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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 102-115 (1. September - 30. September)
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413

alles Volk auf den Knieen liegend unter Thränen empfing. Eine
Menge Wagen und berittene Bürger begleiteten den Bischof nach
Sinsheim.
So endete das katholische Fest! ___
SuddeutfHtand.
Heidelberg, 3. Sept. Es ist eine hohe Freude für
jeden Katholiken, seinen Bischof zu ehren und in dessen Person
der Kirche den Tribut der Dankbarkeit und Verehrung darzubrin-
gen. So dachte eine — wenn auch bescheidene — Anzahl von
Katholiken, als sie erfuhren, daß der hochwürdigste Herr Bischof
Kübel gestern von Wiesloch her zu Wagen nach unserer Stadl
kommen werde, um hier das Sucrament der hl. Firmung zu spen-
den. Sie fuhren deßhalb gegen 4 Uhr des Nachmittags in einer
Reihe von Wagen zur Begrüßung des Kirchenfürsten bis Nußloch
entgegen. Wohlthuend und erfreuend war es für sie, in letzterem
Dorfe die ganze Straße welche der bischöfliche Cortege passiren
mußte, auf's Reichste mit Fahnen und Kränzen geschmückt zu sehen,
und es legt denn auch ein schönes Zeugniß für die Toleranz und
einträchtige Gesin ung der Bürgerschaft ab, daß die Protestanten
und Israeliten mit den Katholiken im festlichen Schmucke ihrer
Häuser wetteiferten. Wir hatten nicht lange zu warten, so ver-
kündeten Böllerschüsse und das Geläute der Glocken, daß der
Bischof an der Spitze einer Prozession und geleitet von mm
Kapittlsdekan, Herrn Pfarrer Wolf von Nußloch, seinen
Einzug in das Dorf halte. An der Spitze der großen Pro¬
zession ritten einige 30 Reiter von Wiesloch und Nußloch, mit
weißen Schärpen geschmückt, junge, frische Gestalten. Nach einer
Ansprache in der Kirche und nach Absingung mehrerer Strophen
des Tedeums, durchschritt der Bischof, überall den Segni spendend,
die Reihen und redete dann die vor der Kirche aufgestellten Katho
liken Heidelberg's an, an deren Spitze Herr Dr. Fischer den
hochw. Herrn begrüßte. Hieraus fuhr der Bischof, gefolgt von
den Wagen der Heidelberger und geleitet von den Reitern, nach
Leimen, wo gleichfalls ein kurzer Gottesdienst stattsand. In Leimen
kehrten die Reiter aus Wiesloch heim, während die Berittenen aus
Nußloch sich entschlossen, dem Bischof bis an die Kirche in Heidel
berg das Ehrengeleite zu geben, nachdem sie zu ihrem Erstaunten
in Erfahrung gebracht hatten, daß in dieser Stadt nicht die mindeste
Aufmerksamkeit oder irgend ein officieller Empfang dem Bischof zu
Theil werden solle. Und so mar es denn auch, — kein einziger
Katholik aus der Gemeindebehörde (von den Beamten des Staates
ganz abgesehen) war zur Begrüßung des Bischofs mit entgegenge-
fahren, was aber gar nichts zur Sache thut. — In der dicht ge-
drängten Pfarrkirche bestieg der Herr Bischof die Kanzel und sprach
tief ergreifende Worte über die Innigkeit des Glaubens und das
christliche ehrbare Leben, das überall dem Glauben durch die Thal
entsprechen müsse. Em Zug von Männern begleitete nach geeude
tem Gottesdienste den Herrn Bischof hinüber in's Pfarrhaus, wo
ein treffliches Quartett ihm des Abends ein Ständchen brachte.
Auch im kalholtschen Casino war des Abends ein freudig erregtes
Leben, — es galt den wackeren jungen Männern aus Nußloch,
die zu Pferd mrt hierher geritten waren, um das was das Stadt-
volk dem Bischof versagte, ihm um so reichlicher vom Lande her
zu gewähren. Erst spät trennten sich die jungen Bauernsöhne von
uns, nachdem sie dem katholischen Casino ein kräftiges Hoch ge-
bracht hatten. —
Heute spendet der hochw. Herr Bischof das Sacrament der
hl. Firmung in der Pfarrkirche, wozu zahlreiche Prozessionen aus
der Umgegend bereits m die Stadl eingezogen sind. Morgen ist
Diner im kath. Vereinshause, welches der Herr Bischof mit seiner
Gegenwart zu beehren zuuesagt hat.
* Heidelberg, 3. Sept. Wenn auch in der Politik gegen-
wärtig ^große Flauheit herrscht und nur im Stillen, dem gewöhn-
lichen Sterblichen nicht sichtbar, die Fäden zu weiteren Verwicke-
lungen verwirrt werden, so ist doch nirgends die apathische Ruhe
auffallender und größer als in unserem Baden, das sich seit dem
Ausbrennen des politischen Kraters im Jahr 1840 nicht mehr zu
einem gesunden öffentlichen Leden erheben kann. Es ist vorbei,
— und wenn irgend etwas dies unzweideutig erwiefln hat, so war
es das lederne Verfassungsfest, das bei einem kalten Himmel auch
die Herzen kalt gelassen hat. Jetzt stehen die Kreisversammlungs-
wahlen vor der Thüre, aber auch diese helfen höchstens einigen
amtsverkündigenden Leidartikeln zur Geburt, — im klebrigen rührt
sich auch hier Um Lüftchen. Und wirft man gar einen Blick in
die Presse, so wird man schläfrig schon auf der ersten Hälfte der
ersten Spalte. Selbst die Landesbase, die sonst doch so unermüd-
lich über die „Schwarzen" herzufallen pflegt, nimmt eine gutmüthi-
gere Physiognomie an, — sehr zu unserem Leidwesen! Wir müffen
ernmal die Alte wieder stupfen, damit doch zwei Kämpfer wenigstens
noch auf der Arena bleiben. Und von Karlsruhe hört man gar
nichts, außer daß die Karlsruher Zeitung eine ellenlange Beschrei-
bung von den neuen Knöpfen und deren neuen Reihenfolge an den
preußischen Uniformen bringt, — wahrscheinlich als Vorläufer neuer
Uniforms-Reformen in unserem gesegneten Lande. Herr Staats-
minister Jolly, Excellenz, geruhen noch im Seebad zu verweilen,
hoffentlich mit gutem Erfotg. Möge Seine Excellenz recht bald zu¬

rückkehren und neugekräftigt das „opferfreudige" Volk dem erhabenen
„Ziele" wieder einen Schritt näher führen! Dann gibt's doch auch
wieder Stoff für die ministeriellen Blätter, die jeden Tag mehr auf
den Hund kommen, und unter denen die scharf sehende Landesbase
am ausgetrockneten Landgraben in Ermangelung politischen Stoffes
den Vogelflug (Macklot als Augur!) beobachtet; sie schreibt nämlich:
„Karlsruhe, 1. Sept. Gestern Abend 5 Uhr ist eine große Anzahl
Schneegänse von Norden nach Süden über unsere Stadt geflo-
gen." Hat die Landesbase keine Lust, mit den Schneegänsen aufzu-
fliegen, wenn sie vom Süden nach dem Norden wieder zurückkehren?
Aus Rastatt schreibt man von einem Raubmordversuch,
oer am Sonntag Nacht verübt wurde. Ein schlecht beleumundeter
Bursche von dorten, der schon den Reisepaß zur Auswanderung
nach Amerika in Händen hatte, schlich sich in die Wohnung des
Handelsmannes S., eines yerheiratheten alten Israeliten, bei
welchem er ziemlich viel Geld vermuthete, um in den Besitz des
Reisegeldes zu gelangen. Er versetzte beiden Eheleuten, die im
Beite um Hilfe schrien, mehrere Hiebe mit einem mitgebrachten
Beile und suchte dann durch das Fenster zu entwischen, ward je-
doch von eilends herbeigeeilter Polizeimannschaft und einigen Nach-
barsleuten, die den Hülferuf vernommen, ergriffen und abgeführt.
Die beiden schwer am Kopfe Verwundeten sollen noch nicht aus
aller Gefahr sein.
(D Ans Baden, 3. Sept. Die bevorstehenden Wahlen zur
Kreisversammlung erinnern uns lebhaft an die vielerlei Experimente,
welche in unserem Staate unter die Herrschaft der neuen Aera vor
sich gingen. Mit welchen schwunghaften Phrasen wurden sie ins-
gesammt begrüßt, als wäre man in Baden nur allein im Stande,
das Ei des Columbus zum Vorschein zu bringen! Und wer da-
mals nicht mit vollen Backen in den Jubelgesang einstimmte, der
war ein unverbesserlicher Neactwnär oder ein vaterlandsloser Ultra-
montaner. Aber sagt doch einmal aufrichtig: welche Früchte haben
denn alle Euere Geistesproducte in Gesetzesform gebracht?
Betrachtet einmal die Ergebnisse des Schulgesetzes. Wer
ist damit zufrieden? Die Gemeinden etwa, denen größere Lasten auf-
gelegt wurden? Mit Nichten, denn sie konnten bisher noch nicht ent-
decken, daß die erzielten Vortheile die neuen Lasten überwiegen. Oder
die Eltern? Auch diese nicht, denn sie haben sich noch nicht über-
zeugen können, daß ihre Kinder jetzt besser erzogen, besser unterrichtet
werden. Wohl aber ist in der öffentlichen Meinung der Stab über
das Schulgesetz in so fern gebrochen, als es für die eine Partei
viel zu wenige Coneessionen an die Principien der confessionslosen
Schule, für die andere Partei allzu viel Coneessionen enthält. Der
Unfriede im Lande hängt zudem noch mit diesem Gesetze zusammen.
Und wie steht es denn mit der neuen Justiz-Organi-
sation? Nachgerade treten die großen Mängel derselben zu Tage.
Vertheuerung im Rechtsuchen, Verschleppung bei der Civiljustiz, und
nur eine Instanz in Criminalsachen — sind dies etwa Vorzüge? Doch
die Staatsrichler sind zufrieden, die Advokaten und Gerichtsvollzieher
ebenso — warum sollte noch das Volk murren?
Doch die so pompös angekündigte Reform der Verwaltung,
enthält sie nicht das Fundament für das Regiment der Bürger, hat
sie nicht die Allmacht der Büreaukratie üb.r den Haufen geworfen?
Hat sie nicht herrliche neue Institute in den Gemeinden, in den
Amtsbezirken und in den Kreisen hervorgerufen? Ich sehe die Lach-
muskeln in Bewegung gesetzt und schweige.
Was die sogenannten Reformen auf militärischem Gebiete be-
trifft, so verdienen sie bei einer andern Gelegenheit eine ausführ-
lichere Erörterung. Es ist — darüber gibt's nur eine Stimme —
der unpopulärste Theil sämmtlicher Experimente.
U d wenn wir dieses Resultat zusammenfassen und zu den
Wahlen in die Kreisversammlungen in Verbindung setzen, — Mit-
bürger, könnt Ihr noch zweifeln, auf welche Seite Ihr Eure Stimme
zu geben habt? Also nochmals: vergeßt Montag den 7. Septem-
ber nicht!
* Bamberg, 3. Sept. Das Fest der Generalversammlung
der katholischen Vereine hat hier einen großartigen Charakter an-
genommen ; die Teilnahme ist von allen Seiten sehr zahlreich.
Nach Begrüßung der Versammlung durch Bürgermeister Dr.
Schneider (Mitglied der süddeutschen Fraktion des Zollparla-
m ntS) wurde zur Wahl des Vorstandes geschritten. Das Resultat
mar Folgendes: I. Präsident Frhr. v. Loö, I. Vrenp üsidenl Frhr.
v. Anblaw, H. Vicepräsident Lindau; da letzterer aber zur
Herstellung feiner angegriffenen Gesundheit in Vorarlberg in der
Stille des Waldes sich aufhält, wird Frhr. v. Stillfried aus
Wien gewählt. Ueber die bis jetzt bekannten Verhandlungen sagt
die Donauzeitung:
„Gestern Nachmittags war Ausschußsitzung für Unterricht und
Presse unter dem Vorsitz von Dr. Moufang. Die Versammlung
war äußerst zahlreich. Buchhändler Wörndl stellte einen Antrag
auf Gründung eines süddeutschm Correspondenzbureaus. An dec
Debatte bethelligten sich Kuhn, Niedermayer, Birle, Bucher.
Letzterer schilderte den Zustand der katholischen Presse wenig erfreu-
lich, tadelte fortgesetztes, lhatenloses Beschließen und forderte Unter-
stützung der bestehenden Blätter, indem er das in Innsbruck begon-
nene Werk der Gründung von Preßverettren fottzufährei' empfahl.
 
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