Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

DOI Heft:
Heft 9
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Artikel:
Vom Tage
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0121

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
A-S-

deutungsvolle Lrrungenschaft eine realistische Malerei
für unsere Zeit bedeutet." Nötigt sie doch die Maler
ungleich mehr, als die Zeichnung oder oberflächliche
Lärbung, auch ihre sshantasie anzustrengen zu einem
vollständigen Ausgestalten ihrer Gebilde. — Dann
warnt der Nersasser vor dem Zrrtum, daß von einem
„ Z d eali sieren " der Farben überhaupt die Nede
sein könne. „Thatsächlich ist das menschliche Auge,
sosern es wirklich gegebene Larben sieht, der wunder-
barste Zdealisierungsapparat gegenüber den andern
Sinnesorganen, den die Natur sich erschaffen hat. Lin
Lhaos von Licht- und Ätherwellen idealisiert der far-
bige, xhotographische Apparat des Auges zur sicht-
baren Lrscheinung, ,Natur' genannt, und je feiner
wir im Linzelnen und Ganzen diese sichtbare Lrschei-
nung im Auge empfinden als Nialer und sehende
Laien, desto schöner ist die Farbe. Gs ist gar nicht
möglich, schönere Farben zu gestalten, als das Auge

selbst, und die Zdealität der wirklichen Natur ist
ihre sarbige Lrscheinung im Auge."

Rirchbach spricht zum Schlusse davon, daß die be-
sondere physiologische Beschaffenheit eines Alalerauges
zur Ursache der koloristischen Ligenart eines Malers
werden kann. N)ie beispielsweise bei Menzel die Uurz-
sichtigkeit bei seiner „diffusen Art, die Farbentöne vor-
zutragen, während doch das Ganze von wunderbarer
Saftigkeit des Aolorits" ist. Tine geringe Aurzsichtig-
keit hält der verfasser sür den Nlaler überhaupt sür
vorteilhast. Sie ist ein „harmonisches bserabstimmungs-
mittel" der Lichtstärke, die wir ja doch einmal im
Bilde herabstimmen müssen gegen die wirklichkeit.
Weitsichtige Maler haben gar ost „mit einer gewissen
Härte und Aälte des Tons" zu ringen. Auch andere
physiologische Bedingungen des Auges beeinflussen un-
zweifelhaft die Umlweise, welche wir, ästhetisch be-
trachtet, als Grigiimlität der j^inselsührung" empfinden.

vom

-X- Die Goethe-Gesellschast in weimar hat gegen-
wärtig 2883 Mitglieder, eine Zahl, die täglich steigt.

-x- Das Berliner „Deutsche Theater" hat mit einer „Wieder-
ausgrabung" Glück gehabt. Es gab Gtto Ludwigs „Makka-
bäer", die nach V. Brahms Bericht „trotz einer mittelmäßigen
Darstellung, trotz einer kärglichen Ausstattung" enthusiastische
Aufnahme sanden. Bedeutet das die wiederauserstehung
des genialen Dramatikers zu nun dauerndem Leben in seinem
volk?

* Rleists „Familie Schroffenstein" ward am 2 p Zan.
in Düsseldors in einer neuen Bearbeitung von Gottsried
Ztommel ausgesührt. Vom Urwerk sind nur die ersten drei
Akte ziemlich unverändert geblieben, den Rest, mit Ausnahme
eines Austritts im vierten Akt, dichtete Stommel hinzu. Seine
Arbeit wird warm gelobt.

» Linen Vortrag über „Lessings und Goethes An-
schauungen über 5chausxielkunst" hielt in Berlin s).
Schlenther. „Lr nahm," wie die Frks. Z. berichtet, ,,mit kräs-
tiger Lntschiedenheit sür die erste und gegen die zweite 5tel-
lung. Er zeigte, wie beide sührenden Männer in ihren Schick-
salen an der Bühne verwandt, in ihren Ansichten aber völlig
entgegengesetzt waren: ,Theatermüde* war am Lnde seines
Lebens Goethe so gut wie Lesfing, und von dem mächtigen
Linfluß einer kleinen Rünstlerin (Frau bsensel hieß sie in einem
Fall, Uaroline Iagemann im andern) hatten beide zu leiden.
Aber Lessing bemühte sich in rein theoretischer Lrkenntnis um
die 5chausxielkunst, wie ein Naturforscher spürte er ihrem ge-
setzmäßigen lVirken nach; Goethe trat von außen an sie heran,
er wollte anordnen und regulieren, wie ein Mechaniker, und
er brachte den Linfluß der Franzosen zurück, den Lessing sür
immer schien gebrochen zu haben. Llessing suchte Gesetze;
Goethe gab Regeln — der ganze Gegensatz ist in diesen
lVorten beschlossen. Unser Ziel aber muß sein, endete der
Redner unter lebhaftem Beisall, die lveimarer Schule, die
schon im Sterben liegt, völlig zu überwindcn und den Idealen
Lessings, einem stilvollen Realismus, wieder nahe zu kommen:
zurück zu Lessing müssen wir streben und durch ihn vorwärts!"

» InMünchen geht ein Gerücht, man erwäge „in maß-
gebenden Rreisen" den Plan, das Residenztheater zu schließen,
das Lsostheater der Gxer und dem großen Drama vorzubehalten,
in das Theater am Gärtnerxlatz aber Lustsxiel und kleines
Lchausxiel zu verlegen, womit die eigene Thätigkeit dieser

Tage.

letzten Bühne, wie sie jetzt besteht, in lVegsall käme. „lDir
veröffentlichen dieses Gerücht", schreiben die „lll. N. N.",
„mit der ausgesprochenen Absicht, ein Dementi zu erlangen.
Denn zweiselsohne muß die Erörterung solcher jdläne, deren
Vcrwirklichung der ,RunststadÜ lllünchen einen schweren Lchlag
versetzen und die ,Großstadt° lNünchen geradezu um Iahr-
zehnte zurückschrauben würde, schwere Besorgnis erwecken".

Ä- Line sranzösische Gperettengesellschast sxielt
jetzt im lValhalla-Theater zu Berlin mit gutem Ersolg.
Die Darstellung zeigte, „daß die sranzösische Gxerette sür
Franzosen geschrieben ist. Denn mehr noch als der Gesang
selbst wirken das rasche Tempo, das vollcndete Zusammenspiel,
das Temperament und die Leichtigkeit und Flüssigkeit der
Gesxräche, die echt sranzösischen Eigenschasten". 5o schreibt
das „B. T." und schließt daraus: „Die deutschen Bühnen
sollen die sranzösische Gxerette und deren Nachahmung ganz
aufgeben und sich vollends der Gattung der echt deutschen
komischen Gxer widmen, die jetzt mit den ,5ieben Echwabeiv
den richtigen lVeg eingeschlagen hat".

-x- llber die gesellschastliche Ltellung der deutschen 5chau-
spieler liegt ein sranzösisches llrteil vor. Ls findet sich im
„Temxs". „Der eigentliche llnterschied, der zwischen den
nnsern und den Berliner Echauspielern besteht, ist der, daß
die letzteren nicht mehr unter dem alten, eingerosteten l)or-
urteil zu leiden haben, das sie aus der Gesellschast verbannte,
und das zu durchbrechen bei uns nur wenigen, ganz hervor-
ragenden Aünstlern gelingt. Die deutschen Schausxieler ver-
kehren mit der bürgerlichen Gesellschast, nicht nur in den
Rulissen und an öffentlichen Grten, sondern im Echoße der
Familien, nicht nur mit den lllännern allein, sondern auch
mit den Frauen, und zwar nicht nur große Rünstler, sondern
jeder Schauspieler von nur einiger Bedeutung. Ebenso unter-
scheidet sich ihre Lsaltung, mit einzelnen Ausnahmen, in nichts
von der der Gesellschast, in welcher sie verkehren. Der 5chluß,
daß dadurch der lhebung der llloral unter dem ganzen 5tande
in weitestem lllaße Vorschub geleistet wird, liegt demnach sehr
nahe. lllehrere lllale während des Abends wechselten einzelne
Schausxielerinnen im vorübergehen mit den Damen der
Familie, deren Gast ich war, sreundschastliche Grüße." Das
Verwunderlichste an diesen lllitteilungen wird sür uns sein,
daß sie mit dem Ton der Verwunderung erzählt werden.

o)

— us —
 
Annotationen