Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

DOI Kapitel:
Nr. 116-129 (1. Oktober - 31. Oktober)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43881#0494

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
484

Da „überdies auch die anderen Höfe sich nicht mehr ans die Grund-
sätze der Pragmatik stützten" d. h. sie ausgegeben hatten, so konnte
mit den: in jener Regierungsnote vom 4./7. September ausgespro-
chenen Wunsche „HUK le eboix llk towbe HUK sur äks pkrsollves,
Hui uiklit l'ÄArkwkut äks Aouvki-N6iu6ut8" den Letzteren nur das
im Art. 1 der Bulle aä äom. AI-KA. eustoä. garantirte Rechte ge-
mährt werden wollen* *).
Dieser rechtlichen Auffassung gab der heil. Stuhl förmlichen
Willensausdruck in der an Baden gerichteten Note des Cardinals-
Staatssecretärs Somaglia vom 8. Januar 1827: „Seine Heiligkeit
rechnet auf die unbedingte und einfache Annahme des Ultimatums,
welche bereits von Sr. Königl. Hoheit dem Großherzog geschehen ist
. . . und daß der Vollzug der Bulle proviäa soIersHue und der
andern, welche derselben zur Ergänzung dienen wird, mit . . . Loya-
lität und wahrem Interesse für das Wohl der . . . Katholiken ge-
geschehen wird."
Wenn also auch in der vorhergehenden Note desselben Cardinals
vom 6. Januar 1827, in welcher übrigens ebenso constatirt ist, daß
die Regierungen den fraglichen Art. 1. der Bulle aä äom.
eustoä. acceptirt hätten, ein ähnliches Breve wie an die preußischen
Capitel in Aussicht gestellt ist, so sollte damit offenbar die Bulle
nicht derogirt werden.
Den Wortlaut der Note vom 6. Januar 1827 kenne ich nicht.
Der Ministerralerlaß vom 30. Mai 1868 Nr. 7034 gibt hievon
nur einen Auszug. Die Note vom 8. Jan. 1827 steht, wie oben
angegeben, in der Note des Cardinals Antonelli an den badischen
Gesandten vom 5. Juni 1854. Sie ist jünger als die vom 8. Jan.
1827 und daher entscheidend. Der hl. Stuhl nahm also weder
Vorbehalt noch Bedingungen der Regierungen an und beharrte ledig-
lich auf der Annahme der Bulle aä äom. AreZ. «ust. Deßhalb und
da diese ja die Bullen bedingungslos acceptirten, haben sie damit
(wie ausdrücklich) auf das in der aufgegebenen Kirchenpragmatik
verlangte Recht resignirt, daß nur eine persona Zi-ata den bischöflichen
Stuhl besteige.
In dem Breve vom 28. Mai 1827, wie es durch obigen
Ministerial-Erlaß vom 30. Mai 1868 dem Capitelmitgetheilt wurde,
ist ebenso dem Capitel zur Pflicht gemacht, gemäß der Bulle sein
Wahlrecht auszuüben. Die Regierungen haben hiergegen keine Ein-
sprache erhoben. Sie haben zwar erkannt und in der Instruction
für ihren Abgesandten ausgesprochen, die Bulle könne dahin ausge-
legt und angewendet werden, daß die Capitel bei einer von ihnen
zu treffenden Wahl nur psrsouas minus Zratas auf die Wahlliste
setzen. Es falle also eine unzweideutige Erklärung des heil. Stuhles
nöthig. D'ese wurde aber nicht im Sinne der Regierungen gegeben.
Es wurde dem Verlangen derselben, daß nur eine der Regierung
absolut genehme Person gewählt werden könne, d. h. daß die zur
Wahl erforderlichen Candidaten der Regierung genehm sein müssen,
nicht statt gegeben. Das Breve enthält davon nichts, und die da-
mit übereinstimmende Bulle von 1827 besagt das Gegentheil.
In der höchsten Zuschrift des Großherzogs Ludwig an den heil.
Stuhl vom 3. Juni 1827, in welchem für die Verkündung der Bulle
vom 11. April 1827 gedankt wird, ist des Breve's auch nicht gedacht,
„Die besagte Bulle," heißt es rn dieser Zuschrift, „bielet ein glück-
liches Ergebniß unserer Unterhandlung für die Wiederherstellung der
Ordnung ... in der katholischen Kirche Süddeutschlands. ... Ich
kann den Entschluß der verschiedenen Staaten, welche die Provinz
von Freiburg bilden . . . Euerer Heiligkeit verbürgen, getreulich
das Abkommen zu vollziehen, welches soeben getroffen worden."
Hiernach ist der Art. 1 der Bulle aä äom. Are^. eust. das in
vorliegender Frage maßgebende, vertragsmäßige Recht. Die Negie-
rungen sind also nicht berechtigt, etwas zu verlangen, was in jener
Bulle ihnen nicht ausdrücklich zugesichert ist. Sie sind aber noch
weniger befugt, die durch den Abschluß des Uebereinkommens auf-
gegebenen Ansprüche geltend zu machen, also zu verlangen, daß der
Regierung angenehme Candidaten auf die Liste gesetzt oder nur eine
pkrsoua Oubkrnio Zrata gewählt werde. (Forts, folgt.)

X Badische Kostbarkeiten.
Seitdem wir durch die neuzeitliche herrschende Partei mit
vielerlei Neugestaltungen, mitunter ganz nach preußischer Muster-
vorlage, beglückt sind, haben wir in der That manche kostbare
Errungenschaften zu verzeichnen, und eine freundliche Erinnerung
hieran in diesen weinreichen Herbsttagen wird wohl erlaubt sein.
Mit dem 1. December 1867 beginnt bekanntlich eine neue
badische Zeitrechnung, die sich bemerklich macht durch eine Steuer-
erhöhung im hübschen Betrag von Einer Million, sieben-
hundert achtzehnta usend einund sechzig Gulden. Als
diese Ungcmüthlichkeit für den Geldbeutel durch die Steuerzettel in
vollem Ernste anklopfte, verzog selbst mancher liberale Verehrer
voll Neu-Baden sein Gesicht, allein die finsteren Falten vermochten
nichts mehr gegen den losgelassenen Steuerstrom, es hieß einfach:
bezahle was ou schuldig tust — Basta!
') Wie aus der bad. Note vom 8. Iuii 1826 ersichtlich ist, wurde ja das
Breve „im Sinne der Bulle" begehrt.

Die Grund- undHäusersteuerpflichtigen bezahlen jetzt
vom Hundert 26 kr. statt der früheren 19 kr., und ist die Kataster-
vermessung und neue Einschätzung fertig, so wird nochmals eine
Mehrzahlung den Steuerpflichtigen bescheert werden.
Die Gewerbsteuerpflichtigen dürfen jetzt beim Vollge-
nuß der Gewerbefreiheit 26 kr. vom Hundert entrichten, somit
einen Groschen mehr als früher, und haben dabei das Vergnügen
mit anzusehen, wie das Kleingewerbe durch die Herrschaft des Ca-
pitals allmählig aufgerieben wird.
Die Kapitalisten sind noch glimpflich hinweggekommen, sie
bezahlen statt der früheren sechs Kreuzer vom Hundert jetzt neun
Kreuzer und werden dabei nicht versäumen, durch etwaige Procent-
erhöhung den Groschen Aufschlag auf die Schuldner überzuwälzen,
ohne daß davon die öffentliche Meinung eine Silbe erfährt.
Die Klassen steuerpflichtigen bezahlen ebenfalls vom Hun-
dert einen Groschen mehr, nämlich statt der frühern 23 jetzt 26 kr.
Diese Steuererhöhung berührt besonders den Beamtenstand, geist-
lich und weltlich, und da und dort wird sie empfindlich die Familien-
kasse treffen.
Weinaccise von Traubcnwein in Fässern in Orten über
4000 Seelen wird von der Maas 1*/s kr. erhoben, früher nur
1 kr., und in andern Orten über 4000 Seelen 1?/io kr., früher
nur s/io kr. Ganz derselbe Aufschlag wie letzterer trifft das Wein-
ohmgeld von Traubenwein in Fässern.
Es ist begreiflich, daß die Wirthe bei dieser Bescheerung ein
saueres Gesicht schneiden. Davon, was erst die Gäste für Muskel-
verrenkungen aushalten müssen, so sie von den durch den Steuer-
aufschlag gepeitschten Weinen verkosten, schweigt die Geschichte.
Ziehen die Wirthe vor, ein Aversum von Weinaccise und
Ohmgeld zu bezahlen, so entrichten sie von der Maas jetzt 2^/io kr,
früher nur l^/io kr.
Und auch der eole Gerstensaft, das Bier, ein Lebenselement
süddeutscher Staatsbürger, muß sein ohnehin oünnes Dasein ver-
theuert bezahlen. Von inländischem werden per Stütze 7 kr.
erhoben, früher nur 5 kr.; das eingeführte Bier bezahlt bei
der Grenzüberschreitung per Stütze 10 kr., früher nur 7^/10 kr.
Der Zeitpunkt ist nahe, wo den edlen Gerstensaft der Vorwurf
treffen wird, daß an ihm Hopfen und Malz verloren ist! Einen
Vortheil hat die Sache aber auch, daß der Biertrinker nämlich,
wenn er trotz Lamey das zehnte Schöpplein hinter die Cravatte
schüttet, ruhig bleibt, und somit wird das neu besteuerte Bier den
Staatsbürger in seiner allerersten Pflicht aufrecht erhalten, was
gewiß nicht zu unterschätzen ist.
Sendet im kommenden Jahr der Sommer seine heißen Strahlen
auf unsere Fluren nieder, so kommt ein Pflänzlein, das kaum fein
Dasein ankündend, der unerbittlichen Beschneidung verfallen ist,
welche man in der gewöhnlichen Sprache Tabaksteuer heißt.
Sie wird als norddeutscher Tyau zum erstenmal unsere süddeutschen
Felder befruchten, wofür der Bauer 12 fl. per Morgen baar be-
zahlen muß. Ein ebenfalls unerquicklicher Umstand ist hiebei noch
der, daß ein namhafter Theil dieser allerneuesten Steuer dem nord-
deutschen Staatssäckel zufließt, wo man bekanntlich „heidenmäßig"
viel Geld braucht, was, nebenbei bemerkt, ein hervorragendes Merk-
mal der deutschen Einheit unter Preußens Führung ist.
Wir fragen: sind obige Aufzählungen, nicht sehr werthvolle
badische Kostbarkeiten? Gewiß; es sind aber noch lange nicht alle,
weßhalb wir uns die Freiheit nehmen werden, nächstens noch einen
Nachschub zu bringen; denn es bleibt immerhin interessant, wenn
ein Volk seine Leistungsfähigkeit im Auge behält, mit der frohen
Aussicht, daß die „Opferlandtage" vor abermals neuen Steuern
keinerlei Bangigkeit verspüren, weil das „Ziel" noch unerreicht
in nebelgrauer ^erne liegt.

Süddeutschland.
* Heidelbergs 15. Oct. Auch die ehr- und tugendsame
„Warte" will ihren Theil Freude an der spanischen Revolution
haben; denn die Hauptsache dabei ist für sie, daß sie ausrufen
zu können meint: „es ist wieder ein mächtiges Bollwerk des Papst-
thums gefallen!" Das ist für die Herren mit den weißen Hals-
binden natürlich ein so entzückender Gedanke, daß sie selbst ihren
Abscheu vor jeder Revolution — an Knechtsdienste sind sie immer-
dar gewöhnt — in folgender salbungsvoller Weise abschwören:
„Von diesem Gesichtspunkt angesehen sder Protestantisirung SpaniensP
müssen wir die Revolution in Spanien — nachdem sie nun eine
vollendete Thatsache geworden — als eine berechtigte ansehen
^„vollendete Thatsachen" werden von diesen Herren stets als „be-
rechtigt" angesehen, wie sie dies Bismarck gegenüber gezeigt haben
und stets zeigen werden, wo's an Kragen oder Geldbeutel gehen
könntefl womit nicht gesagt sein soll, daß die Werkzeuge, durch
welche sie in's Scene gesetzt morden ist sschöneS Complunent für
die Herren Serrano, Prim u. s. w. !fl recht gehandell haben, aber
eme "höhere Hand hat sie benutzt, um Seine Gerichte auszmiben"
jwie auf der Kanzel!). Im Ganzen wimmelt es bei der Frau
Pastorin „Warte", der weiter nichts fehlt als der sonst dort übliche
Kindersegen, von Beleidigungen gegen die Katholiken, die überdies
 
Annotationen