Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

DOI Artikel:
Köln von heute und "Die neue Zeit"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0775

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
jeweiligen Leben. In solchem Geiste wird Anschau-
ung des Alten nicht mehr Gefahr.

Praktisch gesprochen: eine derartige Kölner
Schule könnte im Rahmen der Werkbundausstellung,
die — wenn sie vollendet ist — Gewordenes auf-
zeigt, das Werden veranschaulichen. Sie könnte es
um so leichter, als ihr — da sie selbst zum Objekt
der Schau wird — technische Mittel zur Verfügung
stehen dürften, mit denen andere Schulen so leicht
nicht ausgestattet sein werden.

Die Einzelheiten auszubauen, ist hier nicht unsere
Sache. Die Stadt Köln verfügt, wenn sie nur will,
über genug fähige Köpfe, um einen solchen Plan
durchzuführen. Wir denken dabei vor allem an die
Person — oder besser noch — die Persönlichkeit
eines Richard Riemerschmid, dessen auf diesem Ge-
biet schöpferische Kräfte hier nur zum Teil sichtbar
geworden sind. Ihm wird am wenigsten die Kennt-
nis darüber fehlen, wie sehr seiner eigenen Werk-
schule bisher jene breite, handwerkliche Grundlage
mangelte, auf der sich die Spitzenleistungen der
wenigen Ausnahmebegabten aufbauen. Wir denken
auch an die zahlreichen und großen Meister- und
Gehilfenorganisationen Kölns und des ganzen Rhein-
landes, die am lebendigen Zusammenhang einer sol-
chen Schule mit der Praxis mehr interessiert sind
als an den an sich wertvollen Einzelergebnissen der
Werkschule. Denn das soll ja das Neue sein — nicht
die Antithese zwischen Schule (Erkennen) und
Leben, sondern die Synthese zwischen Gewolltem
und ringsum Geschaffenem.

Daß die Schule jetzt schon, mindestens zwei
Jahre früher als die Ausstellung, ins Leben gerufen
werden müßte, wird in diesem Zusammenhang zur
selbstverständlichen Forderung. Denn die lebendi-
gen Kräfte, die sie an die Meister abzugeben hätte,

müßten sich im Jahre 1932 schon auswirken. Daß
sie nach diesem Jahre etwa wieder verschwinden
könnte, wird nach dem bisher Gesagten zum Unsinn.

Eines scheint uns sicher: hier ergibt sich eine nie
mehr wiederkehrende Gelegenheit, eine organisch
gewachsene Pyramide werktätiger Erziehungsge-
staltung (von der Berufsschule über die Fachschule
zur Werkschule) zu errichten, wie sie in gleicher Art
anderswo wohl angestrebt, aber noch nirgends ver-
wirklicht ist. In lebendiger Verbindung mit allen
geistigen und schöpferischen Kräften, mit allen Mei-
stern und Gehilfen, die durch die kommende Aus-
stellung zum Werk aufgerufen werden, könnte etwas
entstehen, was nur in der Dombauhütte der Alten
eine Vergleichsmöglichkeit hätte. Und also begrün-
det in diesem Zusammenhang mit dem ganzen Ge-
schehen entstünde ein Wirkliches — kein vom Leben
abgelöstes Experiment und also auch kein „Bau-
haus".

Die Räume kann man sich schaffen — mehr noch,
sie sind da im Ausstellungsgelände — so gut wie
sie dort zu finden waren für die Unterbringung eines
Museums. Die Kräfte — wird man sich zu holen
wissen; das Geld? — hier ist zu sagen, daß der Um-
fang eines solchen Instituts nicht allzu groß zu sein
braucht. Man baue es ein in den schon vorhandenen
Apparat der Werkschulen und fange zunächst mit
einer Abteilung an, die den sichersten Erfolg ver-
spricht. Die nötigen Einrichtungen technischer Natur
wird man beim gleichzeitigen Charakter der Schule
als künftigem Ausstellungsobjekt mühelos umsonst
beibringen. Somit bleibt nicht allzuviel an Opfern
übrig. Und das wenige? Wenn die Stadt Köln das
Geld ihrer Bürger stets zu gleich Vordringlichem ver-
wenden wird wie zu deren Erziehung — so wollen
wir ihr stets und von Herzen dankbar sein. K. R.

Wir haben Geheimrat Riemerschmid, den Direktor
der Kölner Werkschulen, um Auskunft über den
Hochschulcharakter seiner Schulen gebeten, weil
die Ausführungen erkennen lassen, daß der Ver-
fasser über Zielsetzung und Arbeit dieser An-
stalt nicht genügend unterrichtet ist. Geheimrat
Riemerschmid, der die Ausführungen von ,,K. R."
lebhaft begrüßt, bemerkt hinsichtlich seiner Schulen
folgendes:

„Wenn es noch den Eindruck macht, daß die Köl-
ner Werkschulen ,wesentlich Hochschulcharakter'
haben, so liegt es doch so, daß gerade dagegen von
mir entschieden und seit geraumer Zeit angekämpft
wird. Die Kölner Werkschulen wollen das ganze
Gebiet umfassen und betreiben, wollen ebenso das
Handwerk, soweit es überhaupt mit künstlerischen
Werten in Beziehung treten kann, wie das künstle-
rische Einzelstück, sei es Tafelbild oder Bauwerk
oder Bildnerei, mit gleicher Sorgfalt und gleichem
Ernst pflegen. Sie gehen ja davon aus, daß sie
die Begabung, den Gestaltungstrieb in jeder Form,
in der sie ihnen begegnen, erziehen, steigern, ver-
feinern wollen.

Aber das ist nur die eine Hälfte der Arbeit, die
hier geschehen soll. Mit den Kölner Werkschulen
steht in enger Verbindung und auch in Personalver-

bindung die Gewerbeförderungsanstalt für die
Rheinprovinz und dieser sind nach sorgfältiger Vor-
arbeit vor etwa einem halben Jahr Fachabteilungen
angegliedert worden, die, ausgebaut, die Handwer-
kerfachschulen für Gehilfen und die Meisterschulen,
wie sie in München bestehen, ersetzen sollen. Die
Lehrpläne sind in enger Zusammenarbeit mit den
Vertrauensmännern, die die Handwerkskammer ge-
nannt hat, und mit den Innungsobermeistern festge-
legt worden. Mir ist nämlich besonders darum zu
tun, auf das Handwerk außerhalb der Schule Ein-
fluß zu gewinnen, in dem Sinn, daß auch hier der
Sinn für Wertigkeit der Arbeit geweckt und gestei-
gert wird. Alle diese Bestrebungen sollen den frei-
ten Schichten eines werktätigen Gehilfen- und Mei-
sterstandes' gelten.

Eines wird freilich betont werden müssen und das
ist der einzige Punkt, in dem ich mit ,K. R.' leider
gar nicht übereinstimmen kann: Solche Arbeit kann
in zwei Jahren kaum fühlbar weiter vorgeschoben
werden, in zehn Jahren ist vielleicht zu hoffen, daß
man wirklich von deutlichen Fortschritten wird
sprechen können. Das soll aber gewiß nicht hindern,
daß schon in diesen zwei Jahren, die bis zur Aus-
stellung noch verbleiben, nachdrücklich weiter-
gearbeitet werden soll." Die Schriftleitung

667
 
Annotationen