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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 142-154 (1. Dezember - 31. Dezember)
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Z98

geworden sind und im Kampfe stehen, werden ste eben fo begeistert
gegen die Preußen wie gegen die Russen fechten, ^n der orien-
talischen Frage hat aber auch Oesterreich die stärksten Bundesge-
nossen hinter sich, es darf nicht blos auf Frankreich Zählen, dessen
Interessen überall mit den österreichischen die gleichen geworden
sind, sondern es schleppt auch England mit in den Krieg, das
wenn es gegen Rußland nur erst einmal losgeschlagen hat, nicht
aus der andern Seite der Verbündete Preußens, des Alliirten Ruß-
lands, sein kann. „ .
Auf diese Weise müssen wir uns das jüngste kraftvolle Auf-
treten der Pforte erklären, welche von Oesterreich, Frankreich und
England hierin nicht blos unterstützt, sondern zu energischem Ein-
greifen gegen die beständig wühlenden Vorposten Rußlands und
Preußens geradezu aufgesordert worden ist. Der Zaunkönig Geor-
gios hat eüre trotzig-abschlägige Antwort gegeben, aber es wäre gut
für ihn, die Sache sich nochmals zu überlegen, ehe er zu den Waf-
fen greift, weil es ihm sonst leicht begegnen könnte, daß die Eng-
länder ihn eines Tages in's elterliche Haus, das er zu frühe ver-
lassen, zurückbrächten, sammt Buttmann's griechischer Grammatik, die
ihm vor seiner Abreise der Kladderadatsch mit zierlichem Kratzfuße
verehrt hatte. Aber auch gegen Rumänien und Serbien ist die
Pforte mit aller Energie vorgefahren: sie hat die Ausweisung der
dort wühlenden Griechen verlangt und damit gezeigt, daß sie auf
ihr obcrherrliches Recht in diesen Staaten keineswegs vollständig
verzichret hat. Sie hat von Rumänien bereits eine abschlägige
Antwort erhalten, — und es könnte also losgehen!
Es könnte, ja, aber es scheint, als ob Rußland ein so rasches
Eingreisen nicht erwartet hätte, es hat noch mehr und länger auf
die Langmuth Oesterreichs und der Pforte rechnen zu dürfen ge-
glaubt und wollte die Frucht erst reifen lassen, ehe es sie vom
Baume holte. Aber Rußland hat sich diesmal verrechnet, mau
ist ihm zuvorgekommen, und es bleibt ihm also nichts übrig, als
sich schleumgst zurückzuziehen oder einen sehr ungleichen Kampf auf-
zunehmen, wenn der „verehrte Herr Graf" an der Spree keine Lust
haben sollte, seine großpreußischen Errungenschaften für die orien-
talischen Pläne seiner slavischen Brüder aus's Spiel zu setzen.
Endlich aber war auch die Zeit vortrefflich gewählt, welche die
Pforte zu ihrem energischen Austreten für angemessen hielt. Ruß-
land kann im Winter nur mit äußerster Mühe Krieg führen, —
seine Verkehrsmittel sind immer noch nicht viel besser als zur Zeit
des Krimkrieges und die an sich abscheulichen Wege sind im Win-
ter durch Eis, Schnee oder Regen für den Marsch größerer Heer-
körper ganz unpassirbar. Wie weit entfernt den orientalischen Er-
eignissen find die Armeen im Innern Rußlands gegenüber dem
englischen Waffenplatze auf der Insel Malta! Und waren denn
nicht die Kriegsschiffe von der englischen Küste während dem Krim-
feldzuge rascher auf dem Plane als die russischen Verstärkungstrup
pen im eigenen Lande, die überdies ungeheuere Einbußen durch
Schnee und Kälte auf ihrem Marsche zu erleiden hatten? —
So ist die Lage der europäischen Dmge am Vorabend des Weih-
nachtsfeftes, — ernst, voller Gefahren, gewaltige Ereignisse im Schooße
der Zukunft bergend. Eines aber kann jetzt schon mit Sicherheit ausge-
sprochen werden, daß Süddemschland oiesseits des Mains, das Länd-
chen „dieseits des Oceans" nicht ausgenommen, so bald nicht in den
norddeutschen Bund hineinkommen wird, ja daß dies überhaupt ohne
einen Kampf auf Leben u. Tod mit Frankreich u. Oesterreich gar nicht
durchzuführen ist. Das beginnt man denn auch in den bisher eifrigst
national-liberalen Kreisen einzusehen — und daher die Opposition
gegen Jolly, dessen einziges Dichten und Trachten nur auf das
Einlaufen in den preußischen Himmel gerichtet ist. Die badischen
Zustände sind in Folge dessen auch ein Oauäiuvr e sten Rangs für
Menschen und Götter und ein allgemeines Haha! schallt durch ganz
Deutschland. Die nämlichen Leute, die mit aller Anstrengung und
Verbissenheit auf dem letzten Landtag auch die schwersten Steuern
und Lasten dem Volke „freudigen Herzens" auf den geduldigen
Nacken legten und Jeden, der dawiderrieth als Hoch- und Landes-
verräther denuncirten, schreien jetzt aus vollem Halse nach Erleich-
terung des Volksgeldbeutels, nachdem sie ihn allerdings bereits gründ-
lich erleichtert haben I Zum Kuckuck mit Euch, — das Lustspiel
die „Gotbaer in Offenburg" ist mehr als komisch, es ist zugleich
eine bittere Satyrs auf die Grundsätze der Leute, die wie Schilf-
rohr im Sturme der Meinungen herumgeschaukelt werden. Aber
auch Excellenz Jolly könnte jetzt endlich erkennen, wie das Volk
über ihn denkt, nachdem sogar die letzten wohlgefütterten Ratten
es rathsamer gefunden haben, das lecke Schiff in aller Eile zu ver-
lassen. Einen außerordentlichen Landtag zur Schaffung eines neuen
Wahlgesetzes und dann Neuwahl der Kammer ist das allgemeine
Feldgeschrei aller Parteien, also des ganzen Volkes, aber Excel-
lenz Jolly will nicht in den säuern Apfel beißen, Excellenz weiß
nur zu excellent, daß die großartigste Niederlage, die je da war,
das jetzige Ministerium treffen würde. So feindlich wir den Offen-
bürgern gegenüber stehen, so freuen wir uns doch jeder Schlappe,
die Herr Jolly von dieser Seite her erhält; denn alles ist uns an
diesem Manne zuwider und wir können nicht einmal an das Por-
trät seiner äußeren Erscheinung denken, ohne ein ganz unnennbares
Gefühl in uns zu verspüren: ein dürres, frostiges Männchen nm

und Andern wird's ebenso gehen. So lassen wir denn ExEnr
Jolly als Führer auf der Locomotive am Maine sitzen, — das
Feuer ist ausgegangen und die Maschine steht still. Das Publl-
kum ist längst aus den Waggons ausgestiegen und nun haben
auch Heizer und Conducteure (jetzt Schaffner genannt) querfeldein
sich aus dem Staube gemacht. Puh! wie ist es kalt, wie schneidet
der Wind bald von West, bald von Ost, — hüte sich Cxcellen,
vor Erkältung und steige sie herab von ihrem einsamen Sitze
Wett' ich doch die letzte Hose,
Die Maschine will nicht weiter zieh'n, —
Warum willst du letzte Rose
Gar so einsam auf dem Tender blühn?

dem herzlosen stechenden Blick ist nie unsere Liebhaberei gewesen
Nnkpi-N mird'A ebenso aeben. So lassen wir denn
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Süddeutschland.
* Heidelberg, 20. Dec. In Hellen Haufen fällt das Volk
von der verlornen Sache des Gothaismus und der Verpreußung
ab und wendet sich den vernünftigen Grundsätzen zu, die von
unserer Presse verfochten werden. Beweis dafür sind nicht blos
die glänzenden Niederlagen unserer Gegner in der Communalschul-
frage, sondern insbesondere auch in der nachweisbaren Thalsache,
daß die bestehenden kath. Blätter des Landes nicht nur nut jedem
Quartal mehr und mehr Abonennten gewinnen, sondern oaß aller-
wärts noch neue Organe über Nacht aus dem Boden schießen und
auf zahlreiches Lesepuvlicum rechnen dürfen. Wir haben bereits
mehrere solcher Blätter zur Kennmiß unserer Leser gebracht und
haben heute ein werteres hrnzuzufügen: es ist der „Anzeiger für
Schwarzwald und Baar" rn Vrllrngen, dessen erstes Prodeblatt
vor uns liegt. Wenn die Presse anerkanntermaßen die öffentliche
Meinung repräsentirt, so wrro die große Zahl unserer melgelese-
neu Blätter den Herren Offenburgern wie der einsam trauernden
Excellenz Jolly einiges Nachdenken verursachen. Sind doch die
Experimente seit 1860 sämmrlich mißglückt, — was Wunder also,
wenn das Volk sich von denen losfagt, die ihm goldene Berge ver-
sprochen haben und hinterher mrl der Steuererhöhung uno oem
„strammen Regiment" abschließen! Unter solchen Umständen be-
greifen wir wirklich das Verlangen der Offenburger nach einer
„männlichen That" d. h. einer gewaltsamen Nieoerwerfung der M,und
Katholiken nicht, — wir sollten denken, diese wäre längst unmog- -Wnzut
lich geworden, wie sich die Offenburger gerade so gut wie zueqt Micher
Lamey und dann Jolly überzeugen oürsten. Nach dem Mann- Miftu
Heimer Bubenscandal — das war wohr so eine Art „männlicher -!«rthl
That"—heulten alle servilen uno gothaifchen Blätter: der ulm-uMetw
montane Spuck ist zu Ende! Sie gtaublen's selbst nicht, oennWM do
er wuchs riesengroß im Stillen heran und öie Zollparlamentswahlen ff Bwch
haben den Herren mit Schrecken die Augen geöffnet. Ader ore m
Niederlagen werden erst recht noch kommen, und werden am fatal-Ä Umeu
sten fein, wenn die „ männliche Tyat" in Scene gesetzt weroen W M
füllte. Die direkten geheimen Wahlen sind emmal eine Foroe- chrer M
rung der Zeit, sie können und werden nicht ausdleiben — unl> v
da wird man die wahre Stimmung des Voltes kennen lernen Aich traf
müssen. EsWen T
* Heidelberg, 21. Dec. Herr Jolly läßt in feinen Organen ^ich bere
bekannt geben, daß er nicht an dre Einberufung eines außeroroenl-
lichen Landtages zur Feststellung einer neuen Wahlordnung, Malchaus
ihm die alte am besten behagt, denke. Herr Jolly hat zwar früher § '
schon erklärt, daß sein Regime kein parlamentarisches sem werde,
vielmehr hat das Wort „stramm" eine große Rolle bei den servilen
Preßhusaren gespielt. Indessen wird doch Herr Jolly nicht umhin
können, dem einstimmigen Verlangen des ges ammten Bolles.^
einige Beachtung zu schenken. Er beliebe nur das Volk in
einzelnen Parteien aufzulösen und er wird darüber doch wohl
nen Zweifel mehr haben: Die „Ultramontanen", die Großveulschen, Z ,
die Pietisten, die Demokraten und die Offenburger verlangen e um
stimmig und mit größtem Nachdruck die Einberufung sterj^
Kammern. Ist Herr Jolly im Stande uns auch nur einen kleinen
Bruchtheil des Volkes anzugeben, welcher sich nicht unter die aust
geführten Parteien vertheilt, so antworte er in der Karlsruher^ - 1.
Zeitung. Wir wissen aber, daß er nichts sagen und daher schwem,^ en
gen wird. Oder sollte Herr Jolly so bescheiden fern, daß er
allein genügend wäre oder mit Eollega Beyer rm Arm das
hundert in die Schranken fordern mochte? Das Hal bis sttzl !
lange vorgehalten in Baden und es wird daher, wenn die ^egw crZi
ausharren, auch mit Excellenz Jolly rasch bergab gehen.
fallen da nicht die Worte Lindau's em am Schlüsse fernes „Offem Ury
Sendschreibens" an den Minister: „Noch vor wenigen .,,1^ üb-/
haltloser Professor und ohne Zuhörer haben Sie die höchste Mly
der Staatsdienerleüer in kurzer Zeit erklommen, bullten ^w, wu^^ agxz
mir nicht unwahrscheinlich dunkt, bald wieder herabsteigen, st M
ich Ihnen von Herzen, daß Ihre Nachfolger nicht Gleiches ;
Gleichem vergelten." Was müßte der Bote lachen, wenn '
Jolly noch zu den verkehrten Anstalten verpflanzt würde!
ff ff Aus dem Eaulande. Es war vorauszuseyen, Oer
Beschaffung der Organisteu-rc. Gehalte mancherlei E>chwierigte t
bereiten würde. Man hätte aber vorausfetzen ourfen,
ftens von Seilen kath. Oberftistungsralyes oiese Schwierig^
dehar
 
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