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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Gustav, Leopold: Die Jahresausstellung im Glaspalast
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0339

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Die A u n st - H a l l e.

Nr. t9

Sandreuter. Bei der Elastik dürften Beyrer's
Bismarck-Denkmal und Gbrist das meiste Interesse
erregen. Wie stets, ist der Architektur und den Kopien
auch in der heurigen Ausstellung Raum gewährt.
Nach dieser allgemeinen Uebersicht des Gebotenen
sei mit einer eingehenden Besprechung, welche freilich
nur das Bedeutendste herausgreisen kann, begonnen. In
der Luitpoldgruppe herrscht das Figurenbild vor.
Karl M a r r hat eine große Leinwand gesandt, abend-
lich bestrahlter Userwinkel eines Bees, im Kahn ein
lesendes Mädchen; trotz der großen Fläche Wasser und
Himmel keine unbelebte Stelle; deliziöser in koloristischer
Beziehung sind vielleicht noch seine kleineren Bildniß-
studien. Farbenproblematische Leckerbissen bieten die
Interieurs von Bios, bei denen doch kein Ton schreit;
auch in dem Horträt seiner Gattin bietet Blos koloristi-
sche Wirkungen vornehmster Art. Nicht ganz unver-
wandt sind ihm Messer schmidt's im besten Sinne
malerische historische Szenen und Willmann's freilich
schon etwas kühl lassende Stillleben. Georg Schuster-
wold an, dessen Bruder diesmal unvertreten ist, nennt
sein Bild „Junge Muse". Das Beste ist der jugendlich-
naive Gesichtsausdruck der Geigenspielerin und die
duftige Malart des Kleides, während die Rosenhecke
aus mich einen zu süßen und geleckten Eindruck hinter-
läßt. Gesscken schildert die „heroische Zeit, da Götter
und Göttinnen liebten" gemäß seinem disferenzirten
Farbenempfinden mehr Zvs.Uo8O, als mit antiker Naivetät.
In den Motiven, und nur hierin, steht ihm Max Kusche l
nahe, der freilich seine Gestalten tiefer saßt und gern etwas
hineingeheimnißt, wozu seine ost schwere Farbengebung
gut paßt. Auch Hhil.Gtto Schaefer, der den „Titanen-
kamps" seit einigen Jahren ausgekämpft zu haben
scheint, weilt gern in Arkadien. Er bringt seine darstellerisch
nicht gerade aufregend neu ausgesaßten Gebilde in
einein vornehm-blassen Gobelinton; angenehm fällt sein
zeichnerisches Können auf.
Neben farbenprächtigen Bildern, in denen der
kürzlich verstorbene Franz Eis en Hut seine hochstehende
Technik und seine dem Geheimnißvoll-Schrecklichen gern
zugewandte Phantasie zeigt, nenne ich Karl Hartmann
mit einein famosen Kinderreigen und einem etwas
zahmen Tannhäuser bei Frau Venus, deren im Dämmer
gesehenes Inkarnat reizvoll bewältigt ist. Auch Kunz
Meyer, der einen Schauspieler in der Rolle eines
Shakespeare'schen Kardinals inalte, bewährt seinen satten,
leuchtenden Kolorismus. WalterT h o r bringt nebeneinigen
farbensonnigen Interieurs Horträts in seiner vornehmen
Ruhe und Treffsicherheit. Koloristisch bemerkenswerth
ist besonders der Zusammenklang von Roth und Grün
auf dem Geinälde der im Atelier sitzenden Dame. In
satter Farbigkeit bringen der „Simxlizissimus"-H eine
und Ferd. Spiegel humoristische Pointen etwa im
Genre und der Malweise Hengeler's.
Hhilipp Klein hat viel von Slevogt'schem Farben-
temperament; am glücklichsten ist die halbnackte weib-
liche Gestalt mit umgehängtem Hellen Schlafrock. „Alissa"
ist sehr rassig in der Bewegung gehalten, aber nicht frei
von stumpfen Stellen. Hans v. Bartels bringt
Holländerinnen in seinen: bekannten überzeugenden
Realismus und ein sehr feines Bildniß seiner Schwieger-
mutter, bei den: besonders die etwas müden klugen
Augen fesselnd wirken. Von den Thiermalern sind Holz
mit seine:: in der Sonne gesehenen Hferden, Strebel
nut seinen liebenswürdigen Hunden und Grässel
mit seinen Enten im immer feiner gemalten Wasser u:
bekannter Meisterschaft zur Stelle; ebenso von Roubaud
ausgezeichnete Ackerpferde.

Nun zu den Landschaftern.
Fritz Baer spachtelt alpine Bilder von großzügigem
Gepräge; auch Ubbelohde hat Größe der Auffassung,
die er mit einer Liebe für den Rhythmus der Linie ver-
bindet; Kuithan, der zeichnerisch etwas von Ludwig
Richter hat, ist von einer anmuthig-einfachen Natur-
anschauung, Zoff von weichem Lyrismus beseelt, wenig
Neues läßt sich von Franz Hoch sowohl, wie von
Hermann Urban sagen, die in ihrer strengen Eigenart
wieder reiche Wirkungen erzielen, obwohl ihnen beiden
vielleicht ein unmittelbares Studien-Intermezzo gut thäte.
Urban weiht auch ein Todteninselmotiv mit Versen von
Langheinrich Böcklin, worin er dem großen Farben-
künstler sehr nahe kommt. Küstner rückt immer mehr
in die Nähe von Urbans heroischer Naturbetrachtung,
Halmi 6 kommt neben seinen bekannten Mondbeleuch-
tungsbildern mit einer recht gesund wirkenden Sommer-
landschaft. H. H. Müller gefällt sich diesmal in der
Nähe Dachauer Tongebung, in der auch Doradam
und andere Tüchtiges bieten.
Die schon oben erwähnte „Scholle" hat sich
ihren Raum mit einem dunkelblauen Livreetuch aus-
tapeziert, das bei bedecktem Himmel noch mehr Licht
frißt und bei Hellen: weder zu den feinen Farbenwerthen
Münz er's noch zu den hahnebüchen kräftigen Georgi's
einen günstig wirkenden Hintergrund bietet. Auch eine
Disharmonie in den Größenverhältnissen fällt auf.
Stehen zumBeispiel die Gestalten Georgi'sund Voigt's
viel zu knapp in dem Rahmen, so brauchen Lrler und
Hüttner für Scherze, die im kleinsten Format ganz gut
wirken würden, Riesenleinwand. Eichler bringt ein
Kolossalgemälde: „Naturfest", das als Dekoration gedacht
ist, dafür aber etwas herb und stumpf anmuthet. Aus
einem Sumpfe ragt ein riesiger, verwitterter Baumstumpf
hervor, in dessen Geäst ein paar dralle Fischweiber
Hlatz genommen, deren in Schlangenschwänze aus-
mündende Beine in das Moor hinabbaumeln. An dem
gewitterdräuenden Himmel fliegt ein ängstlicher Schwarm
Vögel, während die Weiber lachen. Schwer vermag
ich in diesen: Hrodukte eigenartiger Hhantasie die See-
rosenguirlande unterzubringen, welche sich über die ganze
Breite des Bildes hinzieht; sie nimmt dem Bilde, den:
es bei aller „Größe" eben doch an jener Größe der
Innerlichkeit fehlt, die den Fabelgeschöpfen Böcklin's
Leben giebt, noch an Wucht. In zwei Eßzimmer-
dekorationen zeigt Eichler gesunden Farbensinn, wenn
auch nicht gerade den besten Geschmack. Erler nennt
seine große Leinwand „Hhantasie an: Ammersee".
Hhantastisches ist wenig dabei; abendlich rothflimmerndes
Wasser, verschiedene nackte und halbnackte Weiber, ein
sich auf die Hinterpfoten stellender hellhaariger Hund,
koloristisch reizvolle Kleiderbündel, ein paar angezogene
Frauen grinsen; man weiß nicht warum, ein Baby liegt
in einem Zuber; alles elegant gemacht mit spielender
oder besser gesagt spielerischer Technik; der ganzen
Komposition fehlt die innere Nöthigung; ein leider den
Herren von der Scholle fast gemeinsamer Fehler; aus-
zunehmcn wäre etwa Georgi, der in seinen grellen
satten, manchmal bajuvarisch derben Farben doch Ge-
stalten bietet, denen Leben inne wohnt. Sehr spielerisch
ist auch Hüttner, der koloristische Lichtwirknng ü tout
prix sucht; dies ist auch bei Münzer der Fall. Freilich
war er lange genug in Haris, um nicht differenzirteren
Geschmack zu haben, wie der das Bunte liebende Hüttner.
Das Fließende feiner Frauenkleider und der Glanz des
polirten Tisches ist mit Raffinement gemalt. Erler-
Samaden malt die Farbigkeit des Schnees und Eises
in gewisser großzügiger Vereinfachung der Linien, aber
doch ziemlich in dekorativer Leerheit. Bechler zeigt
 
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