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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Grosse Berliner Kunstausstellung 1903
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2^0 Die Kunst-Halle. Nr. 22

Schwerttänzerin, an welcher die üppige Schönheit sich
im Sturm der heißblütigen Bewegung berauschend
entfaltet. Des Ferneren fällt in dem Sonderkabinet ein
neues Bildhauertalent in die Augen. Das ist Heinrich
Splieth mit der Steinplastik eines sinnenden Mädchens.
Die schlichte und sichere Art der Arbeit und die ganz
feine Beseelung des Steins wie der herbe keusche Lieb-
reiz des blutjungen Mädchens — das alles deutet auf
eine echte Künstlerkraft. Line prächtige Arbeit in Bronze
ist ein schreitender Halm von Ludwig vordermayer.
Mit altrömischer Gladiatorenschönheit schmückte Fritz
Heinemann die Bronzestatuette eines Fechters, der
siegesbewußt sein Schwert prüft. An einem gewicht-
aufhebenden Athleten strebte Johannes Götz in dem
zickzackförmigen Körxeraufbau das geschmeidige Spielen
der Gelenke zu verdeutlichen. Line glänzende Leistung
ist weiterhin die Bronzestatuette eines lachenden Knaben
von Karl Seffner-Leipzig, jeder Zoll an diesem Körper-
chen ist von feiner Fröhlichkeit durchpulst. Schließlich
fordern die drei altgermanischen Bronzen von RudolfMai-
son-München zu einem gewissen Mißvergnügen heraus.
Der thronende Wotan, die Nornen und der indianerhafte
germanische Flüchtling sind von Maison in genremäßiger
Kleinheit und Kleinlichkeit verarbeitet. Die hünenstarke
Düsterniß und die tragische Größe, die den Nrgestalten
und Urgewalten der germanischen Phantasie inne wohnt,
ist von Maison kaum gestreift noch auch stilisirt. Die
virtuos gefärbten Grüpplein gehören in den Kunst-
händlerladen.
Suchen wir nun die Bildersäle nach hervorstechenden
Bildwerken ab, so begegnen wir demselben Maison
in dem sogenannten Lhrensaal. Dort steht sein Berliner
Kaiser Friedrich-Denkmal in halber Größe der Aus-
führung. Gewiß sehr schön geformt in der Silhouette
ist das kaiserliche Pferd, aber der Reiter darauf hat
nichts von der pompösen Ritterlichkeit und von der
großartigen Haltung, die dem Kaiser Friedrich zu Ligen
war. Der Reiter verschwindet hinter dem Pferdehals,
der Helm beschattet den Hellen Hohenzollernblick und
die peinlich detaillirte Kürassieruniform hindert jenes
dekorative Selbstbewußtsein, das hier wohl am Platze
war, an völliger Entfaltung. Das Denkmal hat weder
Persönlichkeit noch Figur und wird später an der schweren
und wuchtigen Renaissancepracht des Kaiser Friedrich-
museums vollends verfehlt wirken. Hier sieht man
wieder, wie noch uns in Berlin eine ästhetische Aufsichts-
Behörde thut, die derartige Mißgriffe im Keim erstickt.
In demselben Saal treffen wir nun ein Hauptwerk der
Berliner Schule: Die ideale Frauenbüste von Lrnst
Moritz Geyger, die mittlerweile für dieNationalgallerie
angekauft ist. Auf einer dunkelfarbigen Marmorplatte
steht das hohe Postament aus dem weichen graugrün-
lichen Sandstein von pistoja, der von aparter Material-
schönheit ist. Der sich nach oben verjüngende Stein ist
an den Lcken von Feigenstämmen mit stilisirten Ast-
knotungen eingefaßt und gipfelt in einem starken Laub-
kapitäl, aus welchem die vollreifen Feigen hernieder-
hängen. So etwas wie ein Abglanz von dem köstlichen
toskanischen Sonnenschein ist in das Kaxitäl hinein-
getragen. Belebt wird die Sandsteinbasis durch eine
Nische, aus welcher eine Porphyrvase als charaktervoller
Farbenaccent hervorleuchtet. Und der sonnigen Fülle
des Kapitäls schließt sich die dunkle, herb modellirte
Frauenbüste aus Bronze an. Die Linie des geneigten
Kopfes und des breit niederfluthenden Lockenhaars und
die runde, starke, reife Form hat das Gepräge echt
plastischer Größe und dazu kommt ein dekorativ verklärter
Sinnenreiz, ein dekorativer Zauber, der das entzückte Auge
unwiderstehlich gefangen nimmt. Lin Schritt weiter und

wir stehen im Repräsentationssaal vor dem Fechter von
Hugo Lederer, der dominirenden Figur des Breslauer
Universitätsbrunnens. Auch das ist eine Leistung von
sehr hohem Rang. In der eben zum Waffengang an-
tretenden Gestalt zuckt die Iugendkraft durch jeden Nerv
und hinwiederum ist der Llan von der Intelligenz und
sicheren Ruhe, wie sie sich der ideale Fechter aneignet, schön
gebändigt, und daraus ergiebt sich an dem herrlichen
Leibe ein wundervolles Spielen aller Kräfte. Dazu denke
man sich das rauschende und aus der Schale hernieder-
fallende Wasser. In einem Seitensaal findet man von
Lederer noch eine feine Porträtbüste und die pathetisch
stilisirte Gruppe des Krieges der Görlitzer Ruhmeshalle.
In eigenartigem Kontrast zu besagtem Fechter steht die
Bronzestatue des Musikgenius, den Otto Stichling für
den Pallenberg-Saal Melchior Lechters in Köln modellirt
hat. In der feierlich gothisirenden, feinfingerigen,
schwärmerisch verklärten und prachtvoll stilisirten Haltung,
die dieser Mysteriensaal erforderte. Hier erfreut auch
eine Gruppe Münchener Bildwerke: eine Tänzerin von
Johann Vierthaler, schön, aber ohne besondere Genie-
note, zwei sehr fein individualisirte und formenzarte
Marmorbildnisse von w. von Ruemann und der aus
dem Münchener Nationalmuseum her wohlbekannte
Narziß-Brunnen von Hubert Netzer, von dem sich auch
der Kaiser einen Bronzeabguß bestellt hat. Im weiteren
Verlauf der Säle dann eine vortreffliche Virchow-Büste
von Hans Arnoldt und von Larl Hilgers die bronzene
Brunnenfigur eines Fauns als Wasserträger von einer
fein antikisirenden Prägung. Von Dresdner Bildhauern
des Ferneren: ein Paris von Friedrich Hecht, eine Büste
und eine rokokohafte glatte Brunnenfigur von Peter
Pöppelmann, die prachtvolle Marmorstatue des Pro-
metheus von Hermannprell, eine gipserne Pandora
von Johannes Schilling, eine Terrakotta-Nonne von
August Schreitmüller und anderes mehr, worüber schon
des Mefteren berichtet wurde.
Der erstaunlich fleißige Berliner Bildhauer Prof.
Otto Lessing zeigt den Umfang seines zumeist nach
der dekorativen Seite hin bewährten Könnens in einer
Sonderausstellung von flO Arbeiten verschiedenster Art.
Da vereinigen sich Bildnisse, Denkmäler, darunter das
Weimarer Shakespeare-Denkmal, Idealstatuetten und
Brunnen mit Tafelaufsätzen, Pokalen, Schrankfüllungen,
einer kolossalen Kreuzabnahme und einem figurenreichen
Sarkophag, Arbeiten, die bei virtuos äußerlicher Formen-
gewandtheit innerlich kalt lassen. Nur etwa die Marmor-
reliefs von der Berliner Lessing-Brücke, welche Szenen
aus den Dramen Lessing's veranschaulichen, erwecken
wegen der Ligenart der Idee und der eleganten
Stilisirung eine tiefere Theilnahme.
Das unerfreuliche Gedränge in dem großen Skulp-
turensaal brandet gegen ein Kolossalwerk an, gegen
den in Bronze mittlerweile ausgeführten Bromberger
Brunnen von Ferdinand Lexcke. Ls ist bekannt,
daß der Künstler hier eine Verzweiflungsgruppe der
Sündfluth groß und imposant auf eine Felsenspitze
komponirt hat. Aufbau und Gestaltengruppirung haben
ihre Schönheit und auch einen Monumentalzug. Aber
es war ein Fehler, das Werk in einen verhältnißmäßig
kleinen Raum hineinzustellen, da hat es etwas Starres
und Klotziges. Hätte man den roollsr äs brones unter
freiem Himmel inszenirt und womöglich in dem Bassin
mit den spielenden wassern und den aus dem Wasser
aufschnellenden Reflexen, den Licht- und Schattenkontrasten
zum Schwimmen gebracht, so würde alles freier und
schlanker und natürlicher anmuthen. Im Uebrigen finden
sich hier noch manche Monumentalarbeiten, unter welchen
allerdings nur die Bellona am Breslauer Kaiserdenkmal
 
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