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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 14-26 (2. Feburar - 29. Februar)
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Glauben nicht nehrncn, laßt uns dafür den unsrigen! Schaut hin
nach Württemberg, wo beide christliche Coufessioueu friedlich neben
einander bestehen, wo gegenseitige Achtung herrscht — wir vem
langen das Gleiche und — so wahr ein Gott im Himmel! — nicht
mehr. Wollt Ihr einschlagen, so ist die Rache der Ultramontanen
geübt.
Doch unsere — der Sieger — Rache gehr noch weiter. Wie
lange hören wir in Baden die Phrase von der Mündigkeit des
Volkes, von der Abschaffung drückender Steuern, von der Schwere
und der Ungleichheit der Militärlast, von der Verbesserung des
Staatsdiener- und Pensionsgesetzes, von der Bevormundung der
Büreaukratie in Staat und Gemeinde? Steht nicht alles dies,
was früher, und zwar mit Recht, verurtheilt wurde, jetzt nach acht-
jährigem Regiment der Gothaer in schönster Blüthe? Als Euch unser
Lindau in seiner denkwürdigen Motion einen ächten Spiegel vor-
hielt, wie dieselben Männer mit Phrasen geklingelt und später ge-
handelt haben, — was geschah da? Die Kammer ging zur Tages
ordnung über; aber nicht so das Volk. Unser Wahlsieg ist
seine Antwort. Und wie werden wir uns hier rächen? Unsere
Rache sei die Verwirklichung der bis jetzt hohle Phrasen gebliebenen
Versprechungen zur Thal.
Ja, wir stellen uns auf den Boden der Allerhöchsten Procla-
mation vom 7. April 1860: das ist die Rache der Ultramon-
tanen, — haltet uns beim Wort!
SLidveutschlünd.
* Heidelberg, 24. Febr. Es wird uns mttgetyeilt, daß eine
Anzahl von Mitgliedern der II. Kammer, Angesichts des Resultats
der Zollparlamentswahlen sich entschlossen habe, mit einem feiern
lichen Abschiede an das badische Volk ihr Mandat niederzulegen.
Zwar hat sich des Propheten Wort: „Jetzt ist Alles möglich rn
Baden" glänzend bewährt.
„Die Botschaft hör' ich gern,
Allein mir fehlt der Glaube".
Allerdings könnte der lorbeerbekränzte Führer der zweiten
Kammer dem Gedanken des Austritts in Gesellschaft sehr zuge-
than sein; denn welche Rolle vermöchte er jetzt nöch in der Kam-
mer zu spielen? Man könnte ferner annehmen, daß seine Freunde,
die gewaltig in Erregung geriethen, als ihnen ein Ministerium ohne
Lamey verkündet wurde, auch dieses „Opfer" des Austritts zu den
vielen andern bereits gebrachten bringen würden. Allein, wenn
man das Verhalten unserer Kammerhelven seit langen Jahren
in's Auge faßt, die allen ministeriellen Wünschen die willigsten
„Opfer" brachten, einem großdeutschen Ministerium Edelsheim
wie einem Ministerium Mathy, wenn man weiter bedenkt, daß
ein Eckhard die Stärke besitzt, die klar ausgesprochenen Wünsche
seiner Wablmänner in Betreff der Mandatsniederlegung mit Hohn
zu beantworten, so wird diesmal die Phrase erklingen: „Der Pa-
triotismus verlangt es, daß wir aushalten".
Nur Demosthenes-Wundt (von Neckargemünd), wie man glaub
haft berichtet, wird diesmal allein das Recht in Anspruch nehmen,
das „Opfer" nicht mehr länger Zu bringen, da er die überzeugendsten
Proben von der Dauerhaftigkeit seines Sitzfleisches gegeben hat.
* Heidelberg, 25. Febr. Dem Boten wird eine köstliche,
höchst bezeichnende Geschichte berichtet. Unser Minister des Aus-
wärtigen v. Freydorf, der, was feinen diplomatischen Takt anbe-
langt, bekanntlich alle seine Vorgänger, selbst Herrn Srabel über-
trifft, befand sich 8 Tage vor dein 18. d. M. auf einem Ballfeste,
dem auch der französische Gesandte anwohnte. Die hier gepflogene
Conversation zwischen beiden Diplomaten ging auch über auf die
bevorstehenden Wahlen zum Zollparlament und dabei versicherte
denn der Kenner unserer badischen Volksstimmung nut vielem
Pathos: nur ganz wenige Personen könnten sich bei den Wahlen
gegen die Negierung in Opposition setzen und hinter ihnen ständen
nur einige hundert Köpfe. Der französische Gesandte bedankte sich über
diese Aufklärung und scheint hierüber nach Paris berichtet zu haben.
Nun wollte es der Zufall, daß dieselben Diplomaten auf einem
Ball am vorigen Samstage abermals zusammentrafen. War es
Neugierde, mit dec der Gesandte behaftet fern soll, oder war es
die Gewissenhaftigkeit in Bezug auf seine Berichterstattung, — ge-
nug, den Gesandten brannte es unter den Sohlen, das Resultat
der Zollparlamentswahlen authentisch kennen zu lernen; denn am
Samstag mußten ja der Regierung die Resultate bekannt sein.
Allein was geschah? Der Gesandte näherte sich ehrerbietig dem
großen Minister; doch derselbe verschwand eiligst in einer Gruppe
Tanzender. Der Gesandte ließ aber nicht nach in seinen Bestre-
bungen, Herr v. Freydorf war indessen gewandter und der Gesandte
blieb ohne Belehrung. Sieht das nicht aus wie em Verstecken-
spielen?
* Heidelberg, 25. Febr. Lindau fordert im Bad. Beob-
achter auf, ihm alle bei den Wahlen vorgekommenen Ungehörig-
teilen und Beherrschungen mitzutheilen, was der Pfälzer Bore
hiermit gleichfalls seinen Lesern zu wissen tyut. Nur heraus da-
mit, alles heraus, was Ihr wißt!
Sinsheim. Hier brachten es die Unsrigen bis auf die
Zahl von 104 Stimmen, immerhin für Sinsheim bedeutend, da

die weit überwiegenden Protestanten und Juden sämmtlich für
Bluntschli stimmten und nichts von dem Protest. Pfarrer Mühl-
häusser wissen wollten. — In dem benachbarten Eschelbach sind
ungefähr 40 katholische Bürger, von denen aber 21 nicht zur
Wahl gelassen wurden, indem man sie bei Aufstellung der Liste
übergangen hatte. Die Bürger gingen nach Sinsheim zum Amt-
mann, um über ein solches Verfahren energische Klage zu führen.
Trotz all' diesen Mittelchen erhielt doch Bluntschli nur 30, Mühl-
häusser dagegen 70 Stimmen.
Z Obergimpern. Mühlhäusser 129 Stimmen, Bluntschli
32; Untergimpern: Mühlhäusser 71, Bluntschli II.
Gommerdorf, 20. Febr. Hier waren 130 Wahlberech-
tigte, 116 von diesen nahmen an der Wahl Theil, von denen 113
für Lindau, 3 für Lamey stimmten. In Dörlesbach Lindau
ernsttmmig, in Hundheim mit allen gegen 4, in Stein ba ch mit
allen gegen 6 Stimmen gewählt.
ao Hardheim, 19. Febr. Am letzten Sonntag feierte der
hi.sige Männerverein sein Stiftungsfest. Die Vereine von Hund-
heim und Gerichtsstetten schickten ihre Vertreter. Es kamen noch
viele andere katholische Männer aus den umliegenden Orten, so
daß der Saal zu klein ward und nicht Alle fassen konnte. Sie
warteten mit großer Spannung auf die Ansprachen, in der Mei-
nung, es werde von den Wahlen die Rede sein. Nach dem Pro-
gramm sollte dies nicht stattfinden; aber ein hiesiger Bürger
konnte nicht anders: er mußte seiner Erbitterung über ein paar
Zeitungsartikel Luft machen und sprach sehr warmgefühlte Worte
über die Stellung des katholischen Volks zur Geistlichkeit und
über das Vertrauen, das es in allen Lagen des Lebens zu derselben
haben soll. Man sah an dem Beifall, den er erntete, daß er den
Leuten aus der Seele gesprochen hat. Reden, Veröffentlichung
von Glückwünschen, die aus der Ferne telegraphisch gekommen
waren, Gesänge, Toaste und gemüthliche Unterhaltung ließen die
Zeit nur zu rasch verstreichen.
Am 6 Uhr mußte der Saal geleert und für eine gesellige
Abendunterhaltung, für erne theatralische Aufführung und den
Tanz zugerichtet werden. Das Stück, das zur Aufführung kam,
war eine Bearbeitung eines Merkchens, betitelt „die Menschwer-
dung der Affen", und wurde mit Thierfiguren dargestellt. Die
komischen Figuren ernteten von der zahlreichen Zuhörerschaft reich-
lichen Beifall. Nach diesem Stücke verließen uns unsere Gäste.
Die Festlichkeiten aber zogen sich unter Tanz und munteren Scher-
zen über Mitternacht hinaus.
X Waldstetten, 18. Febr. In Nr. 38 des Amtsverkündi-
gungsblattes „Die Tauber" findet sich auch ein Artikel von hier.
Dem Einsender desselben, welcher, wie es scheint, sich ein beson-
deres Vergnügen daraus machte, nicht nur den Landtagsabgeord-
neten Lindau tief herabzuwürdigen und nebst Anderem gegen den-
selben mit der offenen Unwahrheit ans Licht zu treten, daß „man
in letzter Zeit viel davon sprach, Lindau ein Miß-
trauensvotum von seinen Wählern zugehen zu las-
sen", sondern auch einen vermeintlichen, aber abgeprellten Schreck-
schuß auf den Pfarrer von Waldstetten abzufeuern in den Schluß-
worten: „Bei der hier anberaumten Wahlbesprechung fand sich
auch der Pfarrer ein und schlug uns Lindau vor; wir sind gute Katho-
liken. Wenn aber der Pfarrer aus's Rachhaus kommt, um uns zu
dictuen (?), setzt er sich der Gefahr aus, daß wir ihn dorthin
weisen, wo unser Erlöser ihm seine Wirksamkeit angewiesen hat",
— dem Einsender diene zur Nachricht, daß ich heute am 18. d.
M. schon wieder aus dem Rathhaus war und vor mehr als 100
daselbst anwesenden hiesigen Bürgern abermals sprach und — o
Wunder — ich lebe noch.
Keiner derselben hat mir auch nur eines meiner grauen
Haare gekrümmt, keiner mir die Thüre gewiesen, vielmehr haben
sie mich Alle achtungsvoll begrüßt, mir zugestimmt, und selbst
der Herr Bürgermeister hat mir freundlich die Hand gedrückt. Die
sehen also, mein verehrter Herr! daß ich von den hiesigen Bür-
ger auch auf dem Rathhause gar nichts zu befürchten habe; ob
aber auch Sie, der Sie sich anmaßten, im Namen der hiesigen
Gemeinde zu sprechen und dieselbe durch die ihr in jenem Artikel
zugedachte Gesinnung rn nicht geringe Aufregung versetzt zu haben,
wenn Sie auf dem Rathhaus erschienen, mit Herler Haut davon
kämen, dafür könnte ich Ihnen nicht gut stehen Die hiesigen
Bürger sind zwar, wie Sie ja selbst sagen, rn Wahrheil gute Ka-
tholiken, und gerade deßhalb keine Freunde von schlagenden Be-
weisen, aber — gefährlich ist's den Leu zu wecken.
Daß die hiesigen Bürger wirklich gute Katholiken sind, das,
mein lieber Herr Artikler! kennen Sie, wenn Ihnen auch öiesis
Vergnügen machen sollte, daraus ersehen, daß bei der heutigen
Hollparlamentsmahl von den hiesigen 173 Wahlbiuechttgren und
von den 167 an der Wahlurne erschienenen Bürgerri dem von
Ihnen und Ihresgleichen viel geschmähten Jakob Lindau 162
ihre Stimme gegeben haben, mährend der von Ihnen und An-
dern bis zum 3. Himmel erhobene Staatsrath Lamey, trotzdem,
daß man für denselben alle Hebel in Bewegung gesetzt und un
Namen des Herrn Amtsvermesers V. am 13. d. M. alle hiesigen
wahlberechtigten Bürger durch die Gememdsschelle Abends auf o
 
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