Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

DOI Artikel:
Hilberseimer, Ludwig: Städtebau und Wohnungsbau auf der Technischen Tagung der Reichsforschungsgesellschaft
DOI Artikel:
Schwab, Alexander: Ist die Genossenschaftsstadt möglich?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0352

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
mern. Auch hier haben sich neben Hygienikern und
dem Verein für Wohnungsreform nur Architekten
mit den für die Volksgesundheit wichtigen Fragen
beschäftigt, ohne allerdings bei den bestehenden
Verhältnissen ihre Forderungen durchsetzen zu kön-
nen. Man baute eben damals, was verlangt wurde,
und für den Proletarier war das Schlechteste
gerade gut genug. Erst in der Nachkriegszeit wur-
den die Architekten zum Wohnungsbau herange-
zogen. Leider kamen die wenigen, die sich wirklich
ernsthaft mit dem Problem der Wohnung, vor allem
von der sozialen Seite her, beschäftigten und die
zuerst die heute allgemein diskutierten Fragen auf-
warfen, kaum dazu, ihre wichtige Arbeit der Allge-
meinheit nutzbar zu machen. Das ist einer der
Punkte, wo die Reichsforschungsgesellschaft voll-
kommen versagt hat. Man begnügte sich im wesent-
lichen mit dem Bestehenden und scheute sich vor
einer Auseinandersetzung mit neuen Forderungen
und Möglichkeiten.

Sehr zum Schaden des Wohnungsbaus ist auch
seine heute übliche Art der Durchführung. Paul A.
B. Frank, Hamburg, sagt sehr richtig (Arbeitsvorbe-
reitung beim Architekten), daß ein modernes Archi-
tekturbüro zwangsläufig in gewisser Art ebenfalls
zu einer Großunternehmung wird. Von einem Archi-
tekten wird heute verlangt, daß er alle die mit dem
Wohnungsbau zusammenhängenden geschäftlichen
und finanziellen Aufgaben zu erfüllen versteht, wo-
bei die eigentlich schöpferische Arbeit des Architek-
ten notwendig unter dieser ganz anders gearteten
Tätigkeit leiden muß. Es ist daher kein Zufall, daß
gerade die geschäftliche Tüchtigkeit des Architek-
ten sehr häufig zum Nachteil des zu schaffenden
Objekts im Vordergrund steht. Das Prinzip der
Arbeitsteilung kann es im Interesse der Leistung
nicht zulassen, vollkommen zu trennende Disziplinen
in einer Hand zu vereinigen. Im Gegenteil ist zur Er-

reichung des Ziels planmäßige Trennung der ver-
schiedenen Arbeitsgebiete durchaus notwendig, um
einen unfruchtbaren Dilettantismus zu vermeiden,
der der eigentlichen Aufgabe, gute Wohnungen zu
schaffen, hinderlich ist.

Aber ist das Arbeitsgebiet der Reichsforschungs-
gesellschaft nicht ähnlich überlastet? Beschäftigt
man sich bei ihr nicht auch mit Arbeiten, die zweck-
mäßiger von der Industrie übernommen, von den
eigentlichen Betrieben durchgeführt oder von einem
wirklichen Forschungsinstitut geleistet würden?
Statt noch mehr Arbeitsgebiete an sich zu ziehen,
sollte man sich mehr ins einzelne vertiefen. Vor
allem sich mehr der eigentlichen Wohnung zuwen-
den, wo noch unendlich viel zu erforschen ist. Aber
diese Forschung hängt wesentlich mit der Erfahrung
zusammen. Um diese aber zu sammeln, müßten Ver-
suchsbauten durchgeführt und ausgeprobt werden.
Nicht große Siedlungen, wie die in Spandau-Hasel-
horst geplante, sondern ähnliche Versuchssiedlun-
gen wie in Stuttgart. Es ist nicht Aufgabe der
Reichsforschungsgesellschaft, in großem Ausmaß
Wohnungen zu bauen, ihre Aufgabe ist vielmehr
neben konstruktiven, wärmetechnischen, hygieni-
schen und raumwirtschaftlichen Problemen neueWoh-
nungsgrundrisse auf ihre Brauchbarkeit hin auszu-
probieren, wobei die Erfahrungen der Bewohner die-
ser Wohnungen eine wichtige Grundlage für die Wei-
terarbeit bilden. Für diese Versuche ist es prakti-
scher, jährlich weniger aber dafür möglichst ver-
schiedenartige Wohnungen bauen zu lassen. Zu
diesem Zwecke müßte ein bestimmter Prozentsatz
der aus öffentlichen Mitteln zu erbauenden Wohnun-
gen bereitgestellt werden, damit möglichst an ver-
schiedenen Orten solche Versuchsbauten durchge-
führt werden können, um so neue Lösungen für den
rationellsten und wohnungstechnisch besten Woh-
nungsbau zu finden. Ludwig Hilberseimer

IST DIE GENOSSENSCHAFTSSTADT MÖGLICH?

Die Architekten Gropius, Fischer und Paulsen
haben vor einiger Zeit der Öffentlichkeit einen Plan
zu einer neuen Berliner Vorstadt unterbreitet, der
eine grundsätzliche Kritik erfordert.

Es handelt sich darum, eine Groß-Siedlung für
5400 Familien mit etwa 24 000 Köpfen zu errich-
ten, in der der Quadratmeter Wohnfläche im billig-
sten Falle zu einer Jahresmiete von 7,50 RM. abge-
geben werden kann. Das würde für die kleinste
Wohnung für eine vierköpfige Familie bei 61 qm
jährlich nur 460,— RM. ausmachen. Dabei soll für
die Finanzierung zu zwei Dritteln ausländisches

Der in der Öffentlichkeit bereits vielfach besprochene Gropiussche
Plan einer Genossenschaftsstadt ist in der Idee so großartig, daß
er von allen Seiten beleuchtet werden muß. Wir eröffnen hiermit
die Aussprache und hoffen, in den nächsten Heften noch andere
Äußerungen bringen zu können.

Die Schriftleitung

Kapital herangezogen, öffentliche Beihilfe jedoch
nicht beansprucht werden.

Das Kunststück soll darin liegen, daß die ganze
Siedlung — von einer Groß-Siedlung kann man übri-
gens nicht sprechen, da dieser Begriff von der
Städtebauwissenschaft für Massensiedlungen von
mehreren hunderttausend Einwohnern in Anspruch
genommen ist — eine Konsumtionsgemeinschaft dar-
stellt, die mit eigenem Kraftwerk für Strom, Warm-
wasser und Heizung, mit gemeinsamer Wäscherei
und mit genossenschaftlicher Deckung des täg-
lichen Lebensbedarfes eine wirtschaftliche Einheit

296
 
Annotationen