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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Schmidt, Karl Eugen: Der Salon der Société nationale, (Schluss) [2]
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262

Die K u n st - a l l e.

Nr. s7

Bernard Bautet de Monvel, Sohn und Neste bekannter
Künstler, debütirt mit zwei lebensgroßen männlichen
Bildnissen in ganzer Figur: die beiden Arbeiten sind
einander in der Art und in der Ausfassung so ähnlich,
daß' die Beschreibung des einen gleich auch für das
andere genügt: ein junger Engländer im Neitkostüm,
braune Gamaschen, brauner Anzug, graublauer kchmmel,
braungrüner Rasen, als Arbeit eines jungen Mannes
höchst interessant und vielversprechend. Endlich ist da
der Belgier Moritz Wageman, der zum ersten Male in
Daris ausstellt und mit seinem Bildnisse des „Alten
Radar" einen großen Erfolg erzielt. Der Alte Radar
wird wohl so ein Stadtoriginal sein, wie man sie allent-
halben findet, ein verwachsener Bursche mit schiefen
und abfallenden Schultern, demgemäß schlecht sitzenden
Kleidern, krummen Schuhen und einein höchst charakte-
ristischen und auffallenden Schädel. Wageman hat sein
Modell in der natürlichsten bsaltung ganz braun in
braun dargestellt und ein Bild geschaffen, das den Be-
schauer sofort an die ähnlichen Gestalten von Velasquez
und Ribera erinnert, die im Drado hängen.
Es erübrigt noch die Nennung einiger Leute, die
in keiner meiner Rubriken jAotz gefunden haben: Jean
Veber, der jedes Jahr mit seinen satirischen Einfällen
beim Publikum den größten Erfolg hat und der sehr
oft durch seine kühnen koloristischen Experimente auch
den Kenner interesfirt, wendet sich in diesem Jahre mit
seiner „Kammersitzung", seinem „Wirthshaus im Walde"
und seinem „Neugeborenen" ausschließlich an das lach-
lustige j)ublikum; nur seine „Schneiderwerkstatt" ist auch
malerisch interessant. Der Düsseldorfer Sohn-Rethel,
den man ebenfalls versteckt bei Schlichtung und Neven-
Dumont findet, hat in seiner „Mutterschaft" einen: un-
verkennbaren falschen Raffael geliefert, Drinet, Lobre
und Walter Gay haben Interieurs ausgestellt, die sich
von den altgewohnten: guten Arbeiten dieser Künstler-
nicht unterscheiden, Anglada ist mit seinen hie und da
ans Brutale streifenden und die Buntheit nicht immer
vermeidenden spanischen und Doffer Volksszenen Heuer
lucht so glücklich wie im Vorjahre, und der immer im
gänsehäutigen Gruseln und Grausen schwelgende Belgier
bsenri de Groux jagt mit seinen: Orpheus unter den
Ungeheuern selbst dem entschlossensten Ausstellungs-
besucher Schrecken ein.
In den untern Sälen sind außer den verurtheilten
armen Sündern, deren einige schon erwähnt wurden,
die Dastellisten, die Griffelkünstler, die Kunsthandwerker
und die Bildhauer untergebracht. Außer dein schon
genannten La Gandara verdienen hier Erwähnung: die
Zeichnungen und Radirungen von Ieanniot, Illustra-
tionen zu dem Romane „Adolph" von Benjamin (kon-
stant, das koloristisch sehr interessante und als Dorträt
vorzügliche männliche Bildniß von Mary Kazak, die
außerdem ein ebenfalls sehr gutes weibliches Dorträt
ausgestellt hat, eine ausgezeichnete kolorirte Radirung
von Thaulow, das nämliche Marmorportal mit der
Mauer und den darüber hingeneigten Schattenbäumen,
das oben als Gelgemälde hängt, ein gutes Dostellbild-
niß der Frau Langen, der Tochter Björnson's, von den:
Dänen Kroyer, die bretonischen Fischerhäfen von
Legoüt - Gerard, die holländischen Volkstypen von
Guillaume Roger, die farbigen Radirungen von Manuel
Robbe, Jaques Villon, Gottlob und Anna Gsterlind,
die schwarzen Nadirungen von Storm van Gravesande,
Daul Renouard und Andre Dauchez und die Litho-
graphien von Tharles Tottet nach seinem Gelgemälde
„Iohannisnacht", Alexander Lunois, spanische Volks-
szenen, und b^uri Riviere, Ansichten von Doris und
aus der Umgebung.

In der Skulptur hat die Looioko nationale lange
nicht die Bedeutung der älteren Gesellschaft, obgleich
zwei der bedeutendsten und sicherlich der am häufigsten
erwähnten französischen Bildhauer der jüngern Ver-
einigung angehören. In diesem Jahre hat aber Rodin
überhaupt nicht ausgestellt, und Bartholome zeigt nur
die schon vor einigen Monaten bei Durand-Ruel sicht-
bare Bronzegruppe seiner Mutter mit dem toten Kinde,
eine Gruppe, die ursprüngllch für das große Totenmal
auf dem D^re Lachaise modellirt worden ist und sich
in: Adel der Formen und in der T:efe des Ausdrucks
würdig dieser weltbekannten Arbeit anschließt. Auf
einem kleinen Grabmal hat Bartholoms ein Motiv von
seinem großen Werke wiederholt: die kußwerfende Frau,
die er jetzt für sich allein zu einem stimmungsvollen
Monumente verarbeitet hat. Große Monumente werden
in diesem Salon nur sehr selten gezeigt, da die meisten
nut derartigen Aufträgen bedachten Bildhauer in der
Looiete llos artiKes kranoais ausstellen. Das ist im
allgemeinen kein Verlust für die Kooieto nationale,
denn nur selten ist ein Künstler im Stande, einen dieser
offiziellen Marmor- oder Bronzemänner interessant zu
gestalten. Das liegt in der Natur der Sache, zumal
es sich recht oft um irgend eine unbekannte Lokalgröße
handelt, die uns von vornherein langweilig sein muß.
Das einzige derartige Monument, das wir im gegen-
wärtigen Salon finden, zeigt, nach wie fernliegenden
und unerwarteten Gebieten die von der Denkmalsucht
befallenen Gemeinden und Drovinzen greifen. Es ist
das ein Denkmal für eine im Jahre sFöO geschlagene
Schlacht, das bei Formigny aufgestellt werden soll.
Obgleich der Autor Arthur Le Duc einen langen Aus-
zug aus der betreffenden Chronik unter seine beiden
geharnischten Männer gestellt hat, um sie so unserm
Verständnis näher zu bringen, regt sich kein Interesse,
und diese Arbeit gehört sicherlich zu den immer häufiger
werdenden, ganz und gar nutzlosen Monumenten.
Fehlt es an großen Arbeiten, so ist dagegen an
guten Büsten und ausgezeichneten Statuetten und Relief-
darstellungen kein Mangel: Charpentier hat die Terra-
cottastatuette des kleinen Mädchens gesandt, die neulich
schon bei Durand-Ruel zu sehen war, Carabin ist mit
einer kleinen Statuette aus Birnenholz erschienen, die
an Reiz, sprühenden: Leben und warmblütiger Grazie
alle anderen Skulpiuren des Salons in Schatten stellt
und sicherlich eine der besten Arbeiten dieses ausgezeich-
neten Kleinplastikers ist. Die silberne Statuette der
Dresse von dem nämlichen Künstler, die dem unlängst
gestorbenen Journalisten Gppert aus Biowitz von seinen
Kollegen der ausländischen Dresse in Doris geschenkt
worden war, gefällt nur bei weitem nicht so gut wie
die kleine bsolzarbeit. Reizend wie immer sind auch
die kleinen modernen Statuetten von Louis Dejean,
wahre Verkörperungen der quecksilbernen Dörflerin.
Der norwegische Düsseldorfer Lerche hat aus Rom ein
kleines Bronzebüstchen und eine Gesichtsmaske gesandt,
beides sehr hübsche und ansprechende Arbeiten. Unter
den Büsten verdienen besondere Erwähnung die Doppel-
büste der beiden Brüder im Schulalter, von Injalbert,
aus gebrannter Erde, eine sehr frische und lebensvolle
Arbeit, die Büste des Vr. Gaillard von Aubo aus
Bronze und die drei vortrefflichen Dorträts von Berthoud.
Ich nenne noch die sehr hübschen Bronzestatuetten von
Dferden und Ochsen von bsenri Cordier, den in flachem
Relief dargestellten Amazonenkampf von dem Belgier
Jes Lambeau, die geschmackvoll xatinirten Bronze-
figürchen von dem Finnen Vallgren und Ia8t not ioast,
die Büste des Malers Cottet von Constantin Meunier,
die ebenfalls schon auf einer früheren Ausstellung zu
 
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