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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 116-129 (1. Oktober - 31. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43881#0515

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gung zeugen, als uneheliche einzuschreiben, während sie kirchlich legi-
tim sind.
Sind Bücher, in denen so gehaust wird, noch katholische Kirchen-
bücher? (Schluß folgt.)

Süddeutschland.
* Heidelberg, 27. Okt. Als die von Minister Stabet
geschaffene neue Gerichtsorganisation in's Leben trat, versäumten
die ministeriellen Blätter nicht, pflichischuldigst dem Lande mit
großen Jubelgesängen vorzudemonstriren, daß jetzt etwas so Vor-
treffliches die Welt" überraschen würde, wie noch nichts AehnUches
dagewesen sei, ja man prophezeite, daß alle andern Cutlur« und
Musterstaaten nicht säumen würden, diese unübertreffliche badische
Justizversassung vom ersten bis zum letzten Buchstaben auch bei
sich einzuführen. Jetzt war doch einmal etwas da, was nicht
mehr relativ, sondern absolut gut war, — ein großer
Triumph des menschlichen Geistes, der selbst die speculativsten
philosophischen Köpfe der alten Griechen von der Realität des
An-Sich Schönen-und-Guten in seiner Anwendung auf das praktische
Leben überzeugt hätte. Glücklicher Erfinder, genialer Schöpfer
Stabel, dem man sogar seine unzähligen politischen Wandelungen,
seine reactionär-standrechtliche Vergangenheit, seine Vorliebe zu der
gediegensten unter den Farben der deutschen Tricolore vergessen
konnte — im Hinblick auf ein solches Werk!
Und jetzt? Da hörten wir unlängst von einem praktischen
Juristen zu unserem sprachlosen Erstaunen, daß die ganze Organi-
sation in ihren wichtigsten Theilen verpfuscht sei, — und der
Mann war kein „Schwarzer"! Aber er sagte uns noch mehr,
was wir kaum glauben wollten: es werde demnächst eine „Reform"
der erst reformrrten Gerichtsorganisation als „zeitgemäße Not-
wendigkeit" zu Tage gefördert werden. Und siehe da! Nach zwei-
mal 24 Stunden schon brachte das Beziehungen habende Mann-
heimer Journal einen offenbar inspirirten, Puls fühlenden Artikel
„vom Rhein" mit der Überschrift: „Zur Reform unserer Gr-
richtsverfassung." Nun waren unsere in der Pietät für den großen
Stabel wurzelnden Zweifel gründlich beseitigt, wir erinnerten uns
an das Horazische: „sich über nichts zu wundern", — und bei
solch' klassischen Schulbankreminiscenzen fiel uns auch Fel x Se-
bastian Feldbausch ein, dessen Grammatik ebenso unübertrefflich
gut war, wie die Stabel'sche Justizorganisation. Nämlich als Felix
Sebastian noch Oberschulrath war, nämlich als Stabel noch Justiz-
Minister war, — nämlich als Gerichtsverwalter Veith noch Ge-
richtsverwalter war! Wären wir boshaft, wir würden uns über
Eines freuen: daß Stabel, unser Feind von ehedem (denn ob er
es jetzt noch ist, wo er nichts mehr ist, kümmert uns blutwenig),
nachdem das Abendroih ferner Popularität erblaßt ist, erkennen
muß, welch' unwahres, seichtes, ihnen selbst nicht vom Herzen
kommendes Geschwätz und Gelobhudel die Preßhusaren der
neubadischen Aera vom Landgraben, vom Neckar, vom Rhein über
ihn und sein Werk der Welt vorgefabelt haben in Verbindung
mit den Kathedersophisten, die alles beweisen, was für Geld und
Titel bewiesen werden soll, und die die Existenz und Realität der
ganzen Welt hinwegdemonstriren mit Ausnahme Derer, die sie
füttern, und ihres eigenen Ich, das als Mikrokosmos vom großen
All allein noch übrig bleibt. Aber wir sind nicht boshaft, unser
Gemüth ist stets zu lustig und heiter gestimmt — Dank dem vor-
trefflichen 68er Neuen-Recept, das die gute Frau Base in ihrer
Fürsorge für Onkelchen Pfälzer verschrieben hat — und weil wir
so heiter sind, meinen wir, Stabel hätte lieber Staberl sein
und bei dem Gehudel und Gewedel sagen sollen: ich dank Euch
gar schön, was nutzt mich all' die Ehr'?
Aber die Sache hat auch ihre ernstere Seite. Auch wir sind
keine Freunde der Stabilität, des eigensinnigen Festhaltens an
verknöcherten Formeln, in denen kein Geist mehr sitzt, aber alle
drei Jahre tiefgreifende Organisationen umstürzen und neue an
deren Stelle setzen, das wäre denn doch offenbar das äußerste
Uebermaß der Experimentirerei, die nur die schädlichsten Folgen
nach allen Richtungen hin äußern müßte. Ferner aber: nach dem
Artikel des Mannheimer Journals könnte es scheinen, als ob es
vorzugsweise darauf abgesehen ser, bei der „Reform" der „Reform"
das Oberhofgericht bet Sette zu schieben, das sich allerdings keiner
besonderen Popularität in den maßgebenden Kreisen der Residenz
zu erfreuen hat. Der ministerielle Korrespondent des Mannheimer
Journals ist nicht besonders gut auf den Drei-Jnstanzenzug zu
sprechender meint, er koste zu viel Geld. Etwas ganz Neues
wahrhaftig, daß man einmal auch nach diesem Punkt frägt; wir
aber meinen, daß man Jedermann es ermöglichen muß, sein Recht
Zur äußersten Gränze zu verfolgen und daß wenn man sparen
7^2 *"cht an den dem Bürger zukommenden Vor theilen
geschehen darf, sondern an den Lasten statthaben müßte, von
schwerer drückt, als das in's Enorme angewachscne
Militärbudget. Wenn das Oberhofgericht aufgehoben werden soll,
dann sind freilich noch andere Gründe dazu vorhanden, über tue
wir unsere Gedanken im Innersten verschließen müssen, — unsere
Leser werden ja aber leicht errathen, was wir meinen. Uebrigens
glauben wir nicht, daß Herr Obkircher, der als Kceisgerichts-

direktor in dem Lindau'schen Prozeß eine große Niederlage bei dem
Oberbofgericht erlitten hat, als Justizminister daran denken sollte,
dre Aufhebung eines Gerichtes in seine „Reform" der „Justiz-
reform" aufzunehmen, das jedem Rechtsuchenden in privaten wie
ur öffentlichen Streitigkeiten das höchste Vertrauen einflößen muß.
* Heidelberg, 27. Okt. Die Heidelberger Zeitung hat die
Dreistigkeit, Ihren Lesern zu erzählen, der Pfälzer Bote habe be-
hauptet, es würden nächstens die Fahrpreise auf den Eisenbahn-
blllets mit Thalern und Silbergroschen verzeichnet werden, worüber
sie sich einige hämische Bemerkungen erlaubt. Nun kann aber nur
offenbare Dummheit oder absichtliche Verdrehung der Worte eine
solche Behauptung uns unterschieben. Wir haben nicht nur mit
allem Vorbehalt diese uns zugekommene Nachricht mitgetheilt, son-
dern sie sogar als eine „fabelhafte" und als ein „Gerücht" bezeichnet.
Und weil wir sie für unwayrscheinlich hielten, so haben wir uns
eine Anfrage darüber erlaubt, zu der wir die Berechtigung aus
der Thatsache herleiteten, daß „bekanntlich bei unserem Herrgott
und in Baden Alles möglich ist". Dies wird genügen!
Aus der Pfalz, im Oct. Das Mannheimer Journal
druckt in der Nummer vom 21. d. M. einen Artikel aus dem Frank-
furter Journal ab, welcher seiner Gesinnungsweise offenbar in hohem
Grade entspricht, jenes verwirrte Erzeugniß ist ihm so zu sagen aus
dem Herzen genommen, daher die große Eile. Ein Residenzherr
schrieb am 19. Oktober in Karlsruhe für die Frankfurterin und
bereits am 20. werden jene goldenen, auf besagtem Umwege in die
Spitaldruckerei gelangten Worte in Mannheim gedruckt. Glaubt man
nicht ein präcis befolgtes Commandowort noch zu hören? Sieht diese
Geschwindigkeit nicht aus wie eine officiöse? Den Blättern, welche
maßgebende Hobe Beziehungen nicht ableugnen werden, macht es arge
Beschwerde, daß der „Pfälzer Bote" so frei war, daran zu erinnern,
wie er eine aktenmäßige Darstellung der Behandlung eines Sanitäts-
beamten der Pfalz im Staatsdienste seinen Lesern vorgeführt habe,
wie aber von officiöser Seite zu so unerhörten Thatsachen stillge-
schwiegen wurde. Was anfangen? Stillschweigen ist eine Kunst,
Reden ist aber Angesichts der Actenstücke auch eine Kunst! Als
vor Kurzem die Landesbase eine Antwort für geboten hielt, führte
sie dieses Kunststück aus, daß sie brummend die Mahnung des Pfälzer
Boten erwähnt, sodann aber in ihren ungezogenen Manieren die Ge-
schichte von Huttenheim aufwärmte. Was geht denn den Pfälzer
Sanitätsbeamten, welcher sich ungebührlich behandelt glaubte, die
Sünden anderer Leute an! Nun, die Base bleibt sich gleich, wenn
sie keine Antwort zu geben weiß, spricht sie eben von etwas Anderem.
Gelogen ist es, daß jener Arzt in dem Sinne, wie geschrieben
wird, „entlassen" wurde. Er hatte seine Entlassung dreimal dringend
verlangt und endlich erhalten. Ec wäre wahrscheinlich heute noch
in Staatsdienst, wenn er sich unter einen jüngern, in gerichtsärzt-
licher Praxis unbewanderten Arzt hätte beugen wollen; heute noch
halten die Gerichte (Kreisgericht Heidelberg*), Kreis- und Hofgericht
Mannheim, Schwurgericht) es für zuträglich, von den gerichtsärzt-
lichen Kenntnissen des „Entlassenen" in öffentlichen Gerichtssitzungen
Gebrauch zu machen und seine Gutachten anzuhören. Durch Einsicht
der Untersuchungsacten könnte auch dem jetzigen Gerichlsarzt das
Material zur Beurtheilung geboten werden in Fällen, deren Unter-
suchung noch in der Dienstzeit des „Entlassenen" stattfand. Aber
diese hohen Gerichtshöfe wissen eben aus Erfahrung, daß er nicht
„die „Wissenschaft compromittirt", daß er nicht die Aufgabe des Staats
erschwert."
„Die ultramontanen Blätter suchen nun den Fall so darzustellen,
als ob die Entlassung erfolgt sei, weil der Mann katholisch war" —
so der Karlsruher! Der Pfälzer Bote hat durch die Actenstücke den
Lesern das Material geliefert, daß jeder sich selbst den Fall vorstellen
kann; in diesen Actenstücken hat der aus dem Staatsdienst getretene
Sanitätsbeamte seine Meinung höhern und höchsten Orts dahin aus-
gesprochen, daß von seiner politischen und religiösen Ueberzeugung
die Beweggründe zu den Maßregeln gegen ihn genommen wurden.
Keine Behörde Hal ihm widersprochen, keine ihm den Ausdruck dieser
Meinung verwiesen ; ja ein hoher Beamter hat dem Aufklärung über
die Maßregeln Suchenden seine Privatansicht mündlich dahin geäußert,
daß seine Eigenschaft als „Ultramontaner" Aufklärung gebe.
Nein, edles Spitalblatt, wir fürchten uns nicht „an diesem
Thema zu rütteln."
Gib Antwort auf dieses Thema; dann erhältst du auch eine
solche auf deine Lügen in Betreff des mit Encyclica und Spllabus
ausgestatteten Walldürner Falles, welcher den Pfälzer „Amtsarzt"
gar nichts angeht. Er dient dem gewissenhaften Correspondenten
nur dazu, um, in lügenhafter Zeichnung ein finsteres Schreckbild
darstellend, dessen grausigen Schatten auch auf den „Entlassenen"
aus der Pfalz fallen zu lassen.
§ Aus der Taubergegend, 26. Okt. Nach Beendigung
unserer Wernreisen und Rücftprachnahme mit Kennern sind wir
in der Lage über den hierländrschen Neuen folgende Angaben mit-
zrtthcilen. Der erste Ort, bei welchem diesseits der Tauberwasser-
schcide Wein g.pflanzt wird, ist Ufffingen. Hier wurden circa
400 Eimer (ü 60 Maas) erzielt, in Anaeltburn 50, Boxbecg
100, Wüichingen 600, Epplingen 400, Bobstadt 150. Ja den
*) Der neuernannte Präsident des Justizministeriums war dessen Direktor !
 
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