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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Ehmcke, F. H.: Zu unserem Heft 21 ("Das Buch"): Sachliches, Allzusachliches
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0777

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Nun wäre es die nächste Aufgabe, dem Buche bei
der weiteren Ausgestaltung sein sachliches, neutra-
les Äußere zu wahren. Das kann geschehen, indem
der Rücken, von der Beschriftung abgesehen, leer
bleibt, oder rhythmisch aufgeteilt wird, ohne daß
man dabei Bände imitiert. Schrift läßt sich in gutem
Verhältnis sachlich anordnen. Aber die dahin zie-
lende Arbeit wird in der Regel nicht geschätzt. Man
will eben das Ornament und wenn möglich ein rei-
ches. Und dann entstehen solche billigen Papp-
bände, wie die unten auf Seite 572 des November-
hefts gezeigten, mit ganz in Goldbronze bedruckten
Rücken: Nachahmung von Talmi-Imitation. Die billige
Bronze wird bald schwarz oder springt ab. Hinter
der glänzenden Fassade verbirgt sich der schlecht
geleimte Band, der in allen Fugen kracht.

Gerade die massenweise Anfertigung von wohl-
feilen Büchern, das Herstellen großer Auflagen
sollte es dem Verleger zur Pflicht machen, die
größte Sorgfalt auf das Modell zu wenden, nach des-
sen Vorbild Zehn- und Hunderttausende von Büchern
auf den Markt geworfen werden. Das Gegenteil aber
ist der Fall. Man sehe sich einmal die Leistungen
unserer großen Buchgemeinschaften an, die mit
einer festen Abnehmerzahl rechnen können, und die
es darum nicht nötig haben, nach dem etwaigen Käu-
fer zu schielen. Man sollte meinen, daß man in ihren
Bücherreihen dem billigen, gut gearbeiteten, sach-
lich gestalteten Gebrauchsbuch begegnen müßte.
Statt dessen finden wir ein Durcheinander aller
heute im Kampf befindlichen Stilmoden, wobei weder
der Innentitel im Charakter zum Text, noch der Ein-
band zum einen oder anderen paßt.

Von unseren großen Verlegern hat eigentlich nur
der Inselverlag es verstanden, konsequent eine
große Linie in der Ausstattung durchzuhalten, unbe-
kümmert um Tagesmeinungen, und damit ein Vorbild
gegeben. Wenn die Verleger ihre Konzession an den
gerade herrschenden Zeitgeschmack auf die Schutz-
umschläge beschränken, so mag das noch hingehen.
Denn sie werden fortgeworfen, wenn sie ihren
Zweck der Anlockung erfüllt haben. Hier sind auch
wirklich zeitgemäße und zweckentsprechende Arbei-
ten entstanden. Ich denke da an die fotografischen
Umschläge von Heartfield für den Malikverlag, etwa
Upton Sinclairs „Sumpf" oder „100%". Diese
mustergültigen Beispiele haben nur leider wie alles
Erfolgreiche zu schnell minderwertige Nachahmer
gefunden. Drum bietet heute der Anblick unserer
Buchhändlerauslagen nicht immer ein erfreuli-
ches Bild.

Kurz möge in diesem Zusammenhang die Frage
der Fotomontage gestreift werden. Fern liegt es
mir, den Wert einiger vorbildlicher Arbeiten dieser
Gattung zu schmälern. Lissitzkys Selbstporträt, das
durchdrungen ist von der eigenen, den Zirkel halten-
den Hand, gehört zu den eindrucksvollsten fotogra-
fischen Kunststücken, die wir diesem in den eisigen
Sphären der Abstraktion wesenden Intellekt verdan-
ken. Auch ein gutes Beispiel ist sein für die Sowjet-
propaganda geschaffener . Katalogtitel der Russi-
schen Ausstellung in Winterthur mit den beiden in-
einander verwirkten Kinderköpfen. Es gibt ausge-
zeichnete Arbeiten von Burchartz, bei denen die
Fotomontage in der Werbegrafik verwertet ist. Hier
ist sie am Platze, in der Darstellung von Waren oft
unentbehrlich, und, geschickt mit Schrift zusammen

„montiert", auch geschmacklich einwandfrei. Aber
was allgemein heute als Fotomontage das Tagesbild
beherrscht, ist derart abstrus, von wahrer Kunst
und von Sachlichkeit erst recht so weit entfernt, daß
man dem verheerenden Umsichgreifen dieser Seuche
nur mit Besorgnis entgegensehen kann. Diese Dinge
— das muß einmal ausgesprochen werden — stehen
in puncto Geschmacklosigkeit nicht hinter den be-
rüchtigten fächerartigen Fotografieanordnungen der
achtziger Jahre zurück, die auf gewissen bunten An-
sichtskarten kleiner Provinznester noch immer nicht
ausgestorben sind. Es fordert darum entschiedenen
Widerspruch heraus, wenn in der „Form" als Muster
eine Fotomontage gepriesen wird, die ein Katalog
des im übrigen recht verdienstvollen Piet Zwart
enthält. Eine derartige Komposition ist viel zu aus-
getüftelt, in ihrer Zusammenstellung so wenig über-
sichtlich, das Ganze in seiner Totalerscheinung
so unausgeglichen und unruhig, daß es mir als
ein Fehlgriff erscheint, gerade dieses Blatt her-
vorzuheben.

Da es in dem Aufsatz von Theo van Doesburg ent-
halten ist, so möchte ich jetzt auf diesen zu
sprechen kommen: Interessant ist, daß er selbst Kri-
tik übt, sogar an dem sonst in seinen Kreisen sakro-
sankten Lissitzky. Wir hören, daß Dinge, die man
uns noch vor kurzem als typografisch musterhaft
und erstrebenswert hingestellt hatte, plötzlich „ohne
Verhältnis zwischen Schrift, Fläche und Farbe"
seien. Man ist also auch schon wieder dar über hin-
aus! Und warum? Man sieht „in dem typografisch
gestalteten Buch schon ein neues Barock". Man will
„auf die Elemente der Gestaltung" zurückgehen.
„Die neue elementare Typografie verwendet deshalb
weder Streifen noch Punkte. Sie richtet sich eher
nach der Beschränkung und dem weißen Raum im
Verhältnis zum Stand und Maß der Schrifttypen,
während die Fettigkeitsgrade sich nach der Energie
des Textes richten." Aber diese Grundsätze hielt
doch auch die vorige Generation hoch und empfand
bereits bei den ersten Verlautbarungen der moder-
nen Typografie das „Barock". Dagegen suchte man
der Menge weiszumachen, daß die Arbeiten der letz-
ten fünfundzwanzig Jahre nur historisierend wären
und erst ungefähr um 1918 die wirkliche und un-
verfälschte endgültig „neue" Zeit beginne. Jetzt
entdeckt man ferner, daß das Buch „von der Werbe-
pest angesteckt" sei. Man kann hierzu ergänzend
sagen, daß elementare Typografie und Fotomontage
ihre eigentliche Berechtigung und ihren wesentlichen
Erfolg von ihrer werbenden Kraft herleiten, daß sie
fast einzig in der Propaganda sich richtig auswirken
können. In das Buch sind sie fraglos künstlich hin-
eingetragen und höchstens auf dem nur provisori-
schen Schutzumschlag am Platz. Gerade darin liegt
der ganze Fehlschluß der Verfechter der elemen-
taren Typografie: Sie ist nicht auf alles anwendbar
und darum nicht berufen, die ausschließliche Herr-
schaft auszuüben. Aus der Groteskschrift läßt sich
kein Buch setzen. Sie ist wohl in Zeitschriften als
Begleittext von Fotografien günstig zu verwerten,
besonders wenn es sich um kurze orientierende Hin-
weise handelt. Aber jede umfangreichere Lektüre in
dieser Type ist ermüdend und für den Durchschnitts-
leser ganz unmöglich. Vorsichtige Befürworter wol-
len ja neben der Grotesk auch die sonst verpönte
Antiqua gelten lassen, die noch die Rudimente des

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