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Wahrlich ein gesinnnngstüchtiger, charakterfester Volksvertreter,
„der fich um Kleinigkeiten willen oder bloßen Wiederholungen zu
lieb die öffentlichen Verhandlungen zu verlängern sich nicht erlau-
ben wollte (allerunterthänigst ersterbend in tiefster Ehrfurcht), der
aber p08k l68turn über die „Kleinigkeiten" feinem gepreßten Her-
zen in sanftem Säuseln Luft macht! Und wer ist Schuld daran,
daß der ehrenwerthe Abgeordnete nachträglich Opposition machen
muß? Nimand anders als die katholischen Abgeordneten der II. Kam-
mer; diese hätten behauptet: in der katholischen Kirche hätte man
nie mehr als 2 Stunden für den Religionsunterricht in jeder
Klasse verlangt und verwendet, und darauf habe die Majorität das
gleiche Maß für beide christlichen Confessionen beschlossen. Hier
ertappen wir den Herrn Abgeordneten aus einer kleinen Escamo-
tage: nicht katholische Abgeordnete waren es, von denen die 2 Stun-
den vorgeschlagen wurden, der Uebelthäter war ein Genosse der
eigenen Partei des Herrn Holtzmann, es war der Herr Professor,
Predigeramtseanditntt, Weinhändler, Turn- und Feuerwehrhaupt-
mann Schmetzer von Ladenburg, der Mann mit dem bekannten
„freudigen Herzen". Der praktische Schulmann und Gottesgelehrte
mußte doch das Bedürfniß seiner Kirche für das Maß des Religions-
unterrichtes kennen! Er mag gedacht haben: Da wir mit allen
Dogmen, mit Tradition, Bibel und Bckenntniß Kehraus gemacht
und uns auf „die ursprüngliche Religion des menschlichen Herzens"
als Glaubensinhalt zurückgezogen haben, da unsere Religion „mit
ihrem Schwerpunkt nur in's Gewülh fällt", was ist denn da eigent-
lich noch viel zu unterrichten? Für was die armen Kinder nut
einem Unterricht plagen, der keinen positiven Inhalt mehr hat und
in einem Gesalbader noch individuellem Belieben besteht? Je weni-
ger, je besser! Aehnliche Glossen konnten die katholischen Abge-
ordneten nicht machen; denn diese „intelligenten Männer" mußten
ja wissen, daß iyre Kirche in „Dogmatismus und Tradition" be-
graben liegt, welch' große Anstrengung von Seilen der Lehrer und
Lernenden es bedürse zur Bewältigung des reichen Inventars an
Glaubens- und Sitttenlehren, zur tüchtigen Durchbildung in ihrem
kirchlichem Leben, wie es sich seit Jahrtausenden entwickelt. Für
diese Aufgabe hat die katholische Kirche die ganze Kraft und Aus-
dauer ihrer Priester, Lehrer und Katechumenen stets in Anspruch
genommen, und es war daher eine ganz irrige Behauptung jener
angeblich katholischen Männer: die katyolische Kirche habe sich seit-
her mit je 2 wöchentlichen Stunden für jede Kläffe begnügt. Die
Wahrheit ist, daß nach der Schulordnung vom Jahre 1834 für
den Religionsunterricht in jeder Schulklasse täglich eine halbe
Stunde außer dem Lesen rn der biblischen Geschichte festgesetzt war,
wovon dem Schullehrer 2 halbe Stunven für den biblischen Ge-
schichtsunterrichl, dem Geistlichen 4 halbe Stunden für den eigertt
lichen Religionsunterricht zufielen. In Schulen mit mehreren
Lehrern sollte sogar dem Religionsunterrichte eine Stunde gewidmet
werden. Die katholische Kirche hat auf genaue Einhaltung dieser
Stunden durch ihre Geistlichen streng gehalten, durch Ausstellung
besonderer erzbischöfl. Prüfungscomimssäre seit 1855 den Religions-
unterricht der Schullehrer und der Geistlichen überwachen lassen,
sogar durch eine erzbischöfl. Verordnung vom Jahre 1857 den
Geistlichen zur Pflicht gemacht, den Gesammtuuterricht in der Reli-
gion für alle Klassen der Volksschulen allein zu ertheilen, und nur
wo dies in ausgedehnten Pfarreien unmöglich sei, erlaubt, den
Schullehrer aushilfsweise zu verwenden. Wir wissen, daß der kath.
Clerus dieser Verpflichtung gewissenhaft nachgekommen ist, dagegen
missen wir auch, daß in den protestantischen Schulen der Religions-
unterricht fast ausschließlich von den Schullehrern ertheilt und nur
der Eonfirmandenunterricht von dem Geistlichen besorgt wird.
Wenn also der Herr Professor den Geistlichen der katholischen Kirche
vorwirft: „sie hätten offen stehende Posten unausgefüllt gelassen. . .
aus Bequemlichkeit nur 2 statt 3 Stunden Religionsunterricht vor-
gezogen", so ist das eine Unwahrheit, die er fernen angeblich kath.
Kammerautoritäten nachgebetet hat, eine Unwahrheit, die aber zur
Wahrheit wird, wenn er die Behauptung an die Geistlichen seiner
Kirche adressirt.
Wir haben zu wiederholten Malen in diesem Blatte auf die
erstaunenswerthe Unwissenheit protestantischer Seils in fast Allem,
was auf die katholische Kirche Bezug hat, aufmerksam gemacht.
Der Universitätsprosessor Holtzmann hat in dieser Beziehung das
Unglaublichste geleistet. Um nämlich zu erklären, warum die Katho-
liken sich mit zwei Stunden zufrieden gegeben, behauptet er: „die
katholische Kirche lege überhaupt ihrem ganzen Wesen nach nicht
den gleichen Werth auf den gleichen Religionsunterricht wie die
protestantische. Die katholische Kirche übe überhaupt ihre erziehe-
rischen Wirkungen mehr vom Beichstuhle als vom Lehrstuhl
aus; in den goldensten Zeiten der katholischen Kirche habe sie
entweder gar keinen Religionsunterricht ertheilen lasten, oder der-
selbe habe einzig und allein darin bestanden, „daß die Pathen das
Auswendiglernen des Glaubensbekenntnisses und einiger Beicht
formulare besorgt hätten, und mehr, so meint der Herr Pro-
fessor, bedürfe auch die katholische Kirche in der Thal
nicht." Wir zweifeln nicht, daß unsere katholischen Leser höchlich
ergötzt sein werden über das glänzende Zeugniß, das H^r Holtz-
mann ihren religiösen Kenntnissen aufstellt, über die Belehrung,
woher sie diesen Unterricht seither bezogen und wie viel sie davon
eigentlich nöthig hätten. Welch' goldene Tage werden für die kathol.
Geistlichen anbrechen, wenn die Halucinationenfdes Hvn. Professors
an dem Bedürfnisse der katholischen Kirche am Religionsunterricht
durch seine' hochweisen Colleges in der Kammer zum Metze erho-
ben werden! Die katholischen Priester setzen sich dann hie und da,
etwa alle Jahre einmal nach .4>em bekannten-Kirchengssetz- in den
Beichtstuhl, und Üben von doriäus gemUhlrch Uhre „erzieherische
Wirksamkeit", während mittlerweile die frommen Pathen mit der
lieben Jugend das Auswendiglernen des Glaubensbekenntnisses und
etwelcher Beichlsormeln besorgen; die katholischen Geistlichen aber
gehen im Uebrigen, Jahr ein, Jahr aus, spatzieren, während die
Geistlichen des Protestantenvereins aus der seitherigen idyllischen
Ruhe des gemüthlrchen Familienlebens ausgeschreckt, von Werb und
Kind getrennt, in der sechstäg gen Sabbathsruhe gestört in die
Schule eilen, um dort im Schweiße des Angesichts für die „ur-
sprüngliche Religion des menschlichen Herzens" und für das „Be-
wußtsein die Wahrheit nicht zu haben" sich zu opfern. Hr. Pro-
fessor Holtzmann hätte es wohl verdient, von der katholischen Geist-
lichkeit und der gesummten lieben Schuljugend mit einer Dank-
adresse beehrt zu werden, dafür, daß er beider Tagewerk verein-
facht, den katholischen Katechismus, den dickleibigen, für sie ab-
schafft und über ihnen die rosigen Tage eines holden Schlaraffen-
lebens aufgehen läßt. Vielleichr entschließt sich die Menschenfreund-
lichkeit des Hrn. Professors auch noch dazu, m folgerichtigem Fort-
gang die katholische Kirche zu Gunsten des obligaten alleinigen
Beichtstuhls für unnütz zu erklären und in Wegfall decretireu zu
lassen, wodurch er sich auch noch um das erwachsene katholische
Gesammtpublikum verdient machen würde. Ueberhaupl aber müssen
die Katholiken sehr dankbar sein für die Offenheit, mit der ihnen
jetzt schon ihre Stellung angewiesen wird für dis Zett, wo die
hoffnungsreiche Zukunslsttrche des Prolestanterwereins die bevor-
zugte Stellung und ausschließliche Herrschast, die man für sie
allerurtterthänigst in Anspruch genommen, im Musterstaate Baden
erhalten haben wird; Beichtstuhl und Beichtformulare nebst 12 Zei-
len Glaubensbekenntniß wäre Alles, was ihnen dann noch aller-
huldvollst gestattet werden könnte. Mehr als den Katholiken in
ihren „allergoldensten Zeilen" genügte, können sie doch auch heute
nicht beanspruchen! Mit welcher tiefen Einsicht in die katholische
Kirche und in ihr Wesen muffen die Jünger der protestantischen
Gottesgelahrtheit erfüllt werden, die zu den Füßen eines so kennt-
nrßreichen Meisters wie Pcosessor Holtzmann sitzen; wie muß ihr
protestantisches Bewußtsein sich gehoben fühlen gegenüder der mit
Glaubensbekenntnissen und Beichlsormutaren vor den hölzernen
Erziehungsänfiuuren in egyptischer Finsierniß liegenden katholischen
Menschheit!
IV.
Obgleich die Beschränkung des Religionsunterrichtes auf zwei
Stunden wöchentlich für jede Schulklasse von protestantischer Sette
ausging und unterstützt wurde, beschuldigte Herr Holtzmann den-
noch dre katholischen Kammermilglieder der Urheberschaft, um es
beileibe nicht mit den eigenen Glaubensgenossen zu veroerden, aber
auch mit den katholischen Abgeordneten will er gut Freund bleiben,
mit diesen „verdienstvollen Männern", die mit „anerkennenswerther
sittlicher Erregung, mit tief grollendem Zorn gegen das wenig
ehrenvolle Gewerbe, das ost mit der Religion getrieben wirb, gegen
die traurige Ausbeutung, welche dec religiöse Sinn des Volkes
nicht selten erfahren muß", den Religionsunterricht vermindert und
denselben „fast wie einen gemeinschädlichen Artikel behandelt haben".
Der Herr Professor erklärt sich „diese leidenschaftliche Erregtheit, zum
Theil" nervöse Angst vor der Kirche", aus den „Uebergriffen oes
Clerus nicht blos in der Schule, sondern auf allen Gebieten des
Lebens, von denen diese ehrenwerthen katholischen Männer ungleich
mehr zu erzählen wissen, jedenfalls ungleich unmittelbarer belloffen
werden als wir; und darin findet dec Herr Professor auch die
Ursache des merkwürdigen Unterschieds „zwischen dem mehr nega-
tiven Verhalten oder dem Mangel alles Verhaltens eines großen
Theils der protestantischen Bevölkerung gegenüber der orrhoooxen
oder pietistischen Geistlichkeit einerseits, und zwischen dem oiremen
Mißverhalten, der positiven Abneigung des aufgeklärten katholischen
Volkes gegen den Clerus neuesten jesuitischen Schnittes a'iderer-
setts" - d. h. mit verständlichen Worten, der Herr Professor hat
gefunden, daß das aufgeklärte Protest. Volk sich um ferne Kirche
und die Geistlichen nichts kümmert, aber auch keine Opposition
gegen dieselbe macht, während die „aufgeklärten Katholiken einen
erbitterten Kampf gegen ihre Kirche und die Geistlichen fuhren.
Die Wahrnehmung des Herrn Professors ist richtig; die Ulsache
jedoch des anständigen protestantischen Benehmens gegen diese
Kirche verschweigt er, weil er sie entweder nicht anzugeben weiß
oder nicht angeben will. Die Entschuldigungsgründe vollends, die
der Herr Professor für die leidenschaftliche Kampfesweise der auf-
geblähten Katholiken gefunden haben will, sind leere Phrasen, die
er sich aus seinem par amentarischen Bewußtsein zusammengesilch ,
verrannte Hirngespinste und Fieberphantasieen, denen in der ' lr -
lichkeit nichts entspricht. Wir glauben uns ein Verdienst um die
Belehrung des H.rrn Holtzmann in einem nüchterneren Zustanoe,
sowie vieler Protestanten und Katholiken zu erwerben, wenn wir
Wahrlich ein gesinnnngstüchtiger, charakterfester Volksvertreter,
„der fich um Kleinigkeiten willen oder bloßen Wiederholungen zu
lieb die öffentlichen Verhandlungen zu verlängern sich nicht erlau-
ben wollte (allerunterthänigst ersterbend in tiefster Ehrfurcht), der
aber p08k l68turn über die „Kleinigkeiten" feinem gepreßten Her-
zen in sanftem Säuseln Luft macht! Und wer ist Schuld daran,
daß der ehrenwerthe Abgeordnete nachträglich Opposition machen
muß? Nimand anders als die katholischen Abgeordneten der II. Kam-
mer; diese hätten behauptet: in der katholischen Kirche hätte man
nie mehr als 2 Stunden für den Religionsunterricht in jeder
Klasse verlangt und verwendet, und darauf habe die Majorität das
gleiche Maß für beide christlichen Confessionen beschlossen. Hier
ertappen wir den Herrn Abgeordneten aus einer kleinen Escamo-
tage: nicht katholische Abgeordnete waren es, von denen die 2 Stun-
den vorgeschlagen wurden, der Uebelthäter war ein Genosse der
eigenen Partei des Herrn Holtzmann, es war der Herr Professor,
Predigeramtseanditntt, Weinhändler, Turn- und Feuerwehrhaupt-
mann Schmetzer von Ladenburg, der Mann mit dem bekannten
„freudigen Herzen". Der praktische Schulmann und Gottesgelehrte
mußte doch das Bedürfniß seiner Kirche für das Maß des Religions-
unterrichtes kennen! Er mag gedacht haben: Da wir mit allen
Dogmen, mit Tradition, Bibel und Bckenntniß Kehraus gemacht
und uns auf „die ursprüngliche Religion des menschlichen Herzens"
als Glaubensinhalt zurückgezogen haben, da unsere Religion „mit
ihrem Schwerpunkt nur in's Gewülh fällt", was ist denn da eigent-
lich noch viel zu unterrichten? Für was die armen Kinder nut
einem Unterricht plagen, der keinen positiven Inhalt mehr hat und
in einem Gesalbader noch individuellem Belieben besteht? Je weni-
ger, je besser! Aehnliche Glossen konnten die katholischen Abge-
ordneten nicht machen; denn diese „intelligenten Männer" mußten
ja wissen, daß iyre Kirche in „Dogmatismus und Tradition" be-
graben liegt, welch' große Anstrengung von Seilen der Lehrer und
Lernenden es bedürse zur Bewältigung des reichen Inventars an
Glaubens- und Sitttenlehren, zur tüchtigen Durchbildung in ihrem
kirchlichem Leben, wie es sich seit Jahrtausenden entwickelt. Für
diese Aufgabe hat die katholische Kirche die ganze Kraft und Aus-
dauer ihrer Priester, Lehrer und Katechumenen stets in Anspruch
genommen, und es war daher eine ganz irrige Behauptung jener
angeblich katholischen Männer: die katyolische Kirche habe sich seit-
her mit je 2 wöchentlichen Stunden für jede Kläffe begnügt. Die
Wahrheit ist, daß nach der Schulordnung vom Jahre 1834 für
den Religionsunterricht in jeder Schulklasse täglich eine halbe
Stunde außer dem Lesen rn der biblischen Geschichte festgesetzt war,
wovon dem Schullehrer 2 halbe Stunven für den biblischen Ge-
schichtsunterrichl, dem Geistlichen 4 halbe Stunden für den eigertt
lichen Religionsunterricht zufielen. In Schulen mit mehreren
Lehrern sollte sogar dem Religionsunterrichte eine Stunde gewidmet
werden. Die katholische Kirche hat auf genaue Einhaltung dieser
Stunden durch ihre Geistlichen streng gehalten, durch Ausstellung
besonderer erzbischöfl. Prüfungscomimssäre seit 1855 den Religions-
unterricht der Schullehrer und der Geistlichen überwachen lassen,
sogar durch eine erzbischöfl. Verordnung vom Jahre 1857 den
Geistlichen zur Pflicht gemacht, den Gesammtuuterricht in der Reli-
gion für alle Klassen der Volksschulen allein zu ertheilen, und nur
wo dies in ausgedehnten Pfarreien unmöglich sei, erlaubt, den
Schullehrer aushilfsweise zu verwenden. Wir wissen, daß der kath.
Clerus dieser Verpflichtung gewissenhaft nachgekommen ist, dagegen
missen wir auch, daß in den protestantischen Schulen der Religions-
unterricht fast ausschließlich von den Schullehrern ertheilt und nur
der Eonfirmandenunterricht von dem Geistlichen besorgt wird.
Wenn also der Herr Professor den Geistlichen der katholischen Kirche
vorwirft: „sie hätten offen stehende Posten unausgefüllt gelassen. . .
aus Bequemlichkeit nur 2 statt 3 Stunden Religionsunterricht vor-
gezogen", so ist das eine Unwahrheit, die er fernen angeblich kath.
Kammerautoritäten nachgebetet hat, eine Unwahrheit, die aber zur
Wahrheit wird, wenn er die Behauptung an die Geistlichen seiner
Kirche adressirt.
Wir haben zu wiederholten Malen in diesem Blatte auf die
erstaunenswerthe Unwissenheit protestantischer Seils in fast Allem,
was auf die katholische Kirche Bezug hat, aufmerksam gemacht.
Der Universitätsprosessor Holtzmann hat in dieser Beziehung das
Unglaublichste geleistet. Um nämlich zu erklären, warum die Katho-
liken sich mit zwei Stunden zufrieden gegeben, behauptet er: „die
katholische Kirche lege überhaupt ihrem ganzen Wesen nach nicht
den gleichen Werth auf den gleichen Religionsunterricht wie die
protestantische. Die katholische Kirche übe überhaupt ihre erziehe-
rischen Wirkungen mehr vom Beichstuhle als vom Lehrstuhl
aus; in den goldensten Zeiten der katholischen Kirche habe sie
entweder gar keinen Religionsunterricht ertheilen lasten, oder der-
selbe habe einzig und allein darin bestanden, „daß die Pathen das
Auswendiglernen des Glaubensbekenntnisses und einiger Beicht
formulare besorgt hätten, und mehr, so meint der Herr Pro-
fessor, bedürfe auch die katholische Kirche in der Thal
nicht." Wir zweifeln nicht, daß unsere katholischen Leser höchlich
ergötzt sein werden über das glänzende Zeugniß, das H^r Holtz-
mann ihren religiösen Kenntnissen aufstellt, über die Belehrung,
woher sie diesen Unterricht seither bezogen und wie viel sie davon
eigentlich nöthig hätten. Welch' goldene Tage werden für die kathol.
Geistlichen anbrechen, wenn die Halucinationenfdes Hvn. Professors
an dem Bedürfnisse der katholischen Kirche am Religionsunterricht
durch seine' hochweisen Colleges in der Kammer zum Metze erho-
ben werden! Die katholischen Priester setzen sich dann hie und da,
etwa alle Jahre einmal nach .4>em bekannten-Kirchengssetz- in den
Beichtstuhl, und Üben von doriäus gemUhlrch Uhre „erzieherische
Wirksamkeit", während mittlerweile die frommen Pathen mit der
lieben Jugend das Auswendiglernen des Glaubensbekenntnisses und
etwelcher Beichlsormeln besorgen; die katholischen Geistlichen aber
gehen im Uebrigen, Jahr ein, Jahr aus, spatzieren, während die
Geistlichen des Protestantenvereins aus der seitherigen idyllischen
Ruhe des gemüthlrchen Familienlebens ausgeschreckt, von Werb und
Kind getrennt, in der sechstäg gen Sabbathsruhe gestört in die
Schule eilen, um dort im Schweiße des Angesichts für die „ur-
sprüngliche Religion des menschlichen Herzens" und für das „Be-
wußtsein die Wahrheit nicht zu haben" sich zu opfern. Hr. Pro-
fessor Holtzmann hätte es wohl verdient, von der katholischen Geist-
lichkeit und der gesummten lieben Schuljugend mit einer Dank-
adresse beehrt zu werden, dafür, daß er beider Tagewerk verein-
facht, den katholischen Katechismus, den dickleibigen, für sie ab-
schafft und über ihnen die rosigen Tage eines holden Schlaraffen-
lebens aufgehen läßt. Vielleichr entschließt sich die Menschenfreund-
lichkeit des Hrn. Professors auch noch dazu, m folgerichtigem Fort-
gang die katholische Kirche zu Gunsten des obligaten alleinigen
Beichtstuhls für unnütz zu erklären und in Wegfall decretireu zu
lassen, wodurch er sich auch noch um das erwachsene katholische
Gesammtpublikum verdient machen würde. Ueberhaupl aber müssen
die Katholiken sehr dankbar sein für die Offenheit, mit der ihnen
jetzt schon ihre Stellung angewiesen wird für dis Zett, wo die
hoffnungsreiche Zukunslsttrche des Prolestanterwereins die bevor-
zugte Stellung und ausschließliche Herrschast, die man für sie
allerurtterthänigst in Anspruch genommen, im Musterstaate Baden
erhalten haben wird; Beichtstuhl und Beichtformulare nebst 12 Zei-
len Glaubensbekenntniß wäre Alles, was ihnen dann noch aller-
huldvollst gestattet werden könnte. Mehr als den Katholiken in
ihren „allergoldensten Zeilen" genügte, können sie doch auch heute
nicht beanspruchen! Mit welcher tiefen Einsicht in die katholische
Kirche und in ihr Wesen muffen die Jünger der protestantischen
Gottesgelahrtheit erfüllt werden, die zu den Füßen eines so kennt-
nrßreichen Meisters wie Pcosessor Holtzmann sitzen; wie muß ihr
protestantisches Bewußtsein sich gehoben fühlen gegenüder der mit
Glaubensbekenntnissen und Beichlsormutaren vor den hölzernen
Erziehungsänfiuuren in egyptischer Finsierniß liegenden katholischen
Menschheit!
IV.
Obgleich die Beschränkung des Religionsunterrichtes auf zwei
Stunden wöchentlich für jede Schulklasse von protestantischer Sette
ausging und unterstützt wurde, beschuldigte Herr Holtzmann den-
noch dre katholischen Kammermilglieder der Urheberschaft, um es
beileibe nicht mit den eigenen Glaubensgenossen zu veroerden, aber
auch mit den katholischen Abgeordneten will er gut Freund bleiben,
mit diesen „verdienstvollen Männern", die mit „anerkennenswerther
sittlicher Erregung, mit tief grollendem Zorn gegen das wenig
ehrenvolle Gewerbe, das ost mit der Religion getrieben wirb, gegen
die traurige Ausbeutung, welche dec religiöse Sinn des Volkes
nicht selten erfahren muß", den Religionsunterricht vermindert und
denselben „fast wie einen gemeinschädlichen Artikel behandelt haben".
Der Herr Professor erklärt sich „diese leidenschaftliche Erregtheit, zum
Theil" nervöse Angst vor der Kirche", aus den „Uebergriffen oes
Clerus nicht blos in der Schule, sondern auf allen Gebieten des
Lebens, von denen diese ehrenwerthen katholischen Männer ungleich
mehr zu erzählen wissen, jedenfalls ungleich unmittelbarer belloffen
werden als wir; und darin findet dec Herr Professor auch die
Ursache des merkwürdigen Unterschieds „zwischen dem mehr nega-
tiven Verhalten oder dem Mangel alles Verhaltens eines großen
Theils der protestantischen Bevölkerung gegenüber der orrhoooxen
oder pietistischen Geistlichkeit einerseits, und zwischen dem oiremen
Mißverhalten, der positiven Abneigung des aufgeklärten katholischen
Volkes gegen den Clerus neuesten jesuitischen Schnittes a'iderer-
setts" - d. h. mit verständlichen Worten, der Herr Professor hat
gefunden, daß das aufgeklärte Protest. Volk sich um ferne Kirche
und die Geistlichen nichts kümmert, aber auch keine Opposition
gegen dieselbe macht, während die „aufgeklärten Katholiken einen
erbitterten Kampf gegen ihre Kirche und die Geistlichen fuhren.
Die Wahrnehmung des Herrn Professors ist richtig; die Ulsache
jedoch des anständigen protestantischen Benehmens gegen diese
Kirche verschweigt er, weil er sie entweder nicht anzugeben weiß
oder nicht angeben will. Die Entschuldigungsgründe vollends, die
der Herr Professor für die leidenschaftliche Kampfesweise der auf-
geblähten Katholiken gefunden haben will, sind leere Phrasen, die
er sich aus seinem par amentarischen Bewußtsein zusammengesilch ,
verrannte Hirngespinste und Fieberphantasieen, denen in der ' lr -
lichkeit nichts entspricht. Wir glauben uns ein Verdienst um die
Belehrung des H.rrn Holtzmann in einem nüchterneren Zustanoe,
sowie vieler Protestanten und Katholiken zu erwerben, wenn wir