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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Rheingold-Zug
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0042

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bracht sind. Die Art der Anbringung der Birnen an
merkwürdigen modernistischen Ornamenten, die Pro-
file, die Form der Tische und vor allen Dingen der
Tischbeine geben durchaus das Bild eines Hotel-
vorraumes in altmodischem Stil wieder. Jedenfalls
ist bei der Durchbildung des Inneren dieses Wagens
nichts von modernem Geist zu spüren. Auch der
Wagen 1. Klasse gibt in Wirklichkeit einen wenig
günstigeren Eindruck als Ihre Wiedergabe.

Und das ist schade; denn dieser Zug, der
schnellste, der augenblicklich in Deutschland ver-
kehrt und von Holland bis nach der Schweiz geht
und vor allem viel internationales Publikum für
wenige Stunden beherbergt, sollte doch den Geist
des fortschrittlichen Deutschlands etwas besser
verkörpern und nicht mit diesen bedenklichen, alt-
modischen Dingen ausgestattet werden. E.W.

BUCHBESPRECHUNGEN

Berlin in Bildern. 100 Aufnahmen von
Sasha Stone. Herausgegeben von Adolf Behne.
Fünfter Band der Serie Orbis urbium. In Leinen
8,50 M. Wien 1929, Verlag von Dr. Hans Epstein.

Mit der Energie eines Teufelaustreibers geht
Adolf Behne dem Ungeschmack zu Leibe. Er faßt,
ist aber selbst nicht leicht zu fassen, denn er ver-
steht es, je nach der Gelegenheit die Methode zu
wechseln: einmal bekämpft er den Ästhetizismus mit
der Vernunft, ein andermal beseitigt er die Vernunft-
schablone durch die Ästhetik, — je nachdem Ästhe-
tik oder Schablone überfällig geworden sind.

Vor zwanzig Jahren haben wir, eine kleine Kom-
mission von Künstlern und Schriftstellern, unter Füh-
rung von Friedrich Naumann und im Auftrage des
Deutschen Werkbundes, „Materialien zu einem Füh-
rer durch das künstlerische Berlin" im Druck er-
scheinen lassen. Die Idee kam nicht zur vollen Ent-
faltung, weil sie falsch und zu literarisch gefaßt
war; es fehlte die bildliche Anschauung, und, ein
Publikum vorauszusetzen, das, an der Hand eines
Führers wandernd, Kunst „suchen" werde, war allzu
optimistisch. So aber, wie Behne und der ausge-
zeichnete Photograph Sasha Stone die Sache an-
greifen, ist es richtig. Ohne Proklamationen wird
man diesen Bildbericht aus der Großstadt Berlin
kaufen, weil das Buch gut ausgestattet und in An-
betracht der gebotenen Reichhaltigkeit preiswert
ist; aber dann sollen den Käufern, in jedem Sinne
des Wortes, die Augen aufgehen. Die bisherigen
„Führer" und Ansichtskarten, die den Besuchern
Berlins zur Verfügung standen, schlössen eine per-
sönliche Betrachtungsweise vollkommen aus; ein
Schloß wurde ganz genau so behandelt wie eine
Eisenbahnbrücke, und eine schablonenhafte Re-
tusche rückte die Gegenstände in plumpe Nähe, um
sie zugleich seelisch hoffnungslos und unerreichbar
zu distanzieren. Eine Stadt will aber in allen Teilen
räumlich erlebt werden. Nur plastisches Sehen kann
dazu verhelfen. Wer diesen Behne - Stoneschen
Führer durchblättert, kann es lernen, ohne daß er
weiß, was ihm geschah. Die in schönem Tiefdruck
wiedergegebenen photographischen Aufnahmen sind
meisterhaft, jede einzelne von ihnen bedeutet ein
Stück lebendigste Wirklichkeit. Sie sind, um ein
Wort Dürers zu variieren, aus der Natur herausge-

rissen, und mit allen Vorteilen der Technik und Per-
spektive sozusagen dramatische Ereignisse gewor-
den; dem widerspricht nicht, daß es sich oft um tote
Gegenstände handelt, man sehe nur die Schlüter-
sche Maske vom Zeughaus, die Schinkelsche Mu-
seumsvorhalle, den Begasbrunnen oder dergleichen.
So birgt dieses Buch in der Tat lebendige Erinne-
rung. Wer aber die Wirklichkeit daneben hat, wird,
nun noch gefördert durch Licht, Luft und Farbe,
manches mit neuen Augen anschauen. — Behne
wählte und ordnete die Bilder und gab dem Buch
eine Einleitung über die städtebauliche Entwicklung
Berlins, die ohne die willkürlichen Eingriffe fürst-
licher Repräsentanten organischer hätte verlaufen
müssen; dazu bei der Einzelbeschreibung der Bilder
kunsthistorische Angaben, unter Anerkennung von
Max Osborns Vorarbeit. Fritz Hellwag

Die Welt ist schön. 100 Photos von Albert
Renger - Patzsch. Mit einer Einführung von Carl
Georg Heise. Kurt Wolff Verlag, München.

Lübeck. 80 photographische Aufnahmen von
Albert Renger-Patzsch. Mit einer Einleitung von Carl
Georg Heise. Verlag Ernst Wasmuth A. G., Berlin.

In erstaunlich kurzer Zeit ist A. Renger-Patzsch zu
einem Ruhm gelangt, der kaum jemals einem Photo-
graphen beschieden war. Mit vollem Recht: denn
durch ihn erst ist die Photographie ganz zu dem
geworden, was ihre eigentliche Aufgabe sein muß.
Hier tritt das Lichtbild nicht in einen — ungleichen
und niemals mit ehrlichen Waffen auszufechtenden —
Kampf mit der bildenden Kunst, es sucht nicht durch
Finessen der Belichtung oder des Druckes zu wir-
ken, sondern es tut nur das, was seiner Natur gemäß
ist: es empfängt Erscheinungen und gibt sie wieder,
so vollkommen, wie es der technische Vorgang her-
gibt, wenn ein echter Meister ihn lenkt, in der Tat
ist die technische Vollkommenheit dieser Bilder
schlechterdings nicht mehr zu übertreffen, in der
Weichheit und Ausdruckskraft der Modellierung, die
auch noch die hellsten und dunkelsten Stellen mit
lebendiger Form füllt. Ebenso meisterhaft sind die
Ausschnitte der Bilder, wobei die sehr naheliegende
Gefahr der Künstelei stets vermieden wird. Aber
das Wesentlichste sind nicht diese technischen
Dinge, es ist vielmehr die Art, wie Renger-Patzsch
die Welt sieht, was er an ihr sieht, was ihm „schön"
erscheint. Daraus spricht allerdings ein Mensch von
ganz besonders feiner Organisation, noch dazu ein
sehr modern gesinnter Mensch: Kunst, Natur und
Technik sind für ihn die Reiche, aus denen er sich
seine Bilder holt, überall entdeckt er „Schönheiten",
sieht er Lebendiges, und gerade für uns, die wir stets
an die „Einheit der Welt" geglaubt und uns gegen
die Lehre von der Verhäßlichung der Welt durch die
Technik gewehrt haben, ist sein Schaffen eine schöne
Bestätigung. Es spricht ein echter, nicht flacher,
sondern tiefer Optimismus aus diesen Büchern und
verleiht ihnen auch eine erzieherische Bedeutung,
von der die Schulen recht bald und ausgiebig Ge-
brauch machen sollten. W. R.

Anschriften der Mitarbeiter dieses Heftes:

Dr. Adolf Behne, Charlottenburg I, Grünstraße 16

Dr. Alexander Schwab, Berlin W 57, Potsdamer Straße 93

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