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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Köln von heute und "Die neue Zeit"
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RUNDSC HAU

1932

KÖLN VON HEUTE UND „DIE NEUE ZEIT

„Warum Köln?"

Als im Heft 15 der „Form" Ernst Jäckh seine
„Idee und Realisierung der internationalen Werk-
bund-Ausstellung ,Die Neue Zeit' Köln 1932" ver-
öffentlichte, da ergab sich als eine letzte Entschei-
dung die Frage: „Warum Köln?"

Was für die Entwicklung des gesamten Ausstel-
lungsplanes, für die schöpferische Idee selbst, eine
letzte Frage sein konnte, das wird nun für die Stadt
Köln die erste. Denn, so gewiß es schmeichelhaft
für die Kölner gewesen sein mag, im Wettbewerb
von sieben Großstädten schließlich als Sieger her-
vorgegangen zu sein, so gewiß ist es aber auch, daß
manchem einsichtsvollen Bürger gleichzeitig die
Größe der Verpflichtungen aufgegangen sein dürfte,
die mit der Verwirklichung des gigantischen Planes
entstehen würde.

Eine nicht geringe Anzahl der Voraussetzungen,
die den Rahmen und die Möglichkeit zu einer solchen
Veranstaltung abgeben, besitzt Köln von Hause aus.
In dieser Hinsicht ist alles gesagt und geschrieben
worden, was dieser einzigartigen Stadt an Vorzügen
zum Ruhme gereicht. Ihre Geschichte ist schicksals-
mäßig und insofern kann man fast die Behauptung
wagen, daß Köln nicht die Wahl hatte zu bejahen
oder zu verneinen, sondern, daß es kraft seiner Be-
sonderheit die Berufung hat, die Synthese eines
neuen Lebensvorganges, wie er sich in ganz Europa
nach dem Kriege kundgibt, auf seinem Boden zu
gestalten.

Denn dies unterscheidet Köln von allen andern
Städten: seine Urbanität, sein übernationaler (weni-
ger internationaler) Charakter ist nicht Ergebnis
einer politischen Konjunktur aus jüngster Vergan-
genheit; vielmehr ist alles dies gewachsen und —
sozusagen — ein Vorzug der Geburt. Das Kosmo-
politische ist hier — ein sinnvoller Widersinn — recht
eigentlich bodenständig, ist dem Wesen der Stadt
völlig eingegangen und wird von ihr auch für die
Neuzeit begriffen. So sehen wir Köln, diese Dreh-
scheibe des Westens — mehr noch — Europas, sich
wirklich drehen, in sich erleben und zum Bewußtsein
erheben, was als neues Dasein vom Osten und
Westen, vom Norden und Süden her durch seine ur-
alte Stätte pulst.

Dieses Bewußtsein ist Stolz und Verpflichtung zu-
gleich und es erhebt sich die Frage, ob das letztere
bis in die äußerste Konsequenz hinein gefühlt wird.
Mit anderen Worten:

Ist Köln gerüstet?

Ein Werk — sei es, wie es wolle — hängt nie allein
von der schöpferischen Idee ab, sondern es bedarf
zu seiner Verwirklichung der Auseinandersetzung
mit der Welt, heiße sie nun Materie oder Mensch.

Ein Dombau ist nicht die Arbeit des genialen Schöp-
fers der Pläne allein, sein Werden ist gebunden an
die Fähigkeit von hundert geschickten Händen, die
überlegen sind nicht nur in Beherrschung ihrer Son-
deraufgabe, sondern auch reif im Sinne des Ganzen
zu wirken. Es genügt nicht — und die Spitzen des
Kölner Domes sind Beweis hierfür — daß wir die
Werkzeichnung besitzen, wenn wir nicht zugleich
den arbeitenden Menschen haben, der imstande ist,
sie sinngemäß auszuführen.

Warum blieb die sonst so rühmenswerte Werk-
bund-Ausstellung am Weißenhof in Stuttgart in man-
chen Teilen so unbefriedigend? Sicher nicht zuletzt
deshalb, weil den Architekten vielfach die erfahrene
Mitarbeit eines in den neuen Absichten geschulten
Bauhandwerks fehlte. Mehr noch — dies Gewalt-
same und fast Krampfhafte trat ein, daß Menschen
wider Willen Dinge gestalteten, in deren Geist sie
nicht einzudringen vermochten und deren Formung
sie deshalb nicht begriffen. Eine neuartige Welt
erstand mit vielfach unguten Händen und niemand
rede sich ein, daß dies den Dingen nicht anzu-
sehen war.

Dennoch erstand sie — aber, wenn dies möglich
war, so wohl darum, weil wir heute gewohnt sind,
fast zu drei Viertel mit Unberufenen zu arbeiten.
Von Breslau 1929 hören wir nun nichts Besseres.
Soll sich in Köln dieses Schauspiel um 1932 herum
wiederholen?

Gewiß, inzwischen ist manches anders geworden.
Man kennt hier das neue Bauen und vieles noch vor
kurzem Fremde ist den Köpfen und Händen schon
geläufig. Aber, man sehe sich einmal die Fülle der
Aufgaben an, die Köln nun vor sich hat. Wird uns
da nicht bange, ob alle vorhandenen Kräfte zurei-
chen und vor allem dies — wie sie zureichen, ob
der Wille da ist und die Kraft des Geistes, der diese
Werke tragen muß bis zum Letzten, sollen sie wohl
gelingen?

Und noch einmal der mittelalterliche Dombau! In
welcher wundervollen Einheit befand er sich nicht
allein mit der Gesinnung jedes einzelnen der Werk-
tätigen, sondern auch mit dem ganzen Weltbild.
Sollte sich nicht in den Köpfen derer, die gerade
Köln für berufen zu diesem großen Werk auserwähl-
ten, die Erkenntnis durchgerungen haben, daß diese
Stadt mehr zu bieten habe als nur eine geschäfts-
tüchtige Einstellung zu dem möglichen Zuwachs an
Bedeutung für den Fremdenverkehr. Wir hoffen auf
den Sinn dieser Einsicht und wagen im Vertrauen
darauf eine neue Frage:

Wastutnot?

Keine deutsche Stadt hat ähnlich günstige Vor-
aussetzungen in geografischer, wirtschaftlicher, ge-

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