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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Galland, Georg: Die deutsche Kunst auf der Weltausstellung in St. Louis
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0244

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2fO Die Run st-Halle. Nr.

nicht grade erhebliche Vertretung der außer den
Künstlern maßgebenden Kunstkreise, hätte nicht unbedingt
den Enthusiasmus zu entzünden brauchen, wie es
sonderbarerweise geschehen ist. Näher betrachtet war
die Versammlung doch nur ein sehr lückenhaftes
deutsches „Kunstparlament" von theilweise sogar etwas
anfechtbarer Autorität. Unbeabsichtigt war es vielleicht
auch nicht, daß die Besprechung am fi. April, dein
Tage der Eröffnung der Berliner Sezessions-Aus-
stellung stattfand. Eie stand so gewissermaßen im
Zeichen dieses festliche,: Ereignisses. Selbst das späte
Diner der Sezession war so gelegt, daß es sich als ein
Festessen auch für die Kunstparlamentarier deren
Programm des Tages anschloß. Und nur das Wetter
schien für die Bedeutung des Tages kein Einsehen
gehabt zu haben, denn es regnete in Strömen.
Die Namen der zu jener Besprechung Geladenen
wollen wir nicht nochmals wiederholen. Mehr geht
uns die zur Leitung der Vorbereitungen gewählte
Kommission an, deren Mitglieder wir hier nach den
Kunstorten, die sie vertreten, anführen. Aus Berlin:
A. Kampf, F. Kallmorgen, W. Leistikow, L. Manzel,
Baurath Kayser, Direktor v. Tschudi, Kunsthändler
Nach Haulus. Aus München: K. Seiler, K. Marr,
A. v. Keller, H. v. Habermann, v. Nümann. Aus
Düsseldorf: F. Nöber und Kl. Meyer. Aus Dresden:
G. Kuehl. Aus Leipzig: M. Klinger, Aus Hamburg:
Direktor Lichtwark. Aus Karlsruhe: L. Dill. Aus
Stuttgart: R. Haug. Aus Darmstadt: Olbrich. Aus
Weimar: H. Glde. Mit weiser Vorsicht sind so
ziemlich alle eliminirt, von welchen den radikalen Kunst-
parteien die Versagung ihrer leisesten Wünsche würde
drohen können. Sogar den Hräsidenten des Vorortes
der allgemeinen deutschen Kunstgenossenschaft hat inan
draußen gelassen. Daß es auch Nicht-Moderne giebt,
die sich noch stets als die geeignetsten Schleppenträger
der Sezession erwiesen haben, bedarf keines Beweises
und keiner Namennennung. Genug: es ist erreicht —
nämlich der Schein der Unparteilichkeit. Und so darf
man sich nicht wundern, daß die gewählte Kommission
den Beifall aller braven Leute vorweg findet. Möge
sie die hervorragende Meinung, die ihr huldigend
entgegengebracht wird, auch durch die That ver-
dienen !
Denn schließlich: Was liegt überhaupt an Personen?
da es sich doch um ein großes und schönes Unternehmen
für das nationale Prestige gegenüber dem Ausland
handelt. Die Kommissiion hat die schwierige Aufgabe
zu lösen, aus der Zahl der im letzten Dezennium ge-
schaffenen Werke die künstlerisch werthvollsten Stücke
auszuwählen. Es ist aber eine andere Sache, ob inan
einen Maßstab für eine heimische Ausstellung oder für
eine fremde Schaustellung von Arbeiten aller Nationen
zu finden habe. Da kann es leicht kommen, daß eine
zu Hause gefeierte Schöpfung einer sezessionistischen
Größe draußen nur als Nachahmung eines genialen
Vorbildes beurtheilt wird. Man vergesse nicht, daß im

internationalen Wettstreit der Künste — anders als im
Wettkampf der Zndustrieen — das am stärksten in den
Augen der Fremden wirkt, was diesen fremd, uns aber
eigenthümlich und lieb ist, nicht etwa das, was die
Fremden als geistige Ligenfrucht agnosziren können.
Da bleibe man lieber zu Hause. Man erinnere sich
nur, wie wir uns von all den Fremdheiten der Japaner,
Norweger, Russen, des Malayen Toorop u. s. w. haben
imponiren lassen, vor ihnen bewundernd gebeugt haben.
Und wir zweifeln auch nicht daran, daß die übrigen
Nationen bei der Auswahl ihrer Schauobjekte keiner
andern Tendenz, als sie sie uns bisher zur Geltung
gebracht, folgen werden, keiner andern, als sich selbst
getreu zu bleiben, nur dem eigenen Genius zu folgen.
Aber wir? — - Za, Bauer, so werden die Herrn
Lichtwark und v. Tschudi sagen, das ist etwas ganz anders.
Wer wollte wohl einen Eid darauf leisten, daß unsere
Kunstkommission oder die, welche sie zu leiten wissen
werden, nach dem gleichen Gesichtspunkte wie die
andern Nationen verfahren werde? wir sind leider
nicht so brav wie manche Freunde der Herren und
brauchen uns daher auch vorläufig nicht eines gelinden
Zweifels zu schämen. Vielleicht gelingt aber der
Beweis, daß dieser Zweifel ein irriger gewesen ist.
Vor allen: aber wünschen auch wir — und warum
soll der Mensch wunschlos sein? — daß die goldenen
Tage der deutschen Kunst im fernen Lande des Dollars
wiederkehren mögen . . . Offen gestanden, wir glauben
noch nicht recht daran. Zn jener Vergangenheit, da
man drüben Werke von Knaus mehr als mit Gold
aufwog, waren die Amerikaner noch unsere dankbaren
Schüler. Heute stellt man sie als Techniker ihren
französischen Lehrmeistern ebenbürtig an die Seite, und
unseres Wissens hat sich dort noch nirgends die Absicht
kund gethan, wieder in das alte Schulverhältniß zu
München oder Düsseldorf zu treten. Deshalb gebe
man sich bei uns einstweilen noch keinen zu hohen
Zllusionen hin, damit die Enttäuschung für die kühn
Hoffenden nicht zu grausam ausfalle.
Sollte es demungeachtet gelingen, daß künftig eine
Anzahl unserer eigenartigen Talente — und wir dürfen
uns wirklich rühmen solche Talente auch heute zu
besitzen — Gnade in den Augen amerikanischer Kunst-
konsumenten finden werde, dann dürfte dem deutschen
Kunsthandel zweifellos ein neuer mächtiger Zmxuls
zu theil werden. Wer aber dürfte den Vortheil aus
socher plötzlichen Aenderung der Verhältnisse ziehen?
Zunächst doch die, welchen die Neichsregierung den
Weg zur Börse der transozeanischen Kunstsammler im
Begriff steht zu ebnen; ihnen werden sodann alle
jene folgen, welche dereinst zu dem Glück ausersehen
sind, Objekte der Spekulation der Kunsthändler zu
bilden. Zedenfalls werden sie — immer den günstigsten
Fall vorausgesetzt — eine nur ganz geringe Minderheit
gegenüber der gewaltigen Mehrheit sein, die dagegen
zu dem schmerzlichen Loos passiven Zuschauens ewig
verurtheilt bleibt. . . Und um das Maß des Unter-
 
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