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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Rundschau in Baupolitik und Bauwirtschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0018

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RUNDSCHAU IN BAUPOLITIK UND BAUWIRTSCHAFT

Bewegung im Berliner Städtebau.

Allmählich breitet sich die Überzeugung, daß es
mit Berlin so nicht weiter geht, in immer mehr
Köpfen aus. Was man auch in der Reichshauptstadt
an größeren baulichen Plänen anfaßt, alles ist wie
mit Widerhaken festgehakt in allen andern Fragen
des Städtebaus, keins ist vom andern zu lösen, und
alles verlangt aufs dringlichste nach der umfassen-
den Planung. So die Hochhausfrage, so die Ver-
einheitlichung und Erweiterung des Verkehrs durch
die neue städtische Verkehrsgesellschaft, so die
Auflassung des Moabiter Zellengefängnisses, die
Frage des neuen Kunstpalastes, die Entwicklung der
Häfen und so fort. Nicht zu vergessen die Bauaus-
stellung.

Nicht ohne Befriedigung vernimmt man, daß es
künftig ein „Amt für Stadtplanung der
Stadt Berlin" gibt oder geben soll, wenn man
dem Aufdruck einer Denkschrift trauen darf, die
dieser Tage als Entwurf verbreitet worden ist. Es
wird interessant sein zu erfahren, ob diesem neuen
Amt auch ein neuer organisatorischer Apparat ent-
spricht oder, was noch besser wäre, eine neue Idee
für die Zusammenfassung aller beteiligten Instanzen
zu reibungsloser gemeinsamer Arbeit. Denn bevor
nicht geklärt ist, wer die Dinge machen soll, ist kaum
eine realisierbare Antwort auf die Frage zu er-
warten, wie sie gemacht werden sollen.

Den entschlossenen Willen der Interessenten —
die ja schließlich mit ihrer wirtschaftlichen Arbeit
das Lebensblut in den Stadtkörper hereinholen und
damit erst der Verwaltung etwas zu verwalten
geben — den entschlossenen Willen dieser Gruppe,
sich aus der Entwicklung nicht ausschalten zu
lassen, zeigt die Tatsache, daß der City-Aus-
schuß im Begriffe ist, ein besonderes Komitee
zur Sanierung der Stadtviertel Moabit und Wedding
zu bilden. Das ist interessanter, als es sich anhört.
Der Kunstkritiker der „Vossischen Zeitung", Max
Osborn, nimmt ausführlich zu den Problemen, die
mit diesem Thema zusammenhängen, Stellung. Es
handelt sich um nichts geringeres als darum, das
ganze Nordwestviertel der Stadt vollkommen um-
zugestalten, indem der Lehrter Bahnhof mit seinem
Güterverkehr aus der Stadt hinaus verlegt wird,
das Landesausstellungsgebäude in eine zentralere
Lage kommt, die Wüstenei der Schuppen und Lager-
häuser beseitigt wird und — wie wir hinzufügen
möchten — auch die Kasernen aus dem Weg ge-
räumt werden. Was gewonnen würde, wäre einmal
ein ideales Ausstellungsgelände, weit besser als das
abgelegene in Witzleben. Dann aber wäre auch
Platz für den längst notwendigen Nord-Süd-Durch-
bruch der Eisenbahn mit einem Bahnhof an der Kreu-
zung der beiden Richtungen, etwa in der Gegend
des heutigen Lehrter Bahnhofs, wie ihn Martin Mäch-
ler in seinem Projekt eines Friedrich-List-Bahnhofs
vorgeschlagen hat. Ein Bahnhof freilich ohne die
Begleiterscheinungen des Güterverkehrs, ein ein-
faches, zum großen Teil unterirdisches Kreuz, das
Fadenkreuz des kontinental-europäischen Verkehrs.
An das sich von selbst auf dem (an sich reizvollen)
Gelände am Nordufer der Spree das Fremden- und

Hotelviertel anschließen würde, das Berlin heute
nicht hat.

Diese Gedanken einer durchgreifenden funktio-
nellen Verbesserung und damit auch einer Verschö-
nerung der Stadt Berlin gerade in diesem Nord-
westviertel ist seit der Ausstellung im Sommer 1927
nicht mehr zur Ruhe gekommen. Er bewegt jetzt
offenbar auch die Stadtverwaltung. Denn jene
Denkschrift des neuen Amtes für Stadtplanung
nennt sich eine „Studie für eine Zusammenlegung
der Berliner Bahnhöfe und ihre Verbindung unter-
einander" und ist auf Veranlassung und nach einer
Idee von Stadtbaurat Dr.-lng. Martin Wagner, von
Magistrats-Oberbaurat Koppen und sieben Mitar-
beitern verfaßt. Über ihren Inhalt werden wir noch
berichten. —

Die Bauausstellung beschlossen.

Die Berliner Stadtverordneten haben den Vertrag
zwischen der Stadt und dem Verein Bauausstellung,
der die rechtliche und finanzielle Grundlage der
Bauausstellung 1930 liefert, mit einigen Abände-
rungen genehmigt. Die Ausstellung ist damit äußer-
lich gesichert. Ein Ausschuß des Stadtparlaments
soll die Einzelheiten der Programmgestaltung und
des Gelände-Ausbaues überwachen. Personalfragen
sind noch zu regeln; Pressenachrichten zufolge soll
das Ausstellungs- und Messeamt beabsichtigen,
einige Persönlichkeiten aus dem Verein in seinen
Vorstand sowie für die praktische Arbeit zu über-
nehmen. Diese sollen dann auch dem oft erhobenen
Ruf nach einem Programm Genüge tun.

Rationalisierung im Handwerk.

Reichsverband des deutschen Handwerks und
Handwerkskammertag haben einen gemeinsamen
Rationalisierungsausschuß eingesetzt. In einer
ersten Arbeitssitzung wurde als sachliches Ziel fest-
gestellt: reibungslose Zusammenarbeit zwischen
allen Berufsvertretungen des Handwerks sicherzu-
stellen. Eine Materialsammlung ist eingeleitet, die
vom Arbeitsausschuß zur Grundlage sachlicher Vor-
schläge gemacht werden soll.

Küchen und Glas.

Es ist doch wohl notwendig, noch einmal auf die
vorzügliche Ausstellung aufmerksam zu machen, die
in Berlin in den Räumen der Staatlichen Künste
schulen Glas als Baustoff und moderne Küchen
zeigt. Aus irgendeinem Grunde ist sie von der
Tagespresse kaum beachtet worden. Dabei sind
beide Themen potentiell von höchster Popularität.
Das Glas ist in der Tat einer der Baustoffe der Zu-
kunft; was der Dichter Scherbart darüber phanta-
sierte, beginnt heute Realität zu werden. Die Küche
als der tägliche Versorgungsbetrieb von 90 v. H. des
Volkes, als — noch immer — tägliche Arbeitsstätte,
mindestens für einige Stunden, der großen Mehr-
zahl der Frauen ist damit eine der wichtigsten Zel-
len des volkswirtschaftlichen Körpers. Was die
Architekten des „Ring" zeigen, ist von diesem Be-
wußtsein aus durchgearbeitet und verdiente, von
allen Frauen — und warum schließlich nicht auch von
den Männern? — gesehen zu werden. Bis Mitte
Januar ist die Ausstellung noch offen.

A. Schwab
 
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