Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

DOI Artikel:
Renner, Paul: Konstruktive und konstruierte Form
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0661

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
gewölbt, und über der Mitte der vier Seiten
des eingezeichneten Quadrates stärker ge-
rundet.

Die aus konstruierten Halbkreisen zusam-
mengesetzte Wellenlinie der Abbildung 21 hat
überall dort, wo ein Halbkreis an den anderen
stößt, auch bei genauester Konstruktion einen
deutlichen Knick. Wir sehen ihn auch in Ab-
22 23 bildung 22 bei der links stehenden Figur, die

wieder einen in zwei aufwärts gebogene Kreis-
segmente übergehenden Halbkreis zeigt, ob-
wohl die Mittelpunkte der drei Kreise auf einer
Geraden liegen. Der Knick ist auch auf Figur
23 sichtbar, in der ein Halbkreis, ein lateini-
sches U zeichnend, in zwei parallelen Tangen-
ten ausläuft. Nur wenn die anschließenden
Kreissegmente, wie bei der blattförmigen
rechts stehenden Figur der Abbildung 22, ein-
wärts gebogen sind, geht die Bewegung des
Halbkreises ohne Bruch in die andern Kurven
über. Das Auge scheint auf jede konvexe
Rundung eine konkave zu erwarten, auf jede
Bewegung eine Gegenbewegung; es erkennt
deshalb in Figur 24 nicht das durchaus gerad-
linige Sechseck, dessen Ecken abgerundet
sind, sondern sieht hier eine sechsfache kon-
kave Einziehung als Antwort auf die sechs-
fache konvexe Ausbuchtung.

Das gleiche Kreissegment erscheint senk-
26 recht gestellt stärker gebogen als wagerecht

(Abb. 25).

In Abbildung 26 sind die vier Seiten eines
Quadrates durch gleiche Kreissegmente er-
setzt; aber man wird der Figur nicht ohne
weiteres ansahen, daß ihre Eckpunkte die
Ecken eines Quadrates bilden könnten und
daß die gegenüberliegenden Kreissegmente
parallel sind.

Auch glaubt das Auge nicht auf den ersten
Blick, daß in den Abbildungen 27 und 28 die
beiden übereinander gestellten Stücke gleich
groß sind.

Ein wagerechter Strich erscheint nicht nur,
wie wir schon gesehen haben, kürzer als der
gleich große senkrechte, sondern auch breiter
(Abb. 29).

So ergibt sich in der Tat, daß in einer kon-
struktiven Schrift, die nicht auf Grund begriff-
licher Einsichten konstruiert, sondern für die
Sphäre der sinnlichen Anschauung gestaltet
worden ist, das, was als einfachste Rundung
gesehen werden soll, ein recht kompliziertes
geometrisches Gebilde sein kann. Wenn man
einen aus zwei konzentrischen Kreisen kon-
struierten schwarzen Ring an einen senkrech-
29 30 ten Schaft fügt, so ist das durchaus noch

565
 
Annotationen