Despotismus, möge er von der andern
Kirche direct oder auf ihre Veranlassung von einer Partei oder
von Kammermajoritäten geübt werden.
Und so nehmen wir denn A. schied von dem Herrn Professor,
den mir den Lesern des Boten nur deswegen vorgeführt haben, um
ihnen die Stimmung zu kennzeichnen, die gegen die kath. Kirche
in den Kreisen des Protestantenvereins herrscht, der gar nicht
mehr für nöthig hält mit seinen Plänen hinter dem Berge zu
halten, der gegen eine große Corporation wie die katholische Kirche
nicht einmal mehr die Rücksicht nimmt, wie man sie der gering-
sten Persönlichkeit schuldet. Auf die Vernichtung unserer Kirche
um jeden Preis ist es abgesehen, darum wiro sie verläumdet und
verspottet, darum werden alle ihr feindlichen Elemente, in und
außerhalb derselben, gegen sie gehetzt, darum schweifwedeln Fana-
tiker kirchlichen Kncchlsinnes vor der Staatsgewalt, um diese zur
Niederschlagung jeder selbstständigen Lebensäußerung der andern
Kirche unablässig aufzufordern.
Süddeutschland.
* Heidelberg, 22. März. Die badische Freiheit treibt immer
schönere Blüthen. Nachdem das Unerhörte geschehen war, nachdem
der Beamte des kleinen Bezirkes Bühl den Anlauf genommen hatte,
unserm gefeierten Lindau zu verbieten, daß er seinen Wählern in
Person Dank sage, hatte dieser an das Gr. Ministerium des Innern
folgende Beschwerde gerichtet:
Gr. Ministerium des Innern.
Beschwerde des Zollparlamentsabgeordneten
Kaufmann I. Lindau in Heidelberg,
das Verbot einer öffentlichen Be-
sprechung mit seinen Wählern betr.
Diesen Vormittag wurde mir von dem hiesigen Bezirksamt die
(abschriftl. anliegende) Bekanntmachung des Gr. Bez.-Amtes Bühl
vom 17. ds., Nro. 2376 eröffnet. Ich eile meine Beschwerden da-
gegen vorzutragen.
Der Beauftragte muß mit seinen Auftraggebern, der Abge-
ordnete mit seinen Wählern sich besprechen können — das bedarf
keiner Nachweisung.
Ist ein Abgeordneter von vielen Tausend Männern erwählt
worden, so kann er nicht von Haus zu Haus gehen, um ihre An-
sichten und Wünsche entgegen zu nehmen, vielmehr wird ein Zu-
sammentreten der Wähler in größerer Zahl allein geeignet sein, die
wirklichen Interessen, und damit die Tragweite des Auftrages selbst
festzustellen. Vor der Größe des Wahlkörpers dürfen wir nicht er-
schrecken: Nicht nur das allgemeine Stimmrecht, sondern auch die
auf Grund desselben erwählte Volksvertretung wären unwürdige
Täuschungen, wenn sie, Wähler und Gewählter, nicht dem Wesen
des constitutionellen Lebens entsprechend, mit einander verkehren und
sich gegenseitig bestimmen könnten. Welch' klägliche Erscheinung
würden wir, die fortschrittlichen Badener, in Berlin machen, wenn
man mit dem Finger ans uns deutend, den Hohn uns bieten könnte:
die haben ihr Mandat nicht vom Volke, sondern von Gr. Beamten
erhalten. Es kann keine Frage sein: Das Verbot des Bez.-Amtes
Bühl ist principiell unstatthaft.
Dazu kommt, daß eine Störung der öffentlichen Ruhe in
dem vorliegenden Fall nicht zu besorgen, kaum denkbar ist.
Ich werde nur meine Wähler einladen, sich um mich zu ver-
sammeln und wer könnte friedlicher sein als wir?
Auch haben wir fremde Eindringlinge nicht zu fürchten, denn wir
sind die überwiegende Mehrzahl und sind stark. Sogar jeder Be-
sessene würde sogleich erkennen, daß wir den Muth haben, unsere
Geschäfte allein zu Ende zu führen.
Ueberdies unterstellt das Gr. Bez.-Amt mit Unrecht, daß hier
eine Volksversammlung und zwar eine Volksversammlung unter freiem
Himmel abgehalten werden solle, die von seiner polizeil. Einsicht
abhängig sei.
Ich beabsichtige mit meinen Wählern in dem geschlossenen
Lokale der Edelmann'schen Brauerei in Bühl zusammen zu kommen.
Das Gr. Ministerium wird daher in dem Vorgehen des Gr.
Bez.-Amtes Bühl mit mir einen Fehltritt erkennen und, wie ich
hiermit bitte,
hochgefälligst ohne Verzug das ergangene Verbot auf-
heben und nur davon Nachricht geben.
Sollten in dieser öffentlichen Angelegenheit Stempel für noth-
wendig erachtet werden, so bitte ich sie aus mich auszuschreibcn.
Heidelberg, 18. März 1868.
I. Linda u.
Daraus ist am 20. März der eherne Bescheid ergangen:
„Großh. Bezirksamt Heidelberg wird beauftragt, dem I. Lin-
dau auf seine Eingabe vom 18. d. M. sogleich zu eröffnen, daß

seine Beschwerde gegen dis Verfügung des Bezirksamts Bühl vom
17. l. M., durch welche die Abhaltung von Volksversammlungen
am 22. l. M. im Amtsbezirke Bühl verboten wuroe, als unbe-
gründet zurückgewiesen werde.
(gez.) Jolly.
(gez.) A. Wohnlich."
Allein — unser gefeierter Mitbürger kann dadurch nicht her-
abwürdigt werden, daß ein Minister ihn als „d e n" I. Lindau apo-
strophirt! Der edle Volkssreund, Herr Kaufmann I. Lindau in
Heidelberg, den eben wieder die Karlsruher Landeszeitung „der
Gefährdung des Staates und der öffentlichen Sicherheit"
beschuldigt, wird darin nur einen neuen Sporn finden, seine se-
gensreiche Thätigkeit weiter und weiter zu entfalten.
Heidelberg, 21. März. Da nunmehr die Wahl im
14. Wahlbezirke zu Gunsten Bissings vollzogen ist, so müssen wir
auf die Ansprachen zurückkommen, welche derselbe bei den letzten
Versammlungen in Freudenberg, Boxthal, Reicholzheim unb Wer-
bach an die Wähler gerichtet hat, damit diejenigen, welche ihn dort
nicht zu hören Gelegenheit hatten, dessen Gesinnungen näher kennen
zu lernen in der Lage sind.
Redner begann oamit, daß er seine politische Thätigkeit in
der Presse Badens sowie andrer deutschen Länder schilderte, eine
Thätigkeit, die rhn befähige, im Zollparlamente gar Manch-s im
Interesse unserer Sache zu wirken/ Vor allem aber müsse er, in-
dem er andere Gemeinheiten gegen seine Person unbeachtet lasse,
einem Vorwürfe entgegentreten, der ihm von einem Amtsverkündi-
gungsblatte des Wahlkreises gemacht worden, er sei „aufdring-
lich". In Englanb und Amerika, den wahrhaft freiesten Staaten
der Welt, sei es selbstverständlich, daß jeder Candidat sich selbst
seinen Wählern vorstelle und vor ihnen sein Glaubensbekenntniß
entwickle, uamit diese sich ein Urtheil über denselben schaffen könn-
ten, das nicht durch Parteileidenschast getrübt sei, sondern durch
das Auftreten des Candidaten selbst sich gebilder habe. Nichts
Lächerlicheres könne es daher geben, als ihm das Wort „aufdring-
lich" entgegenzuschleudern. Wenn man dagegen wissen wolle, was
„ausdringlich" sei, so wolle er dies den Verkündigungsblättern und
ihrem servilen Anhänge definiren. „Aufdringlich" sei derjenige,
der, wenn ihm aus's Unzweideutigste die Thüre gewiesen worden,
nicht anstehe, Zum zweiten Riale Einlaß zu verlangen.
' Doch zur Sache. Redner will sich heute nicht über alle die
Klagen ergehen, welche wir unsererseits über das seit 1860 im
Lande zur Herrschaft gekommene System zu führen hätten. Nur
zwei Punkte dürfe er nicht unerwähnt lassen, weil hier alle Zu-
sagen unerfüllt geblieben seien: Die „Selbstverwaltung des Volkes"
und die „consessionelle Eintracht".
Die „Selbstverwaltung res Volkes" sei Angesichts de^ allmäch-
tigen Einflusses der Beamten der Lächerlichkeit verfallen und ge-
rade die Wahlen zum Zollparlament seien es jetzt wieder, die hie-
rüber auch den letzten Zweifel benehmen müßten. Es werde ins-
besondere im 14. Wahlkreise Alles durch die Beamten ausgeboten,
uni den Staatsdienercandidaten durchzusetzen ; nun wohl denn! wenn
das Waülmachen von oben gebilligt werden sollte, dann würde
er wenigstens nicht begreifen, wozu man die Leute überhaupt noch
wählen lasse, wozu es überhaupt noch nöthig sei, den Willens-
ausdruck des Volkes kennen lernen zu wollen.
Der consessionelle Friede sei versprochen, aber nicht ausgeführt
worden. Auf unserer Seite sei kein Hinderniß zur Erreichung des-
selben; denn wir wollten keine andere Consession schädigen, sondern
lediglich das retten, was wir mit Recht besäßen. Er achte und
ehre ein jedes Glaubensbekenntniß und habe seine größte Freude
über die vollständige Aussöhnung von Katholiken und Protestanten
in dem schönen Dossenheim an der Bergstraße in einer dort ge-
haltenen Rede wie in der Presse laut geäußert, und so habe er
nur den einen Wunsch, daß diese Gemeinde als ein Muster reli-
giöser Toleranz dem ganzen Lande Baden voranleuchlen möge.
Die protestantischen Mitbürger aber bitte er, das Mißtrauen zu
verbannen, das man ihnen so vielfach gegen die Katholiken einzu-
pflanzen bestrebt sei. Pfui über die elenden Buben, die es ge-
wagt haben, die Katholiken als die Mörder der Protestanten und
Israeliten, als „Halsabschneider" zu beschimpfen!
Was das Zollparlament betreffe, so würde er in keiner Weise
wenn er nach Berlin käme, die ehrgeizigen großpreußischen Pläne
zu unterstützen suchen. Er sei kein Freund des Militärstaates, er
sei kein Freund des Absolutismus, den man als „strammes Regi-
ment" zu bezeichnen beliebe; seine ganze Natur sei eine durchaus
demokratische und seine Bewunderung gelte unsern Nachbarn,
den Württembergern.
Es stehe jetzt schon fest, daß die neueste Zollvereinspolitik und
das Zollparlament ein Aderlaß an Süddeutschland werden solle.
Schon sei die Salzsteuer eine abgemachte Sache und nicht Jeder
könne den 600,000 fl. „opferfreudigen Herzens" nachschauen, die
nunmehr aus dem Lande in die allgemeine Zollkasse wanderten
und wovon Baden nur einen winzigen Theil zurückerhalte. Wie
diese Steuer, so komme auch die Tabaksteuer ausschließlich dem
Norden zugut. Hier handle es sich nicht darum, wie Lindau vor-
trefflich ausgeführt habe, daß dieser oder jener Landestheil keinen
 
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