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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Köln von heute und "Die neue Zeit"
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0774

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schichtlicher und kultureller Hinsicht zum Gelingen
des Werkbundplanes aufzuweisen wie Köln. Aber,
während wir dies wiederholen, kommt es uns in den
Sinn, daß ein Teil dieser Vorzüge erst in allerjüng-
sten Jahrzehnten gegenüber andern Städten wieder
aufgeholt wurde. So nennen wir die Universität,
deren wachsende Bedeutung wir mit Befriedigung
feststellen; indessen, weil wir sie nennen, fällt es
uns ein, daß auf anderen Gebieten des Schulwesens
im Vergleich zu manchen Städten noch empfindliche
Lücken bestehen, die nicht verschwiegen werden
dürfen. Wir würden diesen Mangel weit weniger un-
geduldig hinnehmen, wenn wir nicht in Sorge wären,
daß gerade er in äußerst ungünstiger Weise sich auf
das kommende Werk der „neuen Zeit" auswirken
müsse. Wir meinen das fast gänzliche Fehlen einer
wirksamen schulmäßigen Ergänzung der Handwer-
kerausbildung in Köln.

Ein Vergleich mit München z. B. wird das erschrek-
kend klar machen. Wir finden dort neben vorbild-
lichen Berufsfortbildungsschulen für Lehrlinge, die
wir ja auch in Köln haben, eine Reihe glänzendst
ausgebauter Handwerkerfachschulen für Gehilfen,
von den daneben bestehenden Meisterschulen ganz
zu schweigen. Hier werden — und das scheint uns
wesentlich — nicht Künstler, sondern die breiten
Schichten eines werktätigen Gehilfen- und Meister-
standes herangezogen in ständiger Fühlung mit der
Praxis und dies in einem Sinne, daß wir vom Münch-
ner Handwerk als vom besten im ganzen Reiche
ruhig reden dürfen. Wir sprechen hier weniger von
der Qualität der Form als der der Arbeit. Die Köl-
ner Werkschulen, die der bayerischen Staatsschule
für angewandte Kunst entsprechen, können hier
nicht angeführt werden, denn sie haben bis heute
— dies sei ohne Vorwurf festgestellt — wesentlich
Hochschulcharakter.*) Sie kommen für die Ausbil-
dung der zahlreichen Kräfte des Bauhandwerks, der
Maler, Schreiner, Schlosser, Spengler usw., die alle
am Ausdruck des Bauwerks entscheidenden Anteil
haben und deren Erziehung deshalb gerade im Hin-
blick auf das Kommende so wichtig erscheint, in
ganz beschränktem Umfange in Frage.

Somit steht fest, daß in Köln für die Fortbildung
jener wichtigen Schichten, deren Können demnächst
von entscheidender Bedeutung sein wird, eine für
andere Städte gleichen Ranges beispiellose Lücke
klafft. Erforderlich ist daher eine Änderung des Auf-
baues oder aber eine Ergänzung der Kölner Werk-
schulen. Es ergibt sich ferner für uns daraus die
Überlegung, ob nicht die kommende Ausstellung
auch in dieser Hinsicht der Stadt Köln eine Ver-
pflichtung auferlegt und ob nicht im Zusammenhang
mit ihr eine Lösung möglich wäre, die den Vergleich
mit anderen Städten fernerhin nicht mehr zu
scheuen hätte.

Ein Weg wird sichtbar!

Köln baut mit beträchtlichen Mitteln eine neue
Universität. Nun gut! Niemand, der die alte kennt,
wird dies für überflüssig halten. Auch liegt es uns
ferne, hier etwa die Meinung zu zitieren, die Shaw
über Universitäten hat. Nur fragt man sich, ob es
sich rechtfertigen lasse, daß für ein Studium, vor
dem heute allerorts gewarnt wird, so umfangreiche

*) Siehe Schlußbemerkung S. 667

Mittel zur Verfügung stehen, während für gewisse
andere, eben besprochene, Ausbildungsmöglichkei-
ten so gut wie nichts da ist. Wie kann man ange-
sichts dieser Wertverteilung junge Leute dazu ermu-
tigen, sich praktischen Berufen zuzuwenden, wenn
rein äußerlich das Mißverhältnis in der Wert-
schätzung von Kopf- und Handarbeit so offen zu-
tage liegt. Und doch ist über die Überlegenheit der
reinen Geistesbildung gegenüber der Werkbildung
noch lange nicht das letzte Wort gesprochen.

Kopfarbeiter gibt es in Deutschland — Gott sei's
geklagt — mehr als genug, während es an tüchtigen
Fachkräften, die gleichzeitig vermöge ihrer Allge-
meinbildung in der Lage sind, ihr Werk mit Verant-
wortung zu betreiben, durchaus mangelt.

Daß wir unter Allgemeinbildung nicht jene rein
gedächtnismäßige Häufung bloßen Wissens meinen,
sondern etwas Erlebtes und in die Erfahrung Einge-
gangenes — etwas lebendig Erzogenes, nicht Instru-
iertes — das versteht sich hier von selbst. Eine
Totalität der Bildung also, die nicht die Hände ver-
kümmern läßt, wo sie die Kräfte des Kopfes schult
und die nicht den Kopf vernachlässigt, wo sich die
Hände formen — kurz das Gegenteil von einseitigem
Spezialistentum. Wenn ich mich nicht irre, sind wir
hier mitten im Thema der Ausstellung „Die Neue
Zeit". Denn was immer hier unter anderem zur Dar-
stellung gebracht werden soll, sicher auch das
eine: „Formung der Menschen, also Anschaulich-
machung der Kräfte, die den Menschen und seine
Leib-Seele-Einheit bilden." Gibt es ein besseres
Beispiel hierfür als eine nach zeitgemäßen Erkennt-
nissen aufgebaute Arbeitsschule?

Noch liegt der Ausstellungsplan kaum im Ganzen
gesichert vor uns. Aber darüber besteht wohl kein
Zweifel, daß irgendwo das Schulwesen der „neuen
Zeit" gezeigt werden muß. Sollen wir uns wieder
müde schauen an endlosen Wänden mit endlosen
Lehrplänen, an Schränken voller, auf „Ausstellung
frisierter" Erzeugnisse. Oder wäre es nicht viel-
leicht besser, die Schule, so wie sie wirkt, gleich
selbst zu zeigen?

Eine lebendige Muster-, Arbeits- bzw. Fachschule
in einem der vielen Gebäude der Ausstellung —
warum nicht?

WieaberstellenwirunsdieAusführung
vor?

Köln hat bisher keine Fachschulen in dem Sinne,
daß —wie in anderen Städten — die Lücke zwischen
Berufsfortbildungsschule (Lehrlingsschule) und höhe-
rer Schule (Werkschule bzw. Akademie) ausgefüllt
wäre.

Was bisher als empfindlicher Mangel gelten
konnte, wird nun zum Vorzug, wenn wir daran den-
ken, daß wir hier etwas nachholen können, ohne
durch Vorhandenes belastet zu sein. Nichts bindet
uns außer dem Geist der Stadt, den als Last zu emp-
finden wir keineswegs eine Ursache haben. Im
Gegenteil, die Verknüpfung mit der Geschichte der
Stadt — ihr besonderes Gesicht ist „geprägte Form,
die lebend sich entwickelt". Eine lebendige Schule
und — wäre sie selbst (wie in Zürich unter Alther)
mit einem Heimatmuseum verbunden, wird das
„Ewige" des Alten nicht in der Form finden können,
sondern vielmehr in der zeitlichen Beziehung zum

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