Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0697
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Bier, Justus: Ausstellung "Die Gebrauchswohnung" in der Siedlung Dammerstock Karlsruhe
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Gropiussche Laubenganghaus, das eine sehr anmu-
tige und überzeugende Lösung dieses bisher trotz
seiner Billigkeit vernachlässigten Typus gibt: die
Laubengänge mit ihren Gitterbrüstungen und den bal-
konartigen Verbreiterungen vor jedem Wohnungsein-
gang erhalten hier ebenso wie das lichtdurchflutete
und geräumige Treppenhaus den Charakter öffent-
licher Verkehrswege — bei der Erschließung von 32
Wohnungen durch ein Treppenhaus eine unbedingte
Notwendigkeit. Das Laubenganghaus ist der Typ:
der sich am besten auch für das durch Aufzüge zu
erschließende Großwohnhaus eignet. Ein solches
Versuchshaus, vorerst siebenstöckig geplant, soll
im zweiten Bauabschnitt errichtet werden.
Die Wohnungstypen unterscheiden sich am schärf-
sten bei den Stockwerkswohnungen von Gropius.
Haesler und Riphahn-Grod. Haesler macht das Be-
sonnungsprinzip zur Hauptsache, baut die Häuser
wenig tief, so daß die Räume Breitenlage erhalten,
ordnet grundsätzlich alle Schlafräume nach Osten,
alle Tagesräume nach Westen. Einfachste, durch
Klarheit überzeugende Anordnung: durch einen klei-
nen Flur, an dem ein „Isolierungszimmer" und eine
sehr geräumige Loggia liegt, die somit einem dahin-
ter liegenden Wohnraum Licht wegnimmt, tritt man
in den sehr großen Wohnraum, an den kojenartig die
übrigen Räume sich reihen. Während Haesler der
Klarheit des Grundrisses (ungebrochene Innenmau-
ern) und seinem Besonnungsprinzip die wohntechni-
sche Differenzierung, Verbindung von Wohnraum und
Loggia, Trennung von Wohn- und Schlafteil, usw.
unterordnet, machen Riphahn und Grod diesen Ge-
sichtspunkt zur Hauptsache unter bewußtem Ver-
zicht auf einheitliche Ostlage der Schlafräume. Man
betritt zuerst den Wohnteil aus Küche und großem
doppelseitig belichtetem Wohnraum, durch diesen
über einen zweiten kleinen Flur eine sogenannte
„Schleuse", den Schlafteil mit den Schlafzimmern
und dem Bad. Bei Haesler wie bei Riphahn und
Grod ist der Größe des Wohnraums ein gesellschaft-
lich entwickelteres Wohnen geopfert. Die durch eine
Sperrwand nur teilweise abgetrennte Arbeitsnische
des Haeslerschen Grundrisses würde „ein ungestör-
tes Arbeiten" nur bei vollständiger Trennung ermög-
lichen und auch der reizvolle, aus zwei diagonal an-
einanderschließenden Teilen bestehende Riphahn-
sche Wohnraum würde durch Einbau einer Glastür
zwischen den beiden Räumen an variabler Be-
nutzungsmöglichkeit sehr gewinnen. Man muß sich ja
darüber klar sein, daß der Reiz des großen Einheits-
raumes wie der gegenseitigen Raumdurchdringung
bei Kleinwohnungen immer durch eine Minderung des
eigentlichen Wohnwertes erkauft werden muß.
Die wohntechnisch wie künstlerisch ausgewogen-
sten Grundrisse hatGropius. Er kommt mit einemMini-
mum von Flur aus, um den er die Räume funktionell
ordnet, d. h. das Badezimmer liegt zwischen den
Schlafzimmern, die Küche am Wohnraum — eine
Lösung ähnlich wie die von Riphahn und Grod, aber
mit geringerem Raumaufwand und zudem unter mög-
lichster Beibehaltung des Haeslerschen Prinzips ge-
eignetster Sonnenlage. Überdies zeichnen sich
sämtliche Gropiusschen Wohnungen durch eine außer-
ordentlich gekonnte und reizvolle Bemessung und
Abfolge der Raumgrößen aus. Seine Räume haben
eine ganz ungewöhnliche künstlerische Anmut. Sie
wird nicht zum wenigsten durch die ausgezeichnete
Miethaus
Gropius
Luxferprismenfenster im Dachvorsprung
Miethaus Gropius
Westseite
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tige und überzeugende Lösung dieses bisher trotz
seiner Billigkeit vernachlässigten Typus gibt: die
Laubengänge mit ihren Gitterbrüstungen und den bal-
konartigen Verbreiterungen vor jedem Wohnungsein-
gang erhalten hier ebenso wie das lichtdurchflutete
und geräumige Treppenhaus den Charakter öffent-
licher Verkehrswege — bei der Erschließung von 32
Wohnungen durch ein Treppenhaus eine unbedingte
Notwendigkeit. Das Laubenganghaus ist der Typ:
der sich am besten auch für das durch Aufzüge zu
erschließende Großwohnhaus eignet. Ein solches
Versuchshaus, vorerst siebenstöckig geplant, soll
im zweiten Bauabschnitt errichtet werden.
Die Wohnungstypen unterscheiden sich am schärf-
sten bei den Stockwerkswohnungen von Gropius.
Haesler und Riphahn-Grod. Haesler macht das Be-
sonnungsprinzip zur Hauptsache, baut die Häuser
wenig tief, so daß die Räume Breitenlage erhalten,
ordnet grundsätzlich alle Schlafräume nach Osten,
alle Tagesräume nach Westen. Einfachste, durch
Klarheit überzeugende Anordnung: durch einen klei-
nen Flur, an dem ein „Isolierungszimmer" und eine
sehr geräumige Loggia liegt, die somit einem dahin-
ter liegenden Wohnraum Licht wegnimmt, tritt man
in den sehr großen Wohnraum, an den kojenartig die
übrigen Räume sich reihen. Während Haesler der
Klarheit des Grundrisses (ungebrochene Innenmau-
ern) und seinem Besonnungsprinzip die wohntechni-
sche Differenzierung, Verbindung von Wohnraum und
Loggia, Trennung von Wohn- und Schlafteil, usw.
unterordnet, machen Riphahn und Grod diesen Ge-
sichtspunkt zur Hauptsache unter bewußtem Ver-
zicht auf einheitliche Ostlage der Schlafräume. Man
betritt zuerst den Wohnteil aus Küche und großem
doppelseitig belichtetem Wohnraum, durch diesen
über einen zweiten kleinen Flur eine sogenannte
„Schleuse", den Schlafteil mit den Schlafzimmern
und dem Bad. Bei Haesler wie bei Riphahn und
Grod ist der Größe des Wohnraums ein gesellschaft-
lich entwickelteres Wohnen geopfert. Die durch eine
Sperrwand nur teilweise abgetrennte Arbeitsnische
des Haeslerschen Grundrisses würde „ein ungestör-
tes Arbeiten" nur bei vollständiger Trennung ermög-
lichen und auch der reizvolle, aus zwei diagonal an-
einanderschließenden Teilen bestehende Riphahn-
sche Wohnraum würde durch Einbau einer Glastür
zwischen den beiden Räumen an variabler Be-
nutzungsmöglichkeit sehr gewinnen. Man muß sich ja
darüber klar sein, daß der Reiz des großen Einheits-
raumes wie der gegenseitigen Raumdurchdringung
bei Kleinwohnungen immer durch eine Minderung des
eigentlichen Wohnwertes erkauft werden muß.
Die wohntechnisch wie künstlerisch ausgewogen-
sten Grundrisse hatGropius. Er kommt mit einemMini-
mum von Flur aus, um den er die Räume funktionell
ordnet, d. h. das Badezimmer liegt zwischen den
Schlafzimmern, die Küche am Wohnraum — eine
Lösung ähnlich wie die von Riphahn und Grod, aber
mit geringerem Raumaufwand und zudem unter mög-
lichster Beibehaltung des Haeslerschen Prinzips ge-
eignetster Sonnenlage. Überdies zeichnen sich
sämtliche Gropiusschen Wohnungen durch eine außer-
ordentlich gekonnte und reizvolle Bemessung und
Abfolge der Raumgrößen aus. Seine Räume haben
eine ganz ungewöhnliche künstlerische Anmut. Sie
wird nicht zum wenigsten durch die ausgezeichnete
Miethaus
Gropius
Luxferprismenfenster im Dachvorsprung
Miethaus Gropius
Westseite
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