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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 19
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Kaiser und Kunstdezernet. Ein sezessionistischer Bekehrungsversuch
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Galland, Georg: Grosse Berliner Kunstausstellung 1904
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29§

Die Aunst-Halle.

Nr. l9

und dem, im Lalle des Gelingens, die Sezession gewiß als
einem ihrer größten Heiligen ein Lhrendenkmal bestimmt
hätte, nämlich des Herrn Professor wölfflin, von
welchem man bis dato freilich nicht gewußt, daß er
zur modernen Kunst intimere Beziehungen habe — als
vielmehr wegen des Lokals der präparirten Bekehrung,
des Landes-Ausstellungsgebäudes zu Moabit, und vor
Allem wegen der hauptsächlich beteiligten Person des
Kaisers, den zum Gegentheil seiner ästhetischen Ansichten
zu bekehren denn doch eine größere Kraft, ein höherer
Muth gehört, als sie den Herren sammt und sonders
eigen sind. Ls muß demnach etwas Anderes der Grund
gewesen sein, der ihnen das unbelohnt gebliebene
Wagniß eingab: eine innere Respektlosigkeit, die in diesen
Kreisen wohl schon anderwärts zu finden war, wo sich
königliche Beamte aus Mächte stützen zu können glaubten,
die ihnen noch mächtiger erschienen als der König
selbst. Mir ahmen ja so gern das Ausland nach.
Am besten hat sich unser Mitarbeiter M. Napsilber
über diesen bemerkenswerthen Lall in einem Artikel
„Der Kaiser als Kunstrichter" geäußert,*) aus dessen
Auslassungen, die wir freilich nicht durchweg billigen,
wir einige ^besonders treffende Sätze nachstehend re-
produziren:
„Nun frage ich nochmals, wie konnte jener Vor-
gang in der Kunstausstellung an die Oeffentlichkeit ge-
langen? Wer kann ein Interesse an der Veröffent-
lichung haben? . . . Ja, ja, da geht mir plötzlich ein
Lichtlein aus, das eine wahrhaft überraschende Per-
spektive klarlegt. Li, ei, die Herren Bureaukraten!
Bekanntlich wurde vor etlichen Jahren vom Kaiser die
Parole ausgegeben, daß die Sezession offiziell zu be-
fehden und, was die Staatsankäuse anlangt, amtlich zu
ignoriren sei. Das Line geschah, das Andere nicht.
Der Kunstdezernent in: Kultusministerium fügte sich als
Beamter dem Zwang, als Mensch aber lebte er, seiner
Ueberzeugung getreu, mit der Sezession im schönsten
Linvernehmen. Der Dezernent wurde eines Tages
von seinem Posten ehrenvoll entfernt und durch Be-
förderung unschädlich gemacht. Sein Nachfolger und
fetziger Machthaber aber erhielt, sicherem vernehmen
nach, den Auftrag, ebenso wie Prof, wölfflin, die Se-
zession mit Stumpf und Stiel auszurotten, und in der
That schienen sich an diesem Beamten die Schrecknisse
des finstersten Mittelalters anzuheften. Und siehe da,
eben dieser gegen die Sezession beorderte Dezernent
war es, der den Professor zitirte, ihn in listiger Mache
an den Kaiser heranschob. Der schwarze Mann, der
Dezernent, schickte sich an, für die Sezession die Kastanien
aus dem Leuer zu holen. Ja, so etwas ist noch nicht
dagewesen, solange der Staat Preußen steht. Als
dann die bekannte Abfuhr erfolgte, haben der Dezernent
und andere hohe Beamte des Kultusministeriums den
betrübten Professor getröstet und gemeint, er möge die
Kaiserworte nicht gleich ernst nehmen. Na, ich danke!
Lin Kaiserwort muß immer ernst genommen werden
und darf nicht zur leichten Waare entwerthet werden
und zumal in einer Angelegenheit, die das Herz der
Nation so tief bewegt wie die moderne Kunst. Wenn
ein höchster Nathgeber des Kaisers, sogar ein Vollstrecker
seines Zorns, wenn ein mit Orden, Titeln und Würden
übersäeter Beamter den ganz sichtbaren Lrnst eines
Kaiserwortes in den Wind zu schlagen wagt, so folgt
daraus, daß im Staate Preußen Manches anders ist,
als sich der Laie träumen läßt. Und forscht man näher,
so wird man die seltsame Entdeckung machen, daß die
Macht des Kaisers in Kunstangelegenheiten eine sehr
H „Der Roland von Berlin" vom 23. Juni ^90^.

engumgrenzte ist. Die Beamten erhalten eine Parole
und thun genau das Gegentheil davon. Das wird
ihnen Niemand zur Unehre (?) anrechnen, denn dem
unsachlichen Befehle setzen sie ihre sachliche Ueber-
zeugung (?) entgegen und handeln diplomatisch behutsam
danach. Nur das Line bleibt zu bedauern, daß die
Beamten in den goldgestickten Würden ihre Sache
hintenherum zu betreiben belieben, wie wieder aus
diesem Lalle ersichtlich wird, und daß sie nicht den
Muth ihrer Ueberzeugung haben und den Monarchen
von Angesicht zu Angesicht zu einem gerechten Kunst-
urtheil zu beeinflussen wagen . . .
Wie sehr die Kunstentwicklung wider das Ideal
des Kaisers verläuft, erhellt daraus, daß die National-
gallerie bis zum Ueberlaufen mit Sezessionswerken an-
gefüllt ist, daß Herr v. Tschudi, der radikalste Partei-
gänger der Sezession, trotz der schärfsten Zensur des
Kaisers nach wie vor fest auf seinem Direktorposten
steht, daß die Landes-Kunstkommission ihre stark über-
wiegende Gunst der Sezession zuwendet, daß mit dem
letzten pairsschub. in die Akademie fast nur Anhänger
der modernen Richtung in die Zahl der Unsterblichen
befördert sind, und was der Dinge mehr sind. Se-
zession ist Trumpf!"
Ls ist wohl nicht das erste Mal, daß unsere Zeit-
schrift auf diese Zustände bei uns hinzuweisen Gelegen-
heit hat.
W

6ro§re Zerliner Xunztsurrlellung 1SÜ4.

III.
die auf zwei Hauptsäle vertheilte Ausstellung
der Düsseldorfer zwar nicht an Zahl, aber an
(^2) Oualität geringer als die vorjährige ist, findet
eine sehr verständliche Erklärung in dem Ehrgeiz dieser
Künster, daheim ihr Bestes zu zeigen. Trotzdem sind
viele namhafte Maler hier vertreten, Einzelne aber mit
schon abgelagerten Werken, wie A. Achenbach mit einer
Mondscheinlandschaft von (872, die freilich in ihrer ge-
glätteten Art vollendet gemalt ist. Will man damit
vielleicht tendenziös kundthun, was früher unter Kunst
verstanden wurde, im Gegeusatz zur Sudelei, die da-
mals noch nicht als (Charakteristik des modernen Genies,
sondern als Laieuprivileg galt? Jin Uebrigen steht
es mit der alten Düsseldorfer Garde, die spärlich er-
schienen ist, ziemlich schwach, die Arbeiten von O. Achen-
bach, Llamm u. A., auch eiue große Herbstlandschaft
von Schweitzer, interessiren fämmtlich zu wenig. Un-
gleich mehr läßt sich allerdings über die Mittleren und
Jungen schreiben, was nur selbstverständlich ist, da sie
dem Publikum noch nicht Alles gesagt und gegeben
haben wie jene.
Die Porträtmalerei läßt sich dieses Mal schnell er-
ledigen. H. L. Pohle hat in seinem bewegten Damen-
bildniß in ganzer Ligur, das wie mit blauer Tinte auf
weißem Grunde gemalt wirkt, jedenfalls eine stark in
die Augen fallende Leinwand ausgestellt. Auch
W. Schmurr leistet sich in seiner schlanken weißen
Dame mit blutrothem Mantel einen ähnlichen, etwas
wohlfeilen Effekt. Soll etwa dieser theatralische Zug
die moderne Düsseldorfer Note im Porträt sein? Auch
der hochaufgeschossene Jüngling im schwarzen Havelock
 
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