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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Galland, Georg: Die Reform der Künstler-Jury [3], Schluss
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0046

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3fl

Die Aun st-Halle.

Nr. 3

überhaupt keine Ausnahme mehr bestehen und sage:
für jede Künstlergruppe eine eigene Jury. Man ver-
zichte aber gleichzeitig aus die Idee einer Elite-
ausstellung. Denn solche wird auf Grund von ver-
schieden urtheilenden Zensurbehörden in der Regel un-
möglich sein.
Um einen Fall dafür herauszugreifen: Die
Münchener Kunst auf unseren Iahresausstellungen.
Repräseutirt sie denn jemals hier Besseres, als eine
zweitrangige Betheiligung, verglichen mit dem, was sie
an Ort und Stelle zu bieten vermag? Da könnte allein
eine Generaljury, wie sie oben vorgeschlagen ist,
Wandel schaffen. Nicht nur für eine Lliteausstellung,
sondern überall da, wo ein bestimmtes höheres künst-
lerisches Niveau verlangt wird, führt die einheitliche
Beurtheilung jedenfalls am sichersten zum Ziele. Will
inan alle die eingeführten Nebenjurys nicht völlig auf-
heben, so beschränke man sie wenigstens auf die nur
vorbereitende Thätigkeit. Wenn jener Einwand stich-
haltig wäre, daß nur im Schoße der heimischen Künstler-
schaft ein absolutes Verständniß für deren Werke zu
finden sei, dann möchte ich doch wissen, wie man
billigerweise mit allen betheiligten Ausländern ver-
fahren wolle, deren Kunstanschauungen in der That
vielfach von den unserigen abweichen und daher der
Gefahr der Verkennung durch unsere Jury mehr als
jede deutsche Kunstweise ausgesetzt sind.
Man wird meinen, daß nicht jeder auswärtige
Künstler sich einer Jury des Ausstellungsortes unter-
werfen würde. Die Befürchtung scheint berechtigt,
daß Weigerungen den Erfolg eines Unternehmens
leicht in Frage stellen können. Aber es wird kaum
anzunehmen sein, daß man draußen nicht den Unter-
schied zwischen einer ephemeren Jury und einer aus
den berufensten Kunstrichtern bestehenden staatlichen
Behörde würdigen werde. Um so mehr, als man doch
überall klagen hört, daß auch zu Hause in dieser Hin-
sicht nicht Alles so liegt, wie man haben möchte . . .
Dem Künstler von Rang und berechtigtem Stolz aber
sei auch fernerhin Iuryfreiheit gegönnt.
Iuryfreiheit. Dieser Vorzug wurde in Berlin
bisher, neben den Mitgliedern der Akademie, den In-
habern der großen goldenen Medaille eingeräumt.
Alle Achtung vor der großen „Goldenen", aber sie
bleibt doch lediglich eine Belohnung für ein am „That-
orte" bewiesenes Verdienst, d. h. nichts Anderes, wie
ein hoher Orden, den ein Fürst für ihm geleistete
Dienste verleiht, ohne damit zunächst etwas Anderes
zu belohnen, oder ausdrücken zu wollen, daß der Be-
troffene im weiteren Bereiche ein ebenso Würdiger
sei, daß nicht noch viel Würdigere außerhalb seines
Kreises vorhanden seien. Auf unsere Sache angewendet,
meine ich, daß hier, wo es sich um Würdigkeit über-
haupt handeln sollte, weder Akademie noch goldene
Medaille die Schranke bilden dürfte, hinter welcher die
Kritik nichts mehr als lohnenswerth auszuwählen hätte.
Iuryfrei sei vielmehr ein jeder Meister des In- und

Auslands, der sich durch seine künstlerische Thätigkeit
einen anerkannten Rang in der Gegenwartsgeschichte
der bildenden Kunst erworben hat. Dies an der Hand
der Liste der mit Einsendungen betheiligten Künstler
festzustellen, sei mit die erste Amtshandlung der Jury
bei jeder der großen Saisonausstellungen. Es bleibt
ihr natürlich überlassen, den Akademikern und den
Inhabern der großen „Goldenen" ohne Weiteres Jury-
freiheit wie bisher zu geben, ohne den Vorzug indeß,
wie vorgeschlagen, auf jene allein zu beschränken. —
Um auf die Ablehnungen der Hauptjury noch-
mals zurückzukommen, möchte ich die folgenden Punkte
einer Prüfung dringend empfehlen:
H Der Autor jedes abgewiesenen Werkes ist bis
zur Eröffnung der Ausstellung von der Abweisung
schriftlich zu verständigen.
2. Jeder Abgewiesene hat das Recht, die zur Ab-
weisung führende Beurtheilung seines Werkes im Wort-
laut des Protokolls kennen zu lernen. Die Abschrift
muß spätestens 8 Tage nach Eröffnung der Ausstellung
für ihn ausgefertigt sein.
3. Jedes ordentliche Mitglied eines Künstler-Ver-
bandes hat das Recht, gegen die Ablehnung seines
Werkes Protest zu erheben. Dieses Recht erlischt aber
Wochen nach Eröffnung der Ausstellung. Amateure
sind von diesem Rechte ausgeschlossen.
fl. Ein Protest kann nur dann Berücksichtigung
finden, wenn zugleich folgende Bedingungen erfüllt
werden: Er muß von mindestens zwei anerkannten
Künstlern (die auch Juroren sein können) mitunter-
zeichnet sein. Diese nehmen als Anwälte des Refüsirten
an der Revisionssitzung berathend, aber (falls sie
Nicht-Juroren sind) nicht abstimmend theil. Dem
Protest ist ferner die Verpflichtung beizufügen, daß das
Lrgebniß der Revision ohne jeden Einspruch Seitens
des Betroffenen, also bedingunslos anerkannt werden
wird. —
Das Verfahren der Revisions-Jury, die wir
schon früher auch als Vertretungs-Jury kennen gelernt
haben, ergiebt sich ziemlich einfach aus der Situation.
Die Körperschaft tagt zu vereinbarten Zeiten innerhalb
der ersten Wochen der Ausstellungssaison. Die An-
wälte des Refüsirten werden den versuch zu wagen
haben, für die Beurtheilung des fraglichen Werkes —
vielleicht der Arbeit eines genialen Neulings — einen
Gesichtspunkt geltend zu machen, an den die Juroren
in jenen 3 bis Minuten, die der Prüfung des Einzel-
stückes nur gewidmet waren, möglicherweise gar nicht
gedacht haben. Auch eine Körperschaft hat ja nicht
die Verpflichtung allwissend zu sein, aber sie hat sie,
sich in Sonderfällen belehren zu lassen . . . Sollte es
auf diese Weise gelingen, das anfänglich verkannte
Iugendwerk eines zweiten Böcklin oder Klinger für
eine Ausstellung noch vor Thoresschluß zu retten, so
wird dadurch der Ehre dieser Ausstellung und auch
ihrer Zensurbehörde vor Mit- und Nachwelt unzweifel-
haft mehr gedient sein, als durch die strikte Unmög-
 
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