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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Hood, Fred: Fortschritte in der Kunstgiesserei
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0323

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Die A u n st - L) a l l e.

Nr. s8

28s

Hülfe eines mit Stützen versehenen Tonkernes ein ungefähres
Abbild des Modells. Dieser Kern wurde mit einer dicken
Wachsschicht überzogen, aus welcher der Künstler die feinen
Details herausarbeitete. Das Machs wurde nachher mit
zahlreichen Schichten aus Ton, Zement, Schlackenu.s. w. (Schlicker)
umgeben, die zuerst nur dünn, dann immer stärker und stärker
aufgetragen wurden, so daß sie schließlich das Machs völlig
widerstandsfähig umschlossen. Es genügte eine mäßige Hitze,
um dieses zum Schmelzen zu bringen, aus einer Geffnung
ausfließen zu lassen und so den Hohlraum zum Lingießen der
Bronze zu gewinnen. Man erzielte aus diese Meise eine ge-
treue Wiedergabe des Merkes, welches der Künstler selbst in
Machs modellirt hatte.
Nun kam es aber häufig vor, daß die Bronze aus irgend
welchen Ursachen den für sie bestimmten Raum nicht völlig
aussüllte und so die Arbeit vernichtet oder wenigstens sehr
beschädigt wurde. Auch konnte man nur ein Exemplar des
Werkes Herstellen; die Möglichkeit, eine absolut gleiche zweite
Reproduktion zu erhalten, war völlig ausgeschlossen.
Lin so langwieriges und kostspieliges Verfahren konnte
natürlich den Anforderungen der modernen Industrie nicht
entsprechen. Man war bestrebt, den Arbeiter an die Stelle
des Künstlers zu stellen, um das Werk zu beschleunigen und
wohlfeiler, wenn auch nicht künstlerisch vollkommener zu
machen. So kam man auf den Gedanken, Theilformen zur
Herstellung kleiner Wachsplatten zu verwenden, die nachher
auf den Tonkern gebracht wurden und, zusammengefügt, die
Grundform für eine große Anzahl von Bronzegegenständen
derselben Art ergaben. Aber diese zweifellos sehr interessante
Erfindung war doch noch zu unvollkommen, um völlig be-
friedigende Resultate liefern zu können.
Die ideale Aufgabe, mit welcher sich schon viele Künstler
und Erfinder beschäftigt haben, bestand immer darin, alle
Kunstgegenstände, welcher Art sie auch seien, in einem Stück,
d. h. in geschlossener Form, zu gießen, dabei ein Merk zu er-
zielen, welches ohne Nacharbeit vollständig dem vom Bild-
hauer selbst gefertigten Modell gleicht, und die einmal her-
gestellte, geschlossene Form immer wieder zur Herstellung
gleicher Kunstgüsse verwenden zu können.
Merkwürdig ist, daß die mannigfachen Erfindungen auf
diesem Gebiete nicht die rechte Verbreitung gefunden haben,
obwohl manche Verfahren nicht viel zu wünschen übrig lassen.
Ls scheint, daß nur der konservative ^Charakter der Kunst-
gießereien, welche auf gewisse ältere Systeme eingearbeitet
sind, die Einführung neuer Verfahren erschwert. Verbesserungen
auf diesem wie manchem anderen Gebiete werden auch vielfach
durch den Widerstand der Arbeiter verhindert, welche nicht
ganz ohne Grund in der ^Einführung vereinfachter Arbeits-
methoden eine Ursache von Arbeiterentlassungen sehen. Würde
z. B. eine Statue vollkommen tadellos aus der Form hervor-
gehen, so würde die Thätigkeit des Ziseleurs überflüssig werden,
und je geringer die Zahl der Linzelsormen und je einfacher
die Montirungsarbeit wird, um so weniger Former und Mon-
teure werden erforderlich.
So scheint auch das von dem französischen Bildhauer Le
Bourg entdeckte Verfahren, Kunstgegenstände, und zwar nament-
lich figürliche «Objekte, in einem Stück zu gießen, in Deutschland
nicht die rechte Beachtung und Verbreitung gefunden zu haben
Wie mir berichtet wurde, sollen allerdings mehrfach Versuche
mit dem Verfahren gemacht worden sein. Ich habe dasselbe
schon früher in mehreren Zeitschriften, so z. B. in der „Kunst-
Halle" und dem „Prometheus" beschrieben, und möchte es hier

nur noch einmal kurz behandeln, bevor ich zu dem neuesten,
durch mannigfache Patente geschützten Verfahren des schwedi-
schen Bildhauers H. Llmqvist übergehe.
Le Bourg verwerthete die Eigenschaften der Gelatine in
Verbindung mit denjenigen von wachs und Gips. Gelatine
wird weich und schwillt, wenn sie in Wasser getaucht wird,
und erhärtet durch Berührung mit der Luft, oder wenn ihr
die Feuchtigkeit entzogen wird. Wenn aber an Stelle des
Wassers Glyzerin und Glykose Anwendung finden, bewahrt
sie die Elastizität lange Zeit. Aus dieser plastischen Materie
formt Le Bourg die Statue in ihrer ganzen Form, indem er
das Modell mit einen: Gelatine-Mantel in zwei Hälften
umgiebt, welche leicht losgelöst werden können und dann
elastische Formen von außerordentlicher Feinheit ergeben.
Man beginnt damit, nach dem Original zwei Kopien in
Gips zu fertigen. Hierauf wird eine derselben oberflächlich
abgeschabt, so daß sie später, ähnlich wie bei Sandformen, den
Kern bilden kann. Der zweite Guß in Gips dient zur Her-
stellung der Hohlsorm. Zu diesen: Zweck beginnt man diese
Gixsstatue mit einer dicken Schicht Ton zu umkleiden und
über diese eine Gixshülle in zwei Stücken zu gießen. Ist die
eine dieser beiden Hälften abgenommen, so wird der Ton
sorgfältig entfernt, so daß die halbe Gipsstatue sichtbar wird.
Zwischen dem äußeren Gipsmantel und dem Gipsmodell
bleibt nun naturgemäß ein Hohlraum, welcher der entfernten
Tonschicht entspricht. In diese Höhlung wird die Gelatine
gefüllt, die in: richtigen Moment vermöge ihrer außerordent-
lichen Elastizität herausgenommen werden kann, ohne das
Modell zu ruiniren.
Mit der zweiten Hälfte verfährt man in derselben Meise.
Menn nun der aus zwei Stücken bestehende Mantel, der
gleichsam mit Gelatine gefüttert ist, zusammengefügt wird,
bleibt innen ein Hohlraum, welcher der zu gießenden Statue
völlig genau entspricht. Nun wird die vorher aus Gips
gefertigte Kernform eingebracht, und in die jetzt verbleibende
Hohlschicht das Wachs eingegossen. Wird nunmehr der zwei-
teilige Mantel entfernt, so tritt eine Wachsstatue an das
Tageslicht, welche mit dem Original durchaus identisch ist.
Jetzt endlich wird die Wachsform in der üblichen Weise nut
Schlicker bedeckt, das wachs ausgeschmolzen und das Metall
eingegossen.
Wie man sieht, weicht das Le Bourg-Verfahren von dein
Machsversahrei: nur ii: der Herstellung des Wachsmodells ab;
aber während das alte Verfahren nur die Erzeugung eines
Gusses zuläßt, ist es jetzt möglich, unter wiederholter Ver-
wendung des Gelatinemantels eine große Anzahl absolut
gleicher Güsse zu erhalten, die dein Original genau entsprechen.
Wesentlich anders ist das Llmqvist-Verfahren. Llmqvist
verwendet zur Herstellung des Ausschmelzmodells eine neue
Masse, welche sehr weich und plastisch ist und sich deshalb
weit besser als das Machs zum Modelliren eignet. Mit dem
Machs hat aber die neue Masse den Vorzug gemeinsam, daß
sie sich leicht ausschmelzen läßt. Die Patentschrift führt des
Näheren aus, daß das Retouchiren des Wachsmodells bisher
nicht durch gewöhnliches Modelliren vorgenommen werden
konnte, d. h. nicht vermittelst der Finger oder des Modellir-
spatels, da die für diesen Zweck verwendete ausschmelzbare
Machsmaffe nicht die dazu erforderliche Bildsamkeit besitzt.
Das Retouchiren mußte vielmehr vermittelst erhitzter Werkzeuge
ausgeführt werden, wodurch die Arbeit in hohein Grade er-
schwert und eine künstlerische Vollkommenheit des ausschmelz-
baren Modells fast unmöglich gemacht wurde. Zweck der
 
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