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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Zur Ausstellung "Handwerkskunst im Zeitalter der Maschine" in der Städtischen Kunsthalle Mannheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0035

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der künstlerischen Gestaltung ausgeht und das Ma-
terial und die Technik sich dienstbar macht. Dieser
Mensch hat das Recht zur eigenen Formensprache.
Oder es handelt sich um einen Handwerker im
besten Sinn, der gar nicht den Ehrgeiz hat, beson-
dere Formen in persönlicher Handschrift wiederzu-
geben, der gewisse Formen als gegeben und richtig
ansieht und der seine Arbeit so macht, daß Material
und Technik noch lebendig aus dem fertigen Pro-
dukt zu spüren sind. Man sehe sich die Ausstellung
offenen Auges an. All die Dinge, die eine persön-
liche Handschrift tragen, werden gesucht eigenartig
und interessieren nicht mehr. Man geht über sie
hinweg und freut sich, wenn man zu einer beschei-
denen, einfachen Form gelangt, die ohne jeden Ehr-
geiz besonderer Gestaltung anständiges Hand-
werkserzetignis ist. Gewiß steht hinter den besten
Erzeugnissen eine Handwerkerpersönlichkeit, die
verantwortlich für die anständige Haltung des Ob-
jekts ist. Aber bei den besten Dingen tritt sie hinter
dem Werk und hinter der Werkstätte zurück. Man
betrachte sich die ausgezeichneten Proben der We-
berei der Frankfurter Schule oder die Webereien
der Haller Schule oder des Bauhauses. Diese Dinge
sind deshalb so gut, weil sie unpersönliches Hand-
werk im besten Sinn sind. Uberhaupt zeichnen sich
auf allen Gebieten die Arbeiten der Schule in Halle
durch den Ernst und die Qualität ihrer Arbeit aus.
Hinter all diesen Objekten, ob in Silber, in Messing,
in Textil oder Email, steht nicht eine Künstlerper-
sönüchkeit, sondern alle sind aus der gleichen ge-
sunden Einstellung zum Handwerk entstanden. Kein
Beschauer wird sich diesem starken Einfluß ent-
ziehen können.

Wenn man dem Handwerk im Rahmen der Gestal-
tung einen Platz zuweisen will, so darf man es nicht
so sehr in Gegensatz zur Industrie stellen, wie es
oft geschieht, und es damit zugleich als „ange-
wandte Kunst" an die linke Seite der Kunst stellen.
Die Tatsache, daß die handwerkliche Erzeugung
immer serienmäßig war, sollte denen zu denken
geben, die auf die Rolle des Handwerks als Her-
steller von Einzelstücken verweisen. Die besten
Objekte der Ausstellung in Mannheim sind Serien-
stücke. Allerdings diese handwerkliche Serie ist
etwas anderes als die industrielle Serie, denn die
handwerkliche Serie kennt eine Wandlungsmöglich-
keit und jedes Stück der Serie sollte das vorher-
gehende an Qualität und Gestaltung übertreffen.
Das Bestreben des Handwerkers, immer noch bes-
ser, noch schöner zu gestalten und diese Besserung
der Qualität angedeihen zu lassen und nicht beson-
deren Verzierungen oder Formen, ist bezeichnend
dafür, daß es ihm auf das Objekt und das Material
ankommt, daß ihm gewissermaßen ein Idealprodukt
vorschwebt, dem er mit jedem Stück näher zu kom-
men sucht. Die Serie der Industrie besteht aus
nahezu vollkommen gleichen Objekten, die Serie des
Handwerkers besteht aus einer Reihe, die in bezug
auf die Qualität aufwärts steigt. In der Industrie
ließe sich etwas ähnliches darstellen, wenn man
aus verschiedenen nacheinander entstandenen
Serien, die verbessert und verfeinert worden sind,
einzelne Objekte nebeneinander stellen würde, wie
man das mit dem Boschzünder auf der Ausstellung
„Die Form ohne Ornament" getan hat.

Sicherlich ruht der Handwerker auch einmal mit
einer ganzen Anzahl von Erzeugnissen auf einem
bestimmten Entwicklungsgrad. Es fallen auch ein-
mal weniger gelungene Objekte dazwischen und vor
allen Dingen laufen stets sozusagen mehrere Serien
seiner Erzeugung nebeneinander, weil er verschie-
dene Objekte nebeneinander herstellen muß und
kann. Die handwerkliche Erzeugung ist daher der
industriellen gar nicht so entgegengesetzt, wie man
leicht glauben mag. Man soll sich auch darüber klar
sein, daß den guten Handwerker die Darstellung
einer besonderen Form gar nicht so sehr interessiert
wie die Materialdarstellung. Die Form nimmt er
meist als gegeben hin oder sie erwächst ihm wie
von selbst als Kind seiner Zeit aus seinem Verhält-
nis zum Leben und zur Umwelt heraus. Ja, er sieht
sie irgendwo, sie ist ihm schon von seinem Meister
vererbt oder ein Künstler hat sie ihm einmal an die
Hand gegeben. Man soll nicht aus dem Handwerker
einen Künstler machen wollen, vor allem nicht einen,
der den Ehrgeiz individueller Formung besitzt, oder
wir werden schlechte Handwerker bekommen, die
auch schlechte Kunstgewerbler sind.

Es wird sicher auch, wenn eine neue Handwerker-
Generation erwächst, unter diesen merkwürdige und
eigenwillige Persönlichkeiten geben, die ihre eige-
nen Wege gehen und die etwas zu sagen haben
werden, was auf künstlerische Geltung Anspruch
hat. Aber man soll nicht die ganze Frage unter
diesem Gesichtspunkt sehen. Der Tafelmaler des
Mittelalters hat auch keine Persönlichkeiten erzo-
gen, sondern Lehrbuben, die gut Farben mischen
und pinseln konnten. Die großen Persönlichkeiten
sind von selbst geworden. Seien wir uns doch dar-
über klar, daß das Kunstgewerbe zusammen mit der
Kunstgewerbeschule Schiffbruch erlitten hat und
zwar deshalb, weil man jene Zwitterpersönlichkeit
von Künstler und Handwerker absichtlich erzogen
hat, der schließlich uns die unangenehmen manie-
rierten, dekorativen Formen gebracht hat, denen
man überall als übelstem Ornament begegnet. Wenn
heute das Bauhaus auf die Gestaltung der industri-
ellen Arbeit hingewiesen hat und im großen und gan-
zen richtige Wege gegangen ist, weil es die industri-
elle Herstellung und die formenbildende Kraft der
Maschine als oberstes Gesetz anerkannt hat, dann
sollte man auch im Handwerk die formenbildende
Kraft an derselben Stelle suchen. Wir reden hier
nicht von dem Handwerk, das gezwungen ist, im
Dienst der Mode jeden Tag sich umzustellen, wie wir
auch nicht von der Industrie reden, die im Dienst der
Mode steht. Wir reden von dem Handwerk, das Ob-
jekte schafft, für die ein Bedürfnis auch im Rahmen
der modernen Lebensformen besteht und zwar des-
halb, weil man handwerkliche Qualitäten schätzt und
nicht, weil das Handwerk sich rascher umstellen
kann auf modische Effekte. Die verhältnismäßig
gute wirtschaftliche Rentabilität der handwerklichen
Textilwerkstätten, der Töpfereien, der Email- und
Metallwerkstätten sollte ein Wegweiser auch für
andere Handwerksgebiete sein. Ausgesprochen ge-
schmacklose Dinge in handwerklicher Erzeugung
gibt es auf diesen Gebieten sehr wenig, und das ist
ein Zeichen, daß die Abnehmer dieser Dinge einer
Schicht angehören, die modern denkt und empfindet.

W. L.

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