Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0248
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Gärtner, E.: Keramik in der Gestalt der Zeit
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Dose aus geschnittenen Tonscheiben
Dorkas Reinacher-Härlin
als Quell vitaler und hochseelischer Kultur-
antriebe, ohne die uns der Zustand des Amei-
senhaufens droht.
Allerdings fällt unter diesen zweiten Betracht
vorwiegend wohl nur solche Keramik, die nicht
ein Leben im Winkel führt, sondern dem formbil-
denden Zuge der Zeit mit offenem Sinn und mit
offenen Sinnen folgen kann, ohne den innersten,
eigenen Wert preiszugeben. Da erleben wir dann
wahre Wunder der kulturellen Entsprechungen:
das harte Eisen, der grobe Beton, das kalte Bau-
glas, sie sind dem weich bildsamen, nach der
handwerklich bildenden Hand verlangenden Ton
keineswegs so feindlich und ausschließend ent-
gegengesetzt, wie es zunächst wohl scheinen
könnte. Es ist vielmehr eine Keramik möglich, ja
wirklich und greifbar, in der wir die bezeichnen-
den Kulturwerte radikal moderner Architektur
wiederfinden: die Einsinnigkeit des Zweck- und
Formgedankens, die anschauliche Breite, die
lineare Beschwingtheit, die Gesinnung zur
Größe. Hier wird das Individuelle nicht verraten,
aber überindividuell gesteigert, hier wird das
handwerkliche Verfahren nicht aufgegeben, aber
der feste Punkt des Zeitgefühls erobert, wo die
Geschwisterlichkeit der Techniken im Dienst an
der Zeitseele über Gegensätze des Vordergrun-
Doppelte Blumentopfhüile
Dorkas Reinacher-Härlin
204
Dorkas Reinacher-Härlin
als Quell vitaler und hochseelischer Kultur-
antriebe, ohne die uns der Zustand des Amei-
senhaufens droht.
Allerdings fällt unter diesen zweiten Betracht
vorwiegend wohl nur solche Keramik, die nicht
ein Leben im Winkel führt, sondern dem formbil-
denden Zuge der Zeit mit offenem Sinn und mit
offenen Sinnen folgen kann, ohne den innersten,
eigenen Wert preiszugeben. Da erleben wir dann
wahre Wunder der kulturellen Entsprechungen:
das harte Eisen, der grobe Beton, das kalte Bau-
glas, sie sind dem weich bildsamen, nach der
handwerklich bildenden Hand verlangenden Ton
keineswegs so feindlich und ausschließend ent-
gegengesetzt, wie es zunächst wohl scheinen
könnte. Es ist vielmehr eine Keramik möglich, ja
wirklich und greifbar, in der wir die bezeichnen-
den Kulturwerte radikal moderner Architektur
wiederfinden: die Einsinnigkeit des Zweck- und
Formgedankens, die anschauliche Breite, die
lineare Beschwingtheit, die Gesinnung zur
Größe. Hier wird das Individuelle nicht verraten,
aber überindividuell gesteigert, hier wird das
handwerkliche Verfahren nicht aufgegeben, aber
der feste Punkt des Zeitgefühls erobert, wo die
Geschwisterlichkeit der Techniken im Dienst an
der Zeitseele über Gegensätze des Vordergrun-
Doppelte Blumentopfhüile
Dorkas Reinacher-Härlin
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